Dr. Robin Korte: „Es ist ja politisch viel einfacher, das Umland zu zersiedeln, als in eine zeitgemäße Städtebau- und Mieter*innenschutzpolitik zu investieren“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der FDP zum Ländlichen Raum

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe FDP, lieber Herr Rasche, Sie machen es sich hier als Opposition wirklich wahnsinnig leicht, und zwar in zweifacher Hinsicht.

Zum einen tun Sie dies schon bei der Auswahl und Themensetzung Ihrer Aktuellen Stunde. Sie haben offensichtlich – wahrscheinlich abends beim Bier – einmal die Presseschau des Städte- und Gemeindebundes gescreent, dann schnell ein paar Zitate von Herrn Sommer zusammenkopiert, in Antragsform gegossen und eingereicht. Eigene Ideen, eigene Leistungen? Fehlanzeige bei dieser Aktuellen Stunde!

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Aus welchem Dorf kommen Sie denn? – Christof Rasche [FDP]: Ihre Reden werden wir verschicken, die Feuerwehren werden sich freuen!)

Zweitens inhaltlich: Als Opposition ist es natürlich immer der leichte Weg, mehr Geld und noch mehr Förderprogramme zu fordern, um das eigene, scheinbar so große Herz für die Feuerwehr zu zeigen. Sie müssen sich da aber offensichtlich auch an Ihre eigene Nase fassen. Sie waren mit an der Regierung, als das Programm – ich zitiere den Titel – „Feuerwehrhäuser in Dörfern 2022“ aufgelegt wurde. Der Name sagt es schon: für das Jahr 2022. Die Befristung ist schon im Namen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Trotzdem kann man es fortsetzen!)

Ich gehe davon aus, dass Sie und Ihre Fraktion sich das damals gut überlegt haben.

(Weitere Zurufe von der FDP)

Jetzt aber nachträglich als Opposition auf die Idee zu kommen, dass man ein Programm, das bewusst einmalig angelegt war, eigentlich verstetigen wollte, ist scheinheilig, auch wenn Sie in Ihrem Antrag irreführenderweise von einem etablierten Programm sprechen. Das ist als Forderung sehr billig zu haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist das!)

Auch Ihre Behauptung, wir würden die Kommunen im ländlichen Raum beim Sport im Stich lassen, ist einfach falsch. Frau Ministerin Gorißen hat es eben gesagt. Es ist auch im Koalitionsvertrag nachzulesen, dass wir das Programm „Moderne Sportstätte“, aus dem auch jetzt noch Geld fließt, evaluieren und dann über ein Förderprogramm für die Sportstätten der Kommunen und seine Fortsetzung entscheiden werden.

Ihre mal eben so zusammengeflickschusterten Anträge wären daher eigentlich nicht der Rede wert.

(Dr. Ralf Nolten [CDU] geht zum Platz von Christof Rasche [FDP] und spricht mit ihm.)

Trotzdem kann ich die Aufregung von Herrn Nolten absolut verstehen, auch wenn Sie sich gerade offensichtlich wieder verbrüdern. Es fängt schon mit dem Titel der Aktuellen Stunde an: „Städtische und ländliche Räume nicht länger gegeneinander ausspielen!“ Wo soll diese Landesregierung das denn bisher gemacht haben? Dazu fällt Ihnen nach wie vor nichts ein.

Das Gegenteil ist der Fall: Die Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse in allen Teilen unseres Landes – ob Stadt, ob Land; von Köln über Kamen bis zum Kreis Kleve – ist und bleibt zentrales Ziel dieser Koalition, dieser Zusammenarbeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darum ruhen sich diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auch nicht aus, sondern arbeiten gemeinsam mit und im Sinne der Kommunen an Lösungen: durch den Einsatz für eine Altschuldenlösung für die von hoher Schulden- und Zinssatz betroffenen Städte und Gemeinden – darunter auch viele im ländlichen Raum –, die substanzielle Entlastung bringt, durch eine Entlastung der Kommunen anhand vieler kurzfristig helfende Programme im Rahmen des Sondervermögens „Krisenbewältigung“, durch den Einsatz für eine nachhaltige und für alle leistbare Mobilität in Stadt und Land, zum Beispiel durch Anbindung aller Kommunen über 20.000 Einwohner*innen ans Schnellbusnetz und preiswerte Tarife im Nahverkehr.

(Carsten Löcker [SPD]: Das ist Realitätsverweigerung!)

Ich bin an der Stelle Minister Oliver Krischer sehr dankbar, dass er bis zum Ende Druck gemacht hat und maßgeblich mit dafür gesorgt hat, dass das 49-Euro-Ticket kommt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir arbeiten auch gemeinsam mit den Kommunen – das ist ein Punkt, den auch Sie ansprechen – für eine Digitalisierung im ganzen Land und das ambitionierte Ziel, im Laufe dieses Jahrzehnts ein flächendeckendes Glasfasernetz und ein flächendeckendes 5G-Netz in Nordrhein-Westfalen zu erreichen.

Bleiben wir kurz noch beim Thema Digitalisierung. Da zeigt sich einmal mehr, wie scheinheilig Ihre Aktuelle Stunde eigentlich ist. Sie schreiben, liebe FDP, dass Homeoffice eine echte Alternative für den ländlichen Raum sein soll. Aber war es nicht gerade die FDP, die sich auf Bundesebene gegen ein Recht auf Homeoffice und damit gegen einen guten Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil ausgesprochen hat und die das Vorhaben am Ende sogar verhindert hat? Ja, das waren Sie, das war Ihre Partei, Herr Rasche.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun noch einmal zum aktuellen zentralen Thema dieses Antrags: dem Wohnen. Ja, die Wohnungsnot ist groß, und der Wohnungsdruck betrifft nicht nur, aber insbesondere die großen Städte. Hierfür braucht es Lösungen, gar keine Frage.

Sie aber präsentieren uns hier eine Scheinlösung, liebe FDP. Denn der Wohnungsmarkt ist längst auch im Umland, in den Umlandgemeinden der großen Städte angespannt. Die Menschen ziehen längst aus den großen Städten ins Umland. Das bedeutet keineswegs nur eitel Sonnenschein, sondern schafft dort auch Schwierigkeiten und Probleme: immer mehr Verkehr, mehr Bedarf an Bauland, mehr Bedarf an Kitas und Schulen. Es ist keineswegs so einfach, wie Sie die Sache darstellen, dass sich der ländliche Raum quasi bereitwillig als Suburbanisierungszone – das sind offensichtlich Ihre Fantasien; so klingt zumindest Ihr Antrag – für die Großstädte hergibt.

Zur Linderung der Wohnungsnot brauchen wir hingegen klügere, differenziertere Lösungen auch in den Städten; eine effizientere urbane Stadtentwicklung. Wohnen muss in Stadt und Land bezahlbar sein. Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen stehen dafür, dass für einen starken Mieter*innenschutz mehr Geld in die öffentliche Wohnraumförderung fließt, weil man gerade auch in unseren Städten Verdrängungsprozessen begegnen und entgegenwirken muss.

Genau das sind die Instrumente, die in den Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt helfen und die auch das Umland entlasten, die Sie aber, liebe FDP, nicht mit der Kneifzange anfassen würden, weil es ja politisch viel einfacher ist, das Umland zu zersiedeln, als in eine zeitgemäße Städtebau- und Mieter*innenschutzpolitik zu investieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Letztlich sind es wohl eher Sie, die mit dieser Aktuellen Stunde den ländlichen Raum und die Städte gegeneinander ausspielen wollen, indem Sie hier die alte Mär vom benachteiligten ländlichen Raum, den man nur mit maximal viel Neubau aufpumpen muss, bis er genauso geworden ist wie die Städte, aufleben lassen und politisch ausschlachten wollen. Ich finde das nicht kreativ, ich finde das nicht zeitgemäß. Erarbeiten Sie doch lieber Lösungen mit uns, anstatt mit derart platten Anträgen politische und siedlungsstrukturelle Geländegewinne machen zu wollen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der FDP)