Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht bei dieser Debatte gar nicht mehr um das Gesetz als solches in seiner Gänze; es geht um einen einzigen Punkt, an dem sich die FDP-Fraktion festgebissen hat, der Herrn Wedel, wie wir seit gestern wissen, am letzten Freitag bei seiner Autofahrt in den Sinn kam, interessanterweise acht Wochen, nachdem wir den Antrag eingebracht hatten, zweieinhalb Wochen nach der Anhörung, aber nur wenige Stunden nach unserer letzten gemeinsamen Sitzung des Kommunalausschusses vor dem heutigen Plenum.
Dann haben Sie selbstverständlich, Herr Wedel, das Wochenende durchgearbeitet. Sie haben uns einen Tag vor der zweiten Lesung im Plenum noch einen neunseitigen Entschließungsantrag hingelegt, einen Brief als Einladung zum Gespräch an die Fraktionsvorsitzenden geschrieben und diesen Brief gleich auch noch, weil die Zeit ja drängte, in der gleichen Minute an die Presse geschickt und noch drei Seiten FAQ angehängt.
Lieber Herr Wedel, das war schon wirklich eine gute Geschichte gestern.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)
Sie ändert nur leider nichts daran, dass die Einführung eines – wie ja schon von meinen Vorrednern noch einmal begründeten – wirklich guten Sitzzuteilungsverfahrens am Ende zur mathematischen Haarspalterei wird.
Als FDP machen Sie sich mit Ihrem Entschließungsantrag eine Definition der Erfolgswertgleichheit zu eigen, die auf einer quadratischen Abweichung zwischen Idealanspruch und zugeteilten Mandaten, gewichtet mit dem jeweiligen Stimmanteil, beruht. Im Ergebnis fallen bei dieser quadratischen Berechnungsmethode der Erfolgswertgleichheit Abweichungen größerer Parteien naturgemäß stärker ins Gewicht, so wie es bei der Berechnung in Ihrem Interesse liegt.
Die von Ihnen gewählte Formel ist aber nur eine mögliche Bestimmungsgröße der Erfolgswertgleichheit, eine andere aus meiner Sicht hier besser geeignete ist, die maximale relative Überrepräsentation von Parteien zu minimieren. Das tut zum Beispiel das etablierte, gerichtlich mehrfach bestätigte und eben von Herrn Moor angesprochene d’Hondt-Verfahren.
Wenn man mit diesem Verfahren aber jetzt noch gleichzeitig die Quotenbedingungen erfüllen will, um absolute Überrepräsentation zu minimieren, dann landet man bei dem vorgeschlagenen Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich. Denn unser Ziel bei der Einführung des neuen Sitzzuteilungsverfahrens ist ja, das Maß an Überrepräsentation zu minimieren, wobei außerdem die Quotenbedingung einzuhalten ist.
Die Logik dahinter: Sitze müssen errungen werden, sie stehen keiner Partei oder Wählervereinigung als Naturrecht zu. Um diese Sitze zu erringen, müssen gewisse Mandatsschwellen überwunden werden. Das ist bei jedem anerkannten Verfahren der Fall, und damit ist verfassungsrechtlich unumstritten, dass es für eine Sitzzuteilung naturgemäß einer gewissen Mindestrelevanz bedarf. Diese natürliche Sperrklausel ist im Übrigen beim vom gerichtlich durchaus – das müssen Sie zugestehen, lieber Herr Wedel – anerkannten d’Hondt-Verfahren auch nicht geringer als bei dem Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich.
Oder noch einmal anhand des in unserer Antragsbegründung aufgeführten Beispiels, das ja auch die FDP im Entschließungsantrag aufgreift: Beim Idealwert der Partei A, zum Beispiel FDP, von 19,3 Sitzen, und Partei B, zum Beispiel CDU, von 0,55 Sitzen, gibt es in der Tat zwei mögliche Zuteilungen. Möglichkeit 1: FDP 20 Sitze, CDU 0 Sitze, oder Möglichkeit 2: FDP 19 Sitze, CDU 1 Sitz. Möglichkeit 1: 20 Sitze zu 0 Sitze ergibt eine Erfolgswertgleichheit von 20 durch 19,3 plus 0 durch 0,55 = 1,036. Möglichkeit 2: 19 Sitze zu 1 Sitz ergäbe eine Erfolgswertgleichheit von 19 durch 19,3 plus 1 durch 0,55 = 1,804.
(Beifall und Zurufe von allen Fraktionen)
Ich will die Zahlen noch einmal nennen: Möglichkeit 1 – das war unser Verfahren –: 1,036, Möglichkeit 2 – das war das alte Verfahren, das die FDP behalten will: 1,804. Der durchschnittliche Erfolgswert bei Möglichkeit 2 ist nach dieser Rechnung massiv nach oben verzerrt, und deshalb ist unser Verfahren das bessere.
Bei der nächsten Autofahrt, lieber Herr Wedel, machen sie doch einfach das Radio an. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)