Dr. Ruth Seidl: „Das Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft ist in der Tat der Mittelstand“

Antrag der FDP zur Forschungsförderung

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Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Sie sind herzlich eingeladen, sich unserem Antrag heute anzuschließen. Leider haben Sie sich, Frau Birkhahn, schon im Vorfeld gewunden und sich einer gemeinsamen Initiative verweigert mit der Begründung – O-Ton Herr Berger aus dem Ausschuss; ich zitiere –, „eine ganz eigene Philosophie von Mittelstandsförderung“ zu haben. Genau damit sind Sie in der Anhörung komplett durchgerasselt, und die Sachverständigen haben kein gutes Haar an Ihrem Antrag gelassen. Das muss man zur Wahrheit hinzufügen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben mit unserem rot-grünen Antrag und der entsprechenden Verankerung im Landeshaushalt ein stringentes Förderkonzept für die Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf den Weg gebracht. Mit dem aktuellen Wissenschaftshaushalt stocken wir die Mittel zur Förderung von Innovationen um 4 Millionen € auf. Damit stehen für den Innovationstransfer knapp 5,9 Millionen € jährlich zur Verfügung.
Wir halten diese Investition auch für notwendig. Der rasante Strukturwandel, den Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten insbesondere durch einen sich wandelnden Energiemarkt erlebt hat, zeigt doch, dass wir ein Land sind, das seine Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Rohstoffvorkommen stützen kann, und wir daher vermehrt auf Innovation und Wissen angewiesen sind.
Und das Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft ist in der Tat der Mittelstand. 99,5 % aller Unternehmen sind sogenannte KMU. Wachstum und Innovation entstehen genau hier.
Um Kontakte mit anderen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufbauen zu können, ist es besonders wichtig, kleinen und mittleren Unternehmen bei der Orientierung zu helfen. Deshalb waren wir uns auch alle einig darüber, dass vom Bund und Land aufgelegte Förderprogramme wie ZIM, Mittelstand.innovativ oder die Innovationsgutscheine als Türöffner für KMU zu den Forschungslaboren der Hochschulen besser ausgeschöpft werden müssen als bisher. Es braucht bessere Beratungsstrukturen und eine Überprüfung, ob die genannten Maßnahmen und Programme zielgerichtet funktionieren.
Vor diesem Hintergrund wollen wir unser Engagement im Hinblick auf forschungs- und entwicklungsorientierte Fördermaßnahmen verstärken und Lücken im Förderangebot von Bund und EU durch gezielte Maßnahmen schließen. Ein erfolgversprechender Ansatz könnte dabei die Wiedereinführung und Ausweitung des Förderprogramms Transferorientierte Forschung, TRAFO, sein – es ist eben schon von Herrn Bell erwähnt worden –, mit denen von 2001 bis 2006 die anwendungsnahe Forschung an nordrhein-westfälischen Fachhochschulen in Kooperation mit KMU erfolgreich befördert wurde.
Wir schlagen darüber hinaus die Einrichtung einer Mittelstandsinitiative Forschungsförderung vor, die ein ganzes Bündel von Unterstützungsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen beinhaltet. Diese sollte getragen werden von Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen, von Hochschulen und von Multiplikatoren aus Wissenschaft und Unternehmen.
Mit unserem Änderungsantrag berücksichtigen wir die aktuelle Entwicklung, insbesondere die Tatsache, dass sich die Innovationsallianz der Hochschulen mittlerweile aufgelöst hat und dass die Landesregierung im Bereich Ausgründungen aus Hochschulen bereits aktiv geworden ist. So wurde inzwischen das Programm HochschulStart-up.NRW aufgelegt, welches gut angenommen wird und bereits positive Effekte zeigt. Insbesondere der Austausch von Wissen und Technologie zwischen Hochschule und Wirtschaft wird hierdurch forciert. Er wird schneller und effizienter.
Ich muss es jetzt auch schon vorweg sagen: Es ist ein Stück weit paradox, Frau Freimuth, dass Sie auf der einen Seite im Laufe der vergangenen Diskussionen beklagen, dass die Innovationsmittel, die wir mit dem Haushalt aufstocken, nicht ausreichen, aber auf der anderen Seite fordern, die Mittel für das Forschungsförderprogramm „Fortschritt NRW“ zu halbieren. Langfristig wollen Sie das Programm – das war ja Ihr Antrag für die dritte Lesung – sogar ganz streichen.
Das heißt aber im Klartext: Die FDP will die Forschungsförderung des Landes, die klassische Landesforschungsförderung, abschaffen. Sie wollen verhindern, Frau Freimuth, dass wir genau technologieoffene Forschung fördern, damit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen gezielt an der Lösung gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen arbeiten können.
Vor diesem Hintergrund ist Ihr jetzt heute noch kurzfristig eingereichter Änderungsantrag nicht wirklich ernst zu nehmen. Bei allen Versuchen im Vorfeld – ich habe extra noch einmal nachgeguckt; wir hatten verschiedene Versuche unternommen –, es ist einfach nicht gelungen, mit Ihnen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
(Angela Freimuth [FDP]: Sie haben die Mail vom März noch nicht einmal beantwortet!)
Von daher sind Sie nach wie vor herzlich eingeladen, unserem Antrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)