Dr. Robin Korte: „Was macht unser Land aus der begrenzten Fläche, die uns zur Verfügung steht?

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zum Landesentwicklungsplan

Portrait Robin Korte

Der Antrag

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Landesentwicklungsplan – das klingt erst mal irgendwie sperrig. Ich bin mir sicher, dass nicht wenige Menschen in Nordrhein-Westfalen und vielleicht sogar die eine oder der andere Abgeordnete mit diesem Begriff erst mal wenig anfangen kann. Wenn man sich aber näher damit beschäftigt – und das muss man ja spätestens bei der Lektüre eines solchen sechsseitigen Antrags –, merkt man schnell: Diese Landesplanung ist eigentlich ein sehr spannendes Thema und vor allem eines, mit dem ganz schön viel entschieden wird, denn der Landesentwicklungsplan, kurz: LEP, ist das zentrale Element der Raumordnung in und für Nordrhein-Westfalen.

Jetzt könnte man sagen: „Raumordnung“ ist doch schon der nächste dröge Begriff. – Er ist aber spätestens dann nicht mehr dröge, wenn man sich klarmacht, was wir hier eigentlich alles entscheiden. Wir legen fest: Wo darf der Schlossermeister seine Firma erweitern? Wo darf Familie Müller ihr Haus bauen? Wo dürfen sich eigentlich Hase und Igel gute Nacht sagen, wo darf also die Natur auch einfach mal Natur sein und ihre Ruhe vor uns Menschen haben?

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unser aller Alltag und nicht zuletzt auch das alltägliche Handeln unserer Kolleginnen und Kollegen in der Kommunalpolitik, in den Planungsausschüssen unserer Städte und Gemeinden sind also bestimmt von dem, was die Landesplanung vorgibt und worüber wir heute debattieren. Denn es geht letztlich um die Frage: Was macht unser Land, was machen wir hier Nordrhein-Westfalen aus der begrenzten Fläche, die uns zur Verfügung steht?

Gerade weil Fläche nicht vermehrbar ist und auch niemals vermehrbar sein kann, ist eine vorausschauende und abwägende Planung, die eben nicht nur die Interessen des Hier und Jetzt abbildet, sondern auch die Zukunft mitdenkt, so maßgeblich für die Entwicklung unseres Landes. Es gilt nämlich jetzt, Nordrhein-Westfalen für die Zukunft fit zu machen, für eine Zukunft, in der wir die Grundlagen unseres Wohlstands genauso erhalten, wie wir die Lebensgrundlagen unserer und zukünftiger Generationen schützen, und in der wir die räumlichen Handlungsspielräume, die wir für uns selbst heute beanspruchen, auch unseren Kindern und Enkelkindern bewahren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben hier Nordrhein-Westfalen das feste Ziel, dass wir klimaneutral werden, das 1,5-Grad-Ziel einhalten und dabei zugleich ein starker Industriestandort bleiben. Einige zentrale Weichen dafür werden maßgeblich im Landesentwicklungsplan gestellt, etwa wenn es um die Ausweisung von Flächen für erneuerbare Energien geht.

Gerade weil wir beim Klimaschutz keine Zeit mehr zu verlieren haben, ist es auch gut und wichtig, dass die Landesregierung unmittelbar nach Regierungsantritt mit den Vorbereitungen für eine erste Änderung am Landesentwicklungsplan begonnen hat. Dieser erste Änderungsentwurf, der sich vor allem mit der Frage beschäftigen wird, wie wir die Energiewende hier im Land beschleunigen, ist für das Frühjahr angekündigt. Deswegen ist es jetzt an uns als Parlament, dass wir unsere Erwartungen an diese Änderung und an deren Abstimmung mit den Regionalplanungsbehörden feststellen.

Es ist aber auch klar, dass der LEP als Ganzes zu betrachten ist, weil die Nutzungen von Fläche immer miteinander zusammenhängen, genauso wie sich auch die derzeitige Energiekrise und die ökologischen Krisen unserer Zeit nicht voneinander trennen lassen.

Als Koalition wollen wir deshalb diese Gelegenheit dafür nutzen, schon jetzt, frühzeitig in der Wahlperiode, den ganzen Bogen in der Landesplanung zu spannen und wichtige Weichen zu stellen.

Der LEP betrifft neben der Energiewende auch viele andere Megathemen von der Sicherung der Landwirtschaft als Grundlage unserer Ernährung über die Siedlungsentwicklung bis zum Schutz unserer Natur und Artenvielfalt. Um den Herausforderungen unserer Zeit auch in diesen Zukunftsthemen zu begegnen, braucht es ein weiteres Änderungsverfahren, und das kann eben nicht bis zum Abschluss des ersten warten. Deswegen begrüßen wir es ausdrücklich, dass diese Landesregierung sich zutraut, zwei Änderungsverfahren zum LEP parallel zu führen, und möchten sie ausdrücklich dazu ermutigen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Jetzt aber weg von Zeitplänen und zurück zu den Inhalten und Zielen des Antrags. Ganz zentral ist und bleibt – das kann ich nur wiederholen – der Ausbau erneuerbarer Energien. Die Windenergie braucht mehr Fläche in Nordrhein-Westfalen. Freiflächensolarenergie braucht klare räumliche Perspektiven, und auch neue Technologien wie Floating PV und Agri-PV müssen räumlich definiert werden. Deshalb war es ein sehr wichtiger erster Schritt, dass Frau Ministerin Neubaur noch Ende Dezember letzten Jahres per Erlass die Flächenkulisse für Solar- und Windenergie in unserem Land geöffnet und konkretisiert hat.

In der Folge kommt es jetzt aber auch darauf an, dass wir die Ausweisung der neuen Windenergiegebiete, die für unsere Energieversorgung und den Klimaschutz so wichtig sind, so zeitnah wie möglich zum Erfolg führen, was nur gelingen kann, wenn wir den Flächenbedarf in unserem Land gerecht verteilen. Das kann nur heißen, dass sich jeder Landesteil, jede Region beteiligt.

Nur so kann und wird Nordrhein-Westfalen auch nach dem Kohleausstieg 2030 ein starkes Energie- und Industrieland bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ein zweiter zentraler Aspekt unseres Antrags ist die Flächensparsamkeit. Die Ziele des sparsamen Umgangs mit Fläche und das Leitbild der dezentralen Konzentration für die Entwicklung unseres Siedlungsraums bleiben in unserer Planungspolitik ein fundamentaler Anker, den wir angesichts der Biodiversitätskrise, des Artensterbens und im Interesse unserer Landwirtschaft beibehalten und dem wir mehr Gewicht verleihen werden.

Deshalb ist es auch so wichtig, dass durch die Wiederaufnahme des 5-ha-Grundsatzes, also der Maßgabe, dass in unserem Bundesland nur noch maximal 5 ha pro Tag in Anspruch genommen werden, wieder ein klarer Indikator und ein nicht zu unterschätzender Meilenstein für den Schutz von Natur und Landschaft eingeführt wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ein drittes und letztes Anliegen möchte ich noch hervorheben. Es ist der Umgang mit Rohstoffen in unserem Bundesland. Klar ist, dass unsere Rohstoffe endlich sind und wir sparsam und verantwortungsvoll mit ihnen umgehen müssen – gerade auch, weil wir heute und bei vielen Zukunftsherausforderungen nicht ohne sie auskommen werden.

Der Abbau von Kies, Sand und Festgestein ist aber nicht immer naturverträglich, er geht mit massiven landschaftlichen Eingriffen einher. Dass das bei den Menschen vor Ort verständlicherweise Widerstände auslöst, erleben wir derzeit nicht nur, aber besonders am Niederrhein. Deswegen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, den Abbau insbesondere von Kies und Kiessand zurückzuführen und auf Basis eines wissenschaftlich fundierten Rohstoffmonitorings für die besonders betroffenen Regionen erstmals und endlich eine Ausstiegsperspektive aufzuzeigen. Ich will nicht leugnen, dass diese Aufgabe sehr ambitioniert ist. Umso mehr ist es eine gute Nachricht für Mensch und Natur, dass wir uns dieser Aufgabe annehmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zum Abschluss will ich noch ein paar Worte zum Verfahren verlieren. Es heißt zu Recht „Landesentwicklungsplan“ und nicht „Landesentwicklungsgesetz“, denn selbstverständlich bleibt es der Landesplanungsbehörde vorbehalten, jede Änderung einer gründlichen und sachgerechten Abwägung zu unterziehen. Und doch haben wir als Parlament heute die Chance, mit unserem Mandat die politischen Leitlinien und einen klaren Auftrag vorzugeben, dass die Raumplanung in Nordrhein-Westfalen den Veränderungen, der Zukunft gerecht wird, sodass wir unseren Kindern und denen, die nach uns sitzen hier sitzen und debattieren werden, ein gutes Land, gute Lebensgrundlagen und Gestaltungsperspektiven hinterlassen können.

In diesem Sinne möchte ich um Ihre breite Zustimmung zu diesem Antrag werben. Lassen Sie uns dieser Verantwortung gemeinsam gerecht werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber André Stinka, lieber Dietmar Brockes, ich will mich ganz kurz – ich habe nicht mehr viel Zeit – bei euch beiden für die detaillierte Auseinandersetzung mit unserem Antrag bedanken.

Ja, Herr Stinka, natürlich gibt es Zielkonflikte. Das ist das Wesen jeder Ebene von Raumplanung, und es ist unsere Aufgabe, diese Zielkonflikte bestmöglich aufzulösen

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

und diese verschiedenen berechtigten Interessen – Wohnen, erneuerbare Energien, Gewerbe, Naturschutz und weitere – miteinander in Einklang zu bringen.

Ich freue mich darauf – die Ministerin hat es gesagt –, dass wir uns natürlich, auch wenn wir heute direkte Abstimmung beantragt haben, im Fachausschuss und hier im Landtag weiter mit dem Landesentwicklungsplan und mit der Lösung dieser Zielkonflikte beschäftigen und beraten werden. Das wird ein wichtiger und wertvoller Prozess, auf den ich mich sehr freue.

Wichtig für mich und für uns ist an dieser Stelle, dass wir heute die Ziele für dieses Verfahren auf den Weg bringen und gemeinsam beschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Landesplanung