Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In die insgesamt ziemlich langen Haushaltsdebatten bringen wir als Fachpolitiker für Kommunales jedes Jahr ein entscheidendes Stück Abwechslung, weil wir als einziger Fachbereich auch noch ein Gesetz mitbringen, nämlich das Gemeindefinanzierungsgesetz. Damit will ich auch beginnen.
Nach der inzwischen vorliegenden finalen Modellrechnung steht jetzt fest, dass das GFG im nächsten Jahr, 2025, auf eine Rekordsumme von 15,76 Milliarden Euro ansteigt. Die Steigerung um etwa 2,9 % im Vergleich zum Vorjahr – Frau Stock, an der Stelle haben Sie, glaube ich, nicht ganz richtig gerechnet – liegt eindeutig über dem Niveau der Inflation.
Es gibt also, anders als von der SPD behauptet, keinen realen Rückgang wie im letzten Jahr, sondern es gibt einen echten Zuwachs, der auch bei den Kommunen ankommt.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Gut ist außerdem, dass es keine neuen Vorwegabzüge gibt und dass die Verteilung weiterhin zum ganz überwiegenden Teil bedarfsorientiert stattfindet, die Mittel also nicht mit der Gießkanne ausgeschüttet werden.
Insgesamt können wir mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz in so turbulenten und herausfordernden Zeiten deshalb zufrieden sein. Es ist eine stabile Säule der Finanzierung, auf die sich die Kommunen in unserem Land verlassen können.
Aber ihre strukturelle Unterfinanzierung angesichts explodierender Kosten – vor allem für bundesgesetzlich definierte Aufgaben – werden sie damit allein nicht überwinden können. Das ist uns sehr bewusst, und darum reden wir auch nicht herum. Denn während die Lage für den Landeshaushalt schwierig ist – das erleben wir in jeder dieser Haushaltsdebatten –, ist sie für die Kommunen dramatisch. Nur noch die wenigsten Kommunen in unserem Land können einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen.
Die Mehrheit der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen schätzt ihre Finanzlage für die kommenden Jahren als sehr schlecht ein. Immer mehr Kommunen sehen sich mit dem Zwang konfrontiert, neue Liquiditätskredite und damit neue Schuldenlasten aufzubauen, während wir immer noch über die Altschuldenlösung reden.
Warum sage ich das? Weil es zeigt, dass die alten Finanzierungsmechanismen der Kommunen längst an ihre Grenzen stoßen. Die klassische Gemeindefinanzierung unseres Landes ist nicht mehr in der Lage, das immer größere Delta zwischen den Steuereinnahmen der Kommunen und ihren immer weiter wachsenden Aufgaben auszugleichen.
Als Land können wir am Ende aber nicht mehr Geld verteilen, als uns selbst im vertikalen Finanzausgleich zur Verfügung steht. Herr Wedel, das zu bedenken ist wichtig, wenn Sie wieder über die Erhöhung des Verbundsatzes reden.
Damit befinden wir uns in einer Lage, in der wir genauso wie alle anderen Bundesländer – maßgeblich resultierend aus einer finanzpolitischen Verweigerungshaltung in Berlin – ein erhebliches strukturelles Defizit in den kommunalen Haushalten sehen. Dieses Defizit können die Kommunen vielleicht noch ein paar Jahre lang aushalten, es wird sie aber in absehbarer Zeit in den Abgrund ziehen, wenn die nächste Bundesregierung nicht entsprechend handelt.
Daher brauchen wir dringend ein Umdenken in der gesamtstaatlichen Finanzpolitik und Finanzverteilung in unserem Land. Das heißt erstens: Die Schuldenbremse muss reformiert werden.
(Ralf Witzel [FDP]: Falsch! Völlig falsch! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Der sagt nie was Falsches!)
Zweitens. Die Kommunen müssen erheblich stärker auch direkt an Bundessteuern wie Einkommen- oder Umsatzsteuer beteiligt werden.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Herr Witzel, hören Sie mir bitte zu. Die Kommunen müssen erheblich stärker an Bundessteuern beteiligt werden; denn sie tragen immer mehr Lasten, die vom Bund definiert, aber nicht angemessen refinanziert werden.
Drittens – das ist fast am wichtigsten –: Der Bund muss endlich wieder seiner Verantwortung bei der Finanzierung der Kosten im sozialen Bereich nachkommen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Da hat er recht!)
Wir sehen es in den kommunalen Haushalten. Überall in den Kommunen, in denen derzeit Haushalte diskutiert werden, sieht man es, von der Jugendhilfe bis zur Eingliederungshilfe und den Hilfen zur Pflege. Die Kosten der Kommunen für diese bundesgesetzlich definierten sozialen Aufgaben sind massiv gestiegen und steigen weiter. Sie steigen aber ohne einen angemessenen Aufwuchs der entsprechenden Beteiligung des Bundes. Das muss sich im Interesse unserer Kommunen in Nordrhein-Westfalen ändern, aber auch im Interesse aller Kommunen der anderen Länder.
(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Zu einem weiteren wichtigen Thema, der Altschuldenlösung, kann ich mich sehr kurzfassen. Ich glaube, wenn die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen es schafft, trotz einer anhaltend schwierigen Haushaltslage und enormen Zukunftsherausforderungen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 250 Millionen Euro pro Jahr auf den Tisch zu legen, dann hätte auch Berlin das schaffen können, wenn Kanzler und Finanzminister es in den letzten Jahren wirklich gewollt hätten. Ich bin gespannt, ob den Worten des Kanzlers aus der vergangenen Woche noch Taten folgen werden.
(Ralf Witzel [FDP]: Da brauchen wir eine Verfassungsänderung, für die es keine Mehrheit gibt! Das ist doch dummes Zeug! Populismus!)
Wir würden eine ausgestreckte Hand jedenfalls gerne annehmen.
Wenn dann etwas auf dem Tisch liegt, können wir auch sehr gerne wieder über die Verantwortung unseres Ministerpräsidenten reden, Frau Stock, aber jetzt ist erst mal Ihr Kanzler dran.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Die Redezeit ist fast vorüber, deshalb werde ich nicht mehr ausführlich zum Haushaltsentwurf reden können. Eines ist aber festzustellen: Drastische Einsparungen bleiben uns im Einzelplan 08 im Bereich „Heimat und Kommunales“ erspart. Das verdient Anerkennung.
Der vorliegende Haushaltsentwurf trägt also eine klare Botschaft, die ihn von früheren Sparhaushalten eindeutig unterscheidet. Das Land wird sich – anders als die Politik von Bundesfinanzminister Lindner in den letzten Jahren – nicht auf Kosten der Kommunen sanieren, sondern das Land hält seine Zusagen gegenüber der kommunalen Familie mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf verlässlich ein. Wir machen damit unseren Teil des Jobs, eine neue Bundesregierung muss ihren Teil dann aber auch machen.
In diesem Sinne können wir heute zustimmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)