Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass es uns in diesem Parlament bei der so zentralen Frage des Wahlrechts gelingt, auch über die Grenzen der regierungstragenden Fraktionen hinaus zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Denn in Anbetracht der Wichtigkeit von Kommunalwahlen für unsere Demokratie und auch ganz konkret für die Zukunft jeder einzelnen Stadt oder Gemeinde ist es ein gutes Zeichen, dass wir über diese drei Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Landesregierung unter den Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen miteinander verständigen konnten und dass wir damit heute das geänderte Gesetz mit einer sehr großen Mehrheit hier im Landtag beschließen können.
Ich bin überzeugt, dass das Gesetz für alle Parteien und Wählergruppen eine faire und gute Grundlage für den demokratischen Wettbewerb darstellt, auch wenn Sie, liebe FDP, heute leider nicht mit uns an Bord sind oder sich andere Parteien, zum Beispiel die Linke, hier im Landtag heute nicht beteiligen können.
Dabei kann ich in meiner Rede jetzt nicht auf die vielen, durchaus wichtigen Details eingehen, wie Angleichung an das Bundeswahlrecht oder die uns vom Verfassungsgericht aufgetragenen neuen Regelungen zur Einteilung der Wahl- und Stimmbezirke, sondern ich will auch – wie meine Vorredner – auf die substanziellen und vor allem spürbaren Änderungen eingehen, insbesondere auf die Punkte, die wir mit unseren Änderungsanträgen angestoßen haben.
Zunächst richten wir einen besonderen Blick auf die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Zugangs zu einem Mandat.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kollegen Witzel. Würden Sie die zulassen?
Dr. Robin Korte (GRÜNE): Das würde ich gerne am Ende machen.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Ich erinnere Sie.
Dr. Robin Korte (GRÜNE): Gerne.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Das mache ich. Weiter bitte.
Dr. Robin Korte (GRÜNE): Zunächst richten wir einen besonderen Blick auf die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Zugangs zum Mandat. Hier war schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum mehrfach darauf hingewiesen worden, dass bei vergangenen Wahlen wiederholt Fälle aufgetreten sind, in denen entweder Unterstützungslisten für neue Parteien oder sogar ganze Wahlvorschläge gefälscht oder Unterschriften unter falschem Vorwand erschlichen wurden. Auch aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände ist das ein relevantes Problem, zumal sich derartige Verstöße, wenn sie erst nach der Wahl bekannt werden, kaum noch korrigieren lassen.
Daher verschaffen wir nun den örtlichen Wahlbehörden die Möglichkeit, derartigen Betrug früher zu erkennen und zu verhindern, indem wir auf den Unterschriftenlisten zukünftig die Angabe vorhandener Kontaktdaten, nämlich Telefonnummer und E-Mail-Adresse, fordern.
Ein weiterer wesentlicher Schritt hin zu einem faireren Wahlrecht besteht darin, dass wir die Erfolgswertgleichheit der abgegebenen Stimmen verbessern und damit einer bestehenden Verzerrung in der Sitzzuteilung begegnen. Grundsatz unter uns Demokrat*innen muss doch sein, dass bei einer Wahl jede Stimme gleich viel zählt und dass sie sich, soweit mathematisch möglich, gleichermaßen in den gewählten Organen widerspiegeln. Dieses eigentlich selbstverständliche Prinzip der proportionalen Repräsentation steht aber unter Spannung, wenn – ein Beispiel – im Rat der Stadt Münster ein Vertreter der CDU-Fraktion 2.294 Wähler*innen vertritt, ein Vertreter der Linke sogar 2.513 Wähler*innen, der Vertreter einer Kleinstpartei aber schon mit 1.848 Stimmen gewählt wird. Das ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, dass die Wähler*innen von Kleinstparteien derzeit überrepräsentiert werden.
Dieses Maß der Überrepräsentation wollen wir im Hinblick auf eine möglichst hohe Erfolgswertgleichheit aller Stimmen so gut wie möglich abdownen und dabei zugleich die wichtige Quotenbedingung einhalten.
Dazu ist das von uns heute neu eingebrachte Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich gut geeignet und dem Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers unter den ansonsten bei Kommunalwahlen geltenden Bedingungen mathematisch und demokratisch überlegen. Auch Justus Moor hat es bereits angesprochen, wir wechseln ja ausdrücklich nicht auf ein Verfahren wie D‘Hondt, das einseitig größere Parteien bevorzugt, was das Problem eben nur umkehren, aber nicht lösen würde, sondern wir wechseln auf einen guten mathematischen Kompromiss, mit dem das Wahlergebnis möglichst fair und diskriminierungsfrei in der Sitzverteilung im Rat oder Kreistag abgebildet wird.
Das ist unser Anliegen, und dem wird dieses Gesetz auch gerecht.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Justus Moor [SPD])
Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser Stelle aber auch der neue § 15 Abs. 5 des Gesetzentwurfs, der sagt:
„Frauen und Männer sollen gleichmäßig in Vertretungskörperschaften repräsentiert sein […].“
Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Und doch macht diese Sollvorschrift eines deutlich, nämlich dass es in unserer und in der Parteien Hand liegt, Gleichberechtigung endlich wirklich ernst zu nehmen. Denn die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist nichts weniger als Verfassungsauftrag. Das Grundgesetz selbst fordert uns auf, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, und diese bestehenden Nachteile sind mit Blick auf die aktuelle Zusammensetzung unserer Räte und Kreistage offensichtlich.
Insofern ist es eine wichtige und doch letztendlich auch sachlogische Entscheidung, dass wir als Gesetzgeber an dieser Stelle noch einmal klarmachen: Ja, wir wollen, dass Frauen gleichermaßen politisch mitarbeiten wie Männer, und alle Parteien und Wählervereinigungen sind aufgefordert, diesem Ziel bei der Aufstellung ihrer Wahlvorschläge nachzukommen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Justus Moor [SPD])
Insgesamt haben wir ein rundum gelungenes Gesetzespaket geschaffen, mit dem wir als Land den entscheidenden Grundstein legen für die Kommunalwahlen 2025. Ich freue mich über breite Unterstützung in diesem Haus und danke jetzt schon allen Beschäftigten in den Wahlämtern, die die Vorgaben umsetzen werden, damit wir im nächsten Jahr eine reibungslose Kommunalwahl erleben werden. Für die wünsche ich allen Demokratinnen und Demokraten einen konstruktiven demokratischen Wettbewerb und viel Erfolg.
Jetzt freue ich mich noch auf die Zwischenfrage des Kollegen Witzel.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Justus Moor [SPD])
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Weil auch Ihre Redezeit abgelaufen ist. – Jetzt kommt die Zwischenfrage des Kollegen Witzel, die versprochener Weise von Ihnen zugelassen wurde. Herr Witzel, bitte schön.
Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Korte, ich wollte bei Ihnen wie folgt nachfragen, weil Sie ja sehr für den demokratisch vorbildlichen Charakter des neuen Verfahrens geworben haben, das Sie einführen wollen. Ist Ihnen irgendein anderer Sachverhalt bekannt, wo es auch um Verteilungsfragen geht, wo ein solches Verfahren zur Anwendung kommt? Beispielsweise haben Sie ja auch Stimmen umzurechnen in Delegiertenmandate in innerparteilichen Angelegenheiten. Wenden Sie da auch dieses Verfahren an oder andere?
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Herr Kollege.
Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Kollege Witzel, ich glaube, es ist deutlich geworden, auch in meiner Rede: Ja, es handelt sich um ein neues Verfahren, ein Verfahren, das wir erstmalig einführen. Ich glaube, das war der Kern Ihrer Frage. Es ist neu, aber die Vorteile sind, glaube ich, sowohl von mir als auch von beiden Vorrednern ausführlich dargestellt worden. Ich bin gespannt auf die Gegendarstellung der FDP-Fraktion. Ansonsten werden wir die Debatte am morgigen Tag weiterführen und zu einem guten Ende bringen können. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Justus Moor [SPD])