Dr. Robin Korte: „Ein weiterer schmutziger Versuch, die direkte Demokratie zu instrumentalisieren“

Zum Gesetzentwurf der "AfD"-Fraktion zu direkter Demokratie - zweite Lesung

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich glaube, wir sind uns einig: Dieser Gesetzentwurf ist wieder einmal ein populistischer Vorstoß der AfD-Fraktion, der in diesem Fall die direkte Demokratie instrumentalisieren will und der von einer derart böswilligen und menschenfeindlichen Grundhaltung zeugt, dass man auch als gestandener Parlamentarier hier erst einmal schwer schlucken muss,

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

schwer schlucken, weil hier wieder einmal mit offen unterschwelligem Rassismus versucht wird, ein komplexes Thema zu instrumentalisieren und Ängste vor Menschen zu schüren, die auf der Flucht sind.

Wieder einmal wird deutlich, dass es denen rechts außen nicht darum geht, eine konstruktive demokratische Auseinandersetzung im Sinne einer gemeinsamen Lösungssuche auch einmal im Streit zu führen, sondern einfach nur darum, Öl ins Feuer zu gießen.

Als wenn es damit nicht schon genug wäre, setzt die AfD-Fraktion zu allem Überfluss für diesen schäbigen Gesetzentwurf, den man auch handwerklich nur als schlecht und billig zusammengezimmert bezeichnen kann – um nicht zu sagen: rechtswidrig –, auch noch eine ausschweifende Block-II-Debatte an. Bis zu 70 Minuten Debatte im Plenum sollen es also sein, nachdem man im zuständigen Fachausschuss letzte Woche nicht einmal Ansätze einer fachlichen Debatte führen wollte. Warum? – Weil es denen rechts außen hier wieder nicht um eine sachorientierte Debatte geht, sondern darum, dass gleich zwei AfD-Abgeordnete dieses Redepult wieder dafür nutzen wollen, um möglichst viel spalterisches und ausländerfeindliches Filmmaterial für ihre Internetauftritte zu produzieren.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Jenseits dieser durchschaubaren Motivationslage, die man hier auch einmal klar benennen muss, reichen mir in der Sache drei Punkte, um klarzustellen, warum dieser Gesetzentwurf unterirdisch ist.

Zunächst ist er rassistisch und menschenfeindlich. Wer im Kontext der Unterbringung von Geflüchteten, also Menschen, die hier Schutz vor Krieg, vor Folter, vor politischer Verfolgung suchen,

(Zuruf von der AfD: Blödsinn!)

die nicht mehr wollen als ein Leben in Frieden und Sicherheit, nur davon faseln kann, es gebe Sorgen um die Sicherheit und das friedliche Leben in der Kommune sei in der Gefahr – so steht in der Begründung dieses absurden Gesetzentwurfs –, der betreibt schäbiges Framing, der verschließt seine Augen vor den universellen Menschenrechten, vor fundamentalem Völkerrecht und nicht zuletzt vor der Lebensrealität hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Denn diese Lebensrealität ist so, dass sehr viele Menschen hier leben, die selbst oder deren Familien in den letzten 100 Jahren auf der Flucht hier hergekommen sind und die das friedliche Leben in der Kommune, wie es in dieser Begründung heißt, längst selbst mitgestalten – in Nachbarschaften, in Vereinen und immer öfter auch in der Politik. Diese Lebensrealität passt nicht in das rassistische, rückwärtsgewandte Weltbild, das diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt. Deshalb will man heute wieder ein Zerrbild dieser Realität konstruieren.

Zweitens ist der Gesetzentwurf rechtlich höchst fragwürdig, um nicht zu sagen, verfassungswidrig. Die Einrichtung von Unterkünften für geflüchtete Menschen auch in Kommunen, geht auf höherrangiges Recht zurück. Sie ist genauso eine staatlich kommunale Pflichtaufgabe wie die Bereitstellung von Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen, eine Aufgabe, die man rein rechtslogisch nicht unter den Vorbehalt eines Bürgerentscheids stellen kann.

Zu Ende gedacht würde das auch nichts anderes bedeuten, als dass wir akzeptieren würden, dass es in großem Umfang Obdachlosigkeit in diesem Land gibt. Das ist wahrscheinlich genau das, was die AfD sich an dieser Stelle vorstellt und erreichen will. Es ist aber nicht das Verständnis von staatlicher Fürsorgepflicht, das die große politische Mehrheit in diesem Land empfindet.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Christian Dahm [SPD])

Drittens und letztens handelt unsere Landesregierung im Gegensatz zur AfD mit ihrem Gesetzentwurf mit Sachverstand und mit Humanität und gewährleistet in enger Absprache mit den Kommunen eine menschenwürdige und vor Ort überwiegend sehr akzeptierte Unterbringung von Geflüchteten. Sie schafft damit auch die Voraussetzungen für Integration und für Zusammenhalt in diesem Land, auch in der Zukunft.

Mit der demokratischen Opposition in diesem Haus, liebe SPD, liebe FDP, und auch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern streiten wir uns dabei sehr gerne über die bestmöglichen Lösungswege für diese Herausforderung. Wir setzen uns mit jeder Kritik im Einzelfall, ob sie berechtigt ist oder vielleicht aus unserer Sicht manchmal auch nicht berechtigt ist, so wie es sich in einer Demokratie gehört, sehr gerne auseinander und werden das auch in Zukunft tun, aber nicht über die Frage, ob wir elementare Menschenrechte erfüllen oder ob wir Menschen bei uns obdachlos auf der Straße zurücklassen wollen.

Dieser rechtsextreme Gesetzentwurf ist daher als nichts anderes zu bewerten als ein weiterer schmutziger und billiger Versuch, die kommunale Selbstverwaltung und die direkte Demokratie zu instrumentalisieren.

Deshalb lehnen wir ihn mit voller Überzeugung aus der Sache heraus und aus Verantwortung für die Menschen und für die Menschlichkeit in unserem Land ab. Mein Dank gilt allen Demokratinnen und Demokraten hier im Haus dafür, dass wir in dieser Frage zusammenstehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)