Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten und beschließen heute nicht weniger als eine der umfangreichsten Novellierungen unseres Kommunalverfassungsrechts der letzten Jahre. Vieles beruht auf Diskussionen, die wir unter den demokratischen Fraktionen über mehrere Jahre zu verschiedenen Anträgen und Stellungnahmen miteinander geführt haben. Herr Moor, gerade nach unserer doch sehr höflichen und sachlichen Diskussion letzte Woche im Ausschuss hat mich die große Keule am Ende Ihrer Rede dann doch ein bisschen überrascht. Dennoch will ich mich für die gute Zusammenarbeit untereinander bei Ihnen allen, liebe Kollegen – lieber Heinrich Frieling, lieber Justus Moor, lieber Dirk Wedel –, wirklich herzlich bedanken, unabhängig davon, wer hier am Ende heute wie abstimmt.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Heinrich Frieling [CDU])
Ein ebenso großer Dank – es ist schon angesprochen worden – gilt natürlich auch den kommunalpolitischen Vereinigungen, die in für uns manchmal erstaunlicher Einigkeit an den Grundlagen unserer kommunalen Verfassung mitgearbeitet haben, sowie Frau Ministerin Scharrenbach, die die Anregungen der kommunalen Ehrenamtler*innen in eine sehr gute Gesetzesform gegossen hat.
Mit dem jetzt vorliegenden Gesetz machen wir die Kommunalpolitik moderner. Wir machen sie damit attraktiver für das so wichtige Ehrenamt. Wir geben mehr Menschen die Möglichkeit, sich vor Ort politisch einzubringen. Nicht zuletzt schützen wir unsere demokratischen Strukturen und Abläufe vor denjenigen, die eben nicht an konkreten Lösungen für konkrete Probleme mitarbeiten wollen, sondern die die Kommunalpolitik als eine Bühne missbrauchen wollen, um unsere Demokratie zu beschädigen und um ihre extremistische Agenda vorzutragen.
Diese Stärkung der Resilienz unserer kommunalen Demokratie war nicht zuletzt auch für die kommunalpolitischen Vereinigungen ein zentrales Anliegen an diesen Gesetzentwurf. Denn wenn es in Rats- oder Ausschusssitzungen nicht mehr um die Sache geht, sondern sie als Ort für Agitation, Beleidigungen und Verfahrensstreitigkeiten herhalten müssen, ist auch das Funktionieren kommunaler Demokratie in Gefahr. Kommunalpolitik lebt viel stärker als die Arbeit in einem Parlament wie unserem von Niedrigschwelligkeit, von Zugänglichkeit und von Leistbarkeit für jedermann und jedefrau.
Deshalb werden wir es auch nicht akzeptieren, wenn diejenigen, die sich zusätzlich zu ihrem normalen Job und neben ihren Verpflichtungen in der Familie im Alltag in einer demokratischen Partei oder Wählervereinigung ehrenamtlich für ein gelingendes Zusammenleben in ihrer Stadt oder Gemeinde einsetzen wollen, von denjenigen, die genau diese Zusammenarbeit scheitern sehen wollen, an ihrem Engagement gehindert oder lächerlich gemacht werden sollen.
Dieses ausdrückliche Ziel des Gesetzentwurfs fand auch in der Sachverständigenanhörung einhellige Zustimmung und Unterstützung. Wir sind dankbar für die wichtigen Hinweise, unter anderem bezüglich der Herstellung von Ordnung in den Sitzungen oder in Bezug auf die Konstituierung und Arbeitsweise der Ausschüsse.
Wichtig ist mir dabei auch der Schutz, den wir für das wichtige Amt der Ausschussvorsitzenden einführen. Denn wenn sich zeigt, dass eine Person für den Ausschussvorsitz nicht geeignet ist, zum Beispiel weil sie ihre Position für eigene politische Zwecke instrumentalisiert oder im schlimmsten Fall die gesamte Ausschussarbeit lahmlegt, kann der Rat zukünftig durch Abwahl oder durch Widerspruch intervenieren. Die Hürde für einen solchen Eingriff hängen wir mit der Zweidrittelmehrheit entsprechend hoch, sodass es dafür einer großen Übereinstimmung unter den Demokratinnen und Demokraten bedarf.
Neben dem wichtigen Themenkomplex der Resilienz will ich meine Redezeit aber auch noch kurz nutzen, um auf die viel diskutierte Einführung von Beigeordneten in den Kreisen einzugehen, einer Regelung, die in vielen anderen Bundesländern – das muss man so ehrlich sagen – längst zum Alltag gehört. Insofern verwundert die große Aufregung, die es um diese Frage gab, doch ziemlich, ebenso wie die Auffassung der SPD, man brauche das alles nicht. Denn wenn man die Kreise als eine demokratisch verfasste politische Ebene ernst nimmt, muss es doch eigentlich selbstverständlich sein, dass es auch für deren gewählte politische Vertretung, den Kreistag, die gleichen Mitbestimmungsrechte über die Verwaltungsführung gibt, wie wir sie in den Städten und Gemeinden haben und wie wir sie auch in den Landschaftsverbänden haben.
Deshalb ist die Einführung der Beigeordnetenwahl im Rahmen unserer pluralen Demokratie am Ende ein richtiger Schritt. Den großen Bedenken vonseiten der Landräte begegnen wir hier, indem wir auch an dieser Stelle die Zweidrittelmehrheit zur Voraussetzung machen.
Der Gesetzentwurf regelt darüber hinaus viele weitere wichtige Anliegen. Auch für diese lohnt sich heute eine Zustimmung. Da geht es um die wichtige Stärkung der Ausschüsse für Chancengerechtigkeit und Integration, um die verbesserten Möglichkeiten zur Mitbestimmung für Jugendliche, um höhere Familienfreundlichkeit des Ehrenamts, um die Stärkung interkommunaler Zusammenarbeit und auch – nicht zu vergessen – um die sehr pragmatische Vereinfachung des Vergaberechts, sodass Kommunen kleinere Aufträge zukünftig deutlich schneller vergeben können, weshalb Kitas, Schulen und Vereine zukünftig weniger lange auf Bau- und Sanierungsmaßnahmen warten müssen.
Wichtig ist uns insbesondere, dass dieser Bürokratieabbau in den Verwaltungsverfahren nicht mit geringeren Qualitätsstandards einhergeht. Vielmehr ermöglichen wir den Städten und Gemeinden, zukünftig selbst darüber zu entscheiden, ob sie, wie sie das bisher müssen, das billigste Angebot nehmen oder doch lieber einem nachhaltigen, sozialeren oder umweltfreundlichen Angebot oder einem vor Ort bekannten Anbieter den Vorzug geben.
Alles in allem haben wir ein sehr gutes und sehr vielfältiges Paket an Maßnahmen in diesem Gesetz gebündelt, mit denen wir unsere Kommunen stärker und die Kommunalpolitik jünger, resilienter und gleichberechtigter machen. Ich freue mich auf Zustimmung in diesem Hohen Haus. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
