Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir gleich zwei Anträge der SPD zur Altschuldenlösung in einem Tagesordnungspunkt. Wenn man beide Anträge gemeinsam betrachtet, wird auch noch einmal deutlich, wie sich die Debatte zu dem Thema im letzten Jahr entwickelt hat.
Man konnte zwischenzeitlich fast den Eindruck gewinnen, Sie hätten bei Ihrem Antrag aus dem Mai des letzten Jahres – das ist der erste – zwischenzeitlich fast selbst vergessen, dass er immer noch im Verfahren ist. Denn etwas Substanzielles zur laufenden Debatte wurde mit diesem Antrag zu keiner Gelegenheit beigetragen. Im Gegenteil: Er war eigentlich schon vor neun Monaten, nämlich zum Zeitpunkt seiner Einbringung, völlig veraltet. Heute ist er es erst recht.
Schauen wir auf den Titel: „Ausgestreckte Hand der Bundesregierung endlich annehmen: […]“. Es sei noch einmal angemerkt: Das haben Sie als SPD-Fraktion im Mai 2024 so aufgeschrieben.
(Christian Dahm [SPD]: Genau!)
Dumm ist nur, dass es diese ausgestreckte Hand der Bundesregierung damals und mindestens bis zur Entlassung von Christian Lindner als Bundesfinanzminister nie gegeben hat. Das haben auch die Sachverständigen in der Anhörung attestiert.
(Justus Moor [SPD]: Hä?)
– Herr Moor, Sie brauchen gar nicht so irritiert zu gucken.
(Justus Moor [SPD]: Das irritiert mich jetzt doch!)
Schauen wir auf ein Zitat der kommunalen Spitzenverbände, die in ihrer Stellungnahme zu Ihrem Antrag geschrieben haben – ich zitiere –:
„In der Folge hat ein weiteres Gespräch zwischen kommunalen Spitzenverbänden und Landesregierung stattgefunden.“
Es geht um die bereits stattfindenden Gespräche zur NRW-Landeslösung.
„Gemeinsam war allen Beteiligten die Irritation darüber, wie das Bundesministerium eine eindeutige Klärung möglicher Mehrheiten auf Bundesebene ohne Vorlage konkreter eigener Gesetzentwürfe erwarten kann. Diese weitere Verzögerung eines Tätigwerdens des (ehemaligen) Bundesfinanzministers erscheint künstlich und nicht schlüssig.“
So beschreiben die kommunalen Spitzenverbände die Situation im vergangenen Jahr. Spätestens damit wird wohl deutlich, dass wir über diesen alten Antrag zur vermeintlich ausgestreckten Hand der Bundesregierung nicht mehr zu sprechen brauchen und dass er auch damals schon nicht der Rede wert war.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der zweite Antrag ist dafür fast tagesaktuell – nicht zuletzt, weil Sie ihn kurzfristig noch einmal überarbeitet haben.
Ich kann Ihnen bei der Analyse der Situation – genauso hat es Kollege Fabian Schrumpf gerade hier am Redepult gesagt – und bei Ihren Feststellungen noch zustimmen. Dass es zur Bewältigung der strukturellen Benachteiligung und der sehr ungleichen Lebensverhältnisse in großen Teilen unseres Landes dringend eine Altschuldenlösung braucht, ist völlig richtig.
Bei den Forderungen im Beschlussteil komme ich aber nicht umhin, mich zu wundern, was Sie uns eigentlich sagen wollen und was mit diesem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich bezweckt werden soll.
Herr Moor, ich bin ganz gespannt, was Sie uns gleich zu sagen haben. Im Ausschuss waren Sie letzte Woche sehr eifrig dabei, zu beteuern, man solle jetzt keinen Wahlkampf betreiben, bei dem Thema sachlich bleiben und nicht parteipolitisch argumentieren.
(Justus Moor [SPD]: Dann muss ich das jetzt nicht mehr sagen!)
Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. Nur leider habe ich genauso wie Kollege Fabian Schrumpf den Eindruck, dass Ihr Antrag nichts anderes als Wahlkampf ist, Sie ihn exakt dazu als Wahlkampfinstrument geschrieben haben und heute zur Debatte stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Wenn Ihnen wirklich an einer parteiübergreifenden und konsensorientierten Lösung gelegen wäre, dann würden Sie heute nicht unter den Tisch fallen lassen, dass in den letzten drei Jahren Ihr Bundeskanzler Olaf Scholz völlig untätig geblieben ist, was die Vorbereitung einer solchen Altschuldenlösung angeht, und dass das Thema von der SPD gegenüber Herrn Lindner jahrelang nicht priorisiert wurde.
Man muss sich schon fragen: Warum kommt der Vorstoß von Ihnen, vom Bundeskanzler und vom Finanzminister jetzt,
(Christian Dahm [SPD]: Ja, frag dich mal! – Justus Moor [SPD]: Gute Frage!)
nachdem klar geworden ist, dass es im Februar zu Neuwahlen kommen wird und gar nichts mehr beschlossen werden kann?
(Justus Moor [SPD]: Das ist falsch! – Christian Dahm [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)
Wenn der SPD tatsächlich so kurzfristig an einer gelingenden parteiübergreifenden Lösung gelegen wäre, dann muss man ehrlicherweise auch die Frage stellen, warum es neben dem Vorstoß zur Änderung des Grundgesetzes vom neuen Finanzminister Jörg Kukies keinen Entwurf für ein begleitendes Fachgesetz gibt.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde es absolut gut und richtig, dass im Bundesfinanzministerium endlich überhaupt mal was zu Papier gebracht wurde. Da ist Herr Kukies in zwei Monaten zugegebenermaßen weiter gekommen als Herr Lindner in drei Jahren.
Deshalb stand auch – Sie haben es angesprochen, Herr Dahm – für Grüne in der Bundesregierung, namentlich Robert Habeck als Vizekanzler, völlig außer Frage, dem zuzustimmen.
(Christian Dahm [SPD]: Genau!)
Man muss aber aus dem Landtag heraus leider auch erkennen, dass das seitens der Bundesregierung jetzt Vorliegende am Ende „too little, too late“ ist. Selbst wenn der Gesetzentwurf jetzt noch in erster Lesung in den Bundestag gegangen wäre oder gehen würde, gab und gibt es keine Chance mehr, ihn noch zu beschließen,
(Christian Dahm [SPD]: Doch, natürlich gibt es die!)
so wie sich die Fraktionen nach dem Ampel-Aus im Bundestag ja auch miteinander verständigt hatten. Das wissen Sie auch, wenn Sie heute so einen Antrag hier vorlegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Kurz noch zum letzten Beschlusspunkt: Dass diese Landesregierung ihren Teil tut und eine Landeslösung für die Altschulden weiter voranbringt, ist bekannt. Da können Sie einfach mal die kommunalen Spitzenverbände fragen. Die sind mit der Landesregierung nämlich längst in gut laufenden Gesprächen. Insofern macht es auch keinen Sinn, das zu beschließen. Wir bekommen das im Land auch ohne Ihren Antrag weiterhin gut hin.
Was ich aus der Debatte aber mitnehme – um positiv zum Ende zu kommen –, ist Ihre Unterstützung für eine bundesweite Altschuldenlösung in Berlin. Ich hoffe, diese gilt für die Bundes-SPD auch nach der Bundestagswahl.
(Christian Dahm [SPD]: Hauptsache, für euch auch!)
Insofern freue ich mich auf die weitere gemeinsame Arbeit. Es liegt noch einiges vor uns. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)