Dr. Robin Korte: „Münster ist eine Friedensstadt, die sich nicht von Demokratiefeinden vereinnahmen lässt“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Universität Münster

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Parlaments, die die Hochschulfreiheit schätzen und zu ihr stehen! Zu dieser Hochschulfreiheit zählt nach § 2 Abs. 5 unseres Hochschulgesetzes auch die Freiheit, über den eigenen Namen selbst entscheiden zu können.

Liebe angesprochenen Kolleginnen und Kollegen, auch wenn sicherlich niemand von uns hier heute eine Debatte über diesen schrägen Antrag gebraucht hätte, gibt er uns zumindest Gelegenheit, einmal über Münster zu reden.

Münster ist die Friedensstadt, in der 1648 mit dem Westfälischen Frieden der größte und wohl grausamste Religionskrieg zwischen zwei christlichen Religionen zu Ende ging. Dieser Krieg und dieser Frieden lehren uns, wie wichtig und wertvoll Religionsfreiheit und religiöse Toleranz sind, um die Menschenwürde zu schützen und Blutvergießen zu verhindern.

So passt es auch in die Geschichte von Münster, dass unsere Universität Münster – so heißt sie jetzt wieder, und so hieß sie auch zu ihrer Gründung 1780, also lange bevor Wilhelm II. ins Spiel kam – nicht nur einen hervorragenden Fachbereich Chemie hat, in dem ich selbst studieren durfte, sondern dass dort seit nun zehn Jahren auch einer der bundesweit ersten und größten Lehrstühle für islamische Theologie zu Hause ist.

Darauf sind wir an der Universität Münster stolz, weil das eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass zum Beispiel die an unseren Schulen für islamischen Religionsunterricht zuständigen Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet und nach wissenschaftlichen Kriterien qualifiziert werden können. Damit wird dort ein wichtiger Beitrag zur Integration und zur Gleichstellung muslimischer Lebenswirklichkeit in Deutschland geleistet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich könnte in diesem Zusammenhang noch lange über Münster reden, denn es ist eine weltoffene Stadt, eine Stadt, in der Gestrigkeit und Rassismus keinen Platz haben, eine Stadt, in der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie – und ich meine wirklich: noch nie – bei irgendeiner Wahl eine rechtsextreme Partei die Grenze von 5 % überschritten hat, auch nicht die AfD.

(Beifall von den GRÜNEN, Andrea Stullich [CDU] und Simone Wendland [CDU])

Liebe Simone Wendland, du hast es gesagt: Sie bekommt bei uns kein Bein auf die Erde, und dabei wird es auch bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN, Andrea Stullich [CDU] und Simone Wendland [CDU])

Wo wir gerade bei Münster sind, sage ich Ihnen: Wir sind vielleicht nicht so oft in den Nachrichten wie Köln oder Düsseldorf, aber wenn wir es sind, lohnt es sich, hinzuschauen. Im vergangenen November zum Beispiel wurde die Konferenz der G7-Außenminister*innen ausgerechnet in Münster abgehalten. Warum in Münster? Unsere Stadt ist aufgrund des Westfälischen Friedens ein Symbol für das moderne Völkerrecht, für die Gleichheit und Souveränität der Staaten und damit für die Eckpfeiler unserer Friedensordnung in Zeiten eines grausamen Angriffskrieges.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Ich bin froh, dass die große Mehrheit der hier vertretenen Parteien – und damit meine ich alle Parteien, die nicht auf dem Antrag stehen – diesen klar und deutlich verurteilt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wann lohnt es sich außerdem noch, nach Münster zu schauen? Das ist jedes Jahr im Januar oder Februar der Fall. Wenn nämlich mehrere Tausend Menschen auf unserem schönen Prinzipalmarkt friedlich, fantasievoll und solidarisch demonstrieren, während die AfD zu ihrem Neujahrsempfang ins Rathaus einlädt, schaffen wir es jedes Jahr wieder in die Tagesschau.

(Zurufe und Christian Loose [AfD], Prof. Dr. Daniel Zerbin [AfD] und Dr. Christian Blex [fraktionslos])

Liebe demokratische Fraktionen, ich lade sie alle herzlich dazu ein, mit uns zu demonstrieren, denn es ist jedes Mal ein starkes Zeichen, das in Münster von dieser Demonstration gegen die AfD ausgeht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Organisiert

(Christian Loose [AfD]: Organisiert von linken Faschisten!)

wird sie vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ als große, überparteiliche Aktion mit Gewerkschaften, Kirchen und Livemusik von bekannten Münsteraner Bands. Während im Rathaus – in diesem Jahr war es der 20. Januar – eine kleine, illustre Runde aus AfD-Prominenz inklusive Björn Höcke zusammenkam – die gute Stimmung unter den Gästen und beim ebenfalls anwesenden Landesvorsitzenden kann man sich ausmalen –, waren draußen bei etwa 0°C etwa 5.000 Menschen anwesend.

(Lachen von Andreas Keith [AfD] – Zuruf von Dr. Christian Blex [fraktionslos])

Früher, bei weniger kaltem Wetter und ohne Corona, waren es auch schon einmal 10.000 Menschen, die zeigen wollten: Münster ist eine Friedensstadt, die sich nicht von Demokratiefeinden vereinnahmen lässt,

(Christian Loose [AfD]: Die wird von Demokratiefeinden regiert!)

die felsenfest gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und gegen die Verharmlosung von Krieg und Kriegstreiberei steht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Welcher anständige Mensch, erst recht welcher Außenstehende, würde es wagen, so einer Stadt, so einer Stadtgesellschaft, so einer Universität vorschreiben zu wollen, welchen Namen die Universität zu tragen hat?

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Es ist eine Universität, deren Gemeinschaft sich nach langem und gründlichen Diskurs in großem Einvernehmen entschieden hat, sich vom Namensträger Wilhelm II. loszusagen – einem Mann, der für den Ersten Weltkrieg und für den Völkermord an den Herero und Nama maßgebliche Verantwortung trägt, der also für das Gegenteil dessen steht, für das die Friedensstadt Münster steht. Wer hätte das Recht, uns da hineinzureden?

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Antwort ist einfach: Niemand und keine politische Kraft, die in unserer Stadtgesellschaft in Münster auch nur ansatzweise politisch relevant wäre, hat das Recht dazu – schon gar nicht die AfD. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Christian Berger [CDU], Marc Blondin [CDU] und Angela Freimuth [FDP] – Vereinzelt Beifall von der SPD)