Dr. Robin Korte: „Stabilität und Sicherheit für die Kommunen“

Zum Entwurf der Landesregierung für das Gemeindefinanzierungsgesetz 2025 - erste Lesung

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Feuerwerk für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Ministerin Scharrenbach eben auf beeindruckende Weise hier abgefeuert hat, fällt es gar nicht so leicht, jetzt in die trockene Thematik der Kommunalfinanzen einzusteigen.

In der Tat ist es in diesem Jahr nicht einfach, in den Reden zum Gemeindefinanzierungsgesetz mit neuen, bahnbrechenden Punkten aufzufallen, aber vielleicht ist genau das eine Stärke dieses Gemeindefinanzierungsgesetzes. Denn es gibt kaum oder eigentlich sogar gar keine wesentlichen Neuerungen an der Struktur des Gesetzes, die wir diskutieren müssten. Damit ist aber dieses GFG in der derzeit sehr schwierigen Haushaltslage des Landes – darüber haben wir eben diskutiert – am Ende in erster Linie eins, nämlich eine sichere Bank. Diese Konstanz bedeutet am Ende auch, dass die Gemeindefinanzierung in Nordrhein-Westfalen stabil bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch im kommenden Jahr bleibt das GFG für unsere Kommunen eine solide und verlässliche Finanzierungsquelle. Es erreicht mit voraussichtlich 15,7 Milliarden Euro, die an die Kommunen aus dem Landeshaushalt verteilt werden, wieder einen neuen Rekordwert. Der Zuwachs um etwa 2,3 % klingt vielleicht erst einmal klein, er ist aber spürbar und in Zeiten einer schlechten Wirtschaftslage und knapper öffentlicher Kassen – wir haben die Haushaltsdebatte von eben noch alle im Ohr – eine Menge wert. Darüber, finde ich, dürfen wir uns bei allen Schwierigkeiten in der Gesamtschau der Kommunalfinanzen zumindest einmal erleichtert zeigen.

Der Aufwuchs der Verbundmasse um 2,3 % wird sich nach heutigem Stand in etwa auf der Höhe oder wahrscheinlich sogar oberhalb der endlich deutlich gesunkenen Inflation bewegen. Anders als im letzten Jahr müssen unsere Städte, Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände also nicht mehr mit einem realen Rückgang, sondern sie können mit einem Zuwachs in der Gemeindefinanzierung rechnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zur Stabilität und Sicherheit trägt außerdem bei, dass wir die Verteilungsmechanismen im GFG nicht anfassen und die Strukturen des letzten Jahres beibehalten werden, so der Gesetzentwurf so mitgetragen wird. Dabei liegt der Fokus auf einer bedarfsorientierten Verteilung ohne neue Vorwegabzüge. Es ist uns ein zentrales Anliegen, dass das Gemeindefinanzierungsgesetz keine große Gießkanne wird, sondern dass die Kommunen das Geld, das sie zur Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben benötigen, auch bekommen.

Darum ist es gut, dass für das GFG 2025 die sogenannten Grunddaten, also die Kennzahlen der Bedarfsermittlung, wieder vollständig aktualisiert werden. So soll es nach unserer Erwartung auch zukünftig sein. Damit leistet das GFG in erster Linie Unterstützung für die Kommunen, die sie am dringendsten brauchen.

Das Gleiche gilt für ein anderes Thema, zu dem ich jetzt überleite, das zwar nicht im GFG selbst angelegt ist, das aber sachlogisch absolut dazugehört und auch schon angesprochen wurde, nämlich die Altschuldenlösung.

Wir können es gar nicht hoch genug einschätzen, wie wichtig es ist, dass wir nach jahre‑, jahrzehntelanger Diskussion gerade in diesen Zeiten den hochverschuldeten Kommunen nun endlich eine Perspektive geben, mit der sie zur finanziellen Handlungsfähigkeit zurückfinden werden. Die Landesregierung hat dafür 250 Millionen Euro in den Haushaltsplanentwurf für 30 Jahre eingestellt, insgesamt also 7,5 Milliarden Euro. Denn die Koalition hat erkannt – und damit ist sie der Bundespolitik in der Tat voraus –, dass eine nicht mehr auflösbare Verschuldung am Ende nicht nur ein Ärgernis der jeweiligen betroffenen Kommune ist, sondern dass wir es hier mit einer Herausforderung für das ganze Land zu tun haben.

Es ist eine Herausforderung, die insbesondere in Kombination mit deutlich steigenden Zinsen und der derzeit ohnehin schlechten Finanzlage zu einem erheblichen Problem für das ganze Land wird. Das kann, wenn wir es nicht lösen, die kommunale Daseinsvorsorge dauerhaft gefährden. Es kann eine Gefahr bilden, die den Zusammenhalt und das Zusammenleben in unseren Kommunen und damit im ganzen Land unter erhebliche Spannungen stellt, und es kann Vertrauen der Menschen in den Staat erschüttern.

Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es der einzig richtige Weg ist, dass Nordrhein-Westfalen auch in Zeiten einer angespannten Haushaltslage diese 250 Millionen Euro pro Jahr in die Hand nimmt, um die besonders hoch verschuldeten Kommunen zu unterstützen. Damit machen wir die Sicherung der Kommunalfinanzen zum größten neuen Einzelprojekt und wirklich zum Kernanliegen des gesamten Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2025.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Im vergangenen Jahr hat die Landesregierung klugerweise auf die Stimmen aus den Kommunen gehört. Sie hat die ursprünglichen Pläne angehalten, die Altschuldenlösung auf 2025 verschoben. Es zeigt sich jetzt: Das war der richtige Schritt, weil es nämlich die notwendige Zeit für intensive Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden gegeben hat, um gemeinschaftlich über eine Altschuldenlösung zu diskutieren.

Und das gibt dem Bund weiterhin die Chance, seine Zusagen einzulösen und seiner Verantwortung nachzukommen, denn ohne die Beteiligung des Bundes wird es nur eine halbe Lösung bleiben. Auch das gehört weiterhin zur Wahrheit, dass es den Bund für eine vollständige Lösung der Altschuldenproblematik in diesem Land braucht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Doch bei allen positiven Ansätzen, die dieser Haushaltsentwurf und das Gemeindefinanzierungsgesetz für die Kommunen im nächsten Jahr enthalten, wäre das Bild unvollständig und unehrlich, würde man nur darauf und nicht auch auf die Gesamtschau der Kommunalfinanzen schauen, und die ist – der Analyse meines Vorredners will ich gar nicht widersprechen – insgesamt leider nach wie vor ein Riesenproblem.

Die kommunalen Spitzenverbände haben vor einigen Wochen eine Umfrage veröffentlicht. Sie kennen die alle. 217 der 396 Städte und Gemeinden schätzen ihre mittelfristige Haushalts- und Finanzlage in den kommenden Jahren als sehr schlecht ein. Enorm viele Kommunen werden voraussichtlich in den kommenden Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt mehr schaffen. Herr Moor hat die Zahlen ebenfalls zitiert.

Die Kommunen schlagen völlig zu Recht Alarm, denn wir erleben an dieser Stelle die Auswirkungen einer strukturellen Schieflage der staatlichen Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland, die sich immer weiter manifestiert und verschärft.

Die Kommunen tragen mit der Gewerbesteuer als ihrer zentralen Einnahmequelle die größten Risiken bei der Konjunktur. Zugleich tragen sie aber – Frau Ministerin hat darauf hingewiesen – eine überdurchschnittliche, wachsende und hohe Last der Kosten unseres Sozialstaats.

Obwohl wir in den letzten Jahren erreichen konnten, dass Kommunen zum Beispiel bei den Kosten der Unterbringung deutlich entlastet wurden, machen die Sozialausgaben etwa für die Eingliederungshilfe oder für die Hilfen zur Pflege nach SGB XII und die Kosten der Jugendhilfe einen großen und wachsenden Anteil in den kommunalen Haushalten aus. Das geht so weit, dass sie vielerorts wieder über Liquiditätskredite finanziert werden müssen.

(Christian Dahm [SPD]: Aber für eine Eingliederungshilfe zahlt ihr keinen Pfennig! Das zahlen die Kommunen! – Zuruf von Justus Moor [SPD])

Wegen dieses überproportionalen Anstiegs sind die Sozialkosten am Ende das Haushaltsrisiko für die kommunale Familie. Daher muss der Bund als Sozialgesetzgeber hier dringend gegensteuern. Den steigenden Belastungen muss auch eine Steigerung des entsprechenden Bundesanteils folgen. Der Bund erlässt schließlich die Gesetze.

Herr Moor, es würde unseren Kommunen sicherlich mehr helfen, wenn Sie sich bei Ihrem Bundeskanzler und bei Ihrem geschätzten Bundessozialminister dafür einsetzen würden, statt der Ministerin den unfairen Vorwurf zu machen, sie sei kommunalfeindlich. Das geht nun wirklich an der Sache und an der Lösung vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn wir zur Sache zurückkehren, dann müssen wir auch über eine andere zentrale Problematik reden, die wissenschaftlich zwar längst hoch und runter diskutiert, aber politisch nach wie vor zu wenig reflektiert wird: In Bund und Ländern besteht eine zu rigide Schuldenbremse. Die Investitionen in wichtige Zukunftsaufgaben auf Bundes- und Landesebene werden dadurch verhindert.

Immer mehr kommt es auch – da sind wir bei der kommunalen Perspektive – zu einem unproduktiven Hin-und-her-Geschiebe der Verantwortlichkeiten zwischen den politischen Ebenen. Für die kommunale Ebene gibt es keine solche Schuldenbremse.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Herr Witzel, bevor Sie diese jetzt fordern: Es kann sie gar nicht geben, da irgendeine staatliche Ebene am Ende die unabweisbaren Aufgaben, die die Menschen von ihrem Staat zu Recht erwarten, erfüllen muss. Sie können die Wohnungslosen ja nicht einfach auf der Straße stehen lassen.

(Zurufe von Ralf Witzel [FDP] und Justus Moor [SPD])

Deshalb ist es längst ein reales Szenario, dass die Kommunen am Ende nicht nur den Investitionsstau der oberen Ebenen ausbaden müssen, sondern so gut wie alle anderen der von den oberen Ebenen durchgereichten Aufgaben auffangen müssen. Wenn aber immer mehr Aufgaben zu den Kommunen durchrieseln, ohne dass diese ausreichend gegenfinanziert werden, dann sind es irgendwann zu viele Tropfen, und die werden das Fass der kommunalen Finanzen in absehbarer Zeit zum Überlaufen bringen.

(Zuruf von Dirk Wedel [FDP])

Wir brauchen also keine Debatte über eine harte Schuldenbremse für Kommunen, wie sie Bundesfinanzminister Lindner immer wieder führt, sondern wir brauchen eine moderate und kluge Reform der Schuldenbremse für Bund und Länder, damit Investitionen möglich sind,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

damit wir unser Land sowie insbesondere den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Kommunen nicht kaputtsparen und damit die Kommunen nicht weiter die Bad Bank der öffentlichen Finanzen sind.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Damit komme ich zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück und zum Schluss. In diesen wirtschaftlich und finanzpolitisch schwierigen Zeiten auf allen politischen Ebenen bietet das Gemeindefinanzierungsgesetz Stabilität und Sicherheit für die Kommunen. Die bestehenden systemischen und strukturellen Probleme unserer öffentlichen Finanzverteilung kann es angesichts zu geringer Einnahmen und einer zu rigiden Schuldenbremse aber nicht lösen. Daran müssen wir gemeinsam über Partei- und Landesgrenzen hinweg arbeiten. Dafür braucht es eine undogmatische Haltung und einen langen Atem.

Jetzt freue ich mich aber erst mal auf die Beratungen im Ausschuss zu diesem Gemeindefinanzierungsgesetz. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)