Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erst einmal sehr dankbar, Herr Dahm, dass die SPD heute zustimmt, dass Sie sogar den Appell an Ihren eigenen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil selbst einleiten – ich komme darauf gerne zurück – und dass wir somit am Ende mit einer großen Mehrheit heute ein Gesetz beschließen können, das nicht nur immense Zahlen bewegt – wir reden hier über etwa 10 Milliarden Euro –, sondern das die realen Lebensumstände in großen Teilen unseres Landes wirklich verbessert.
Denn nach mehr als zwei Jahrzehnten befreien wir unsere Kommunen endlich von einem großen Anteil der finanziellen Lasten längst vergangener Jahre und auch längst vergangener Krisen, wie insbesondere der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre ab 2008. Dass es dringend notwendig ist, die vielen unverschuldet hochverschuldeten Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen von ihren übermäßigen Kassenkrediten zu entlasten, ist seit Langem bekannt und ist auch seit Langem hier Thema gewesen, und es wird angesichts der sich immer weiter zuspitzenden kommunalen Finanzkrise umso dringlicher.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Längst ist klar, dass die kommunale Schuldenlast nicht nur die kommunale Selbstverwaltung bei freiwilligen Aufgaben einschränkt, sondern dass sie auch zentrale Zukunftsaufgaben blockiert, etwa Investitionen in Bildung, in Klimaschutz, in Digitalisierung, in soziale Infrastruktur.
Entsprechend viel Zustimmung gab es in der Anhörung auch für diesen Gesetzentwurf, mit dem wir als Regierungskoalition von CDU und Grünen ein zentrales Versprechen einlösen. Die Resonanz, insbesondere von den kommunalen Spitzenverbänden, war eindeutig. Dass die Altschuldenentlastung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf technisch gut umgesetzt ist, haben die Sachverständigen, vor allem diejenigen aus den Kommunen, die das Ganze dann umsetzen müssen, bestätigt.
Auch auf kritische Nachfragen hin hat kein Sachverständiger ernsthafte Probleme oder Hürden für eine fristgerechte Antragstellung und für die Übertragung der Kredite benannt. Auch die Abwicklung über das Portal der NRW.BANK wird ausdrücklich begrüßt.
Diese positive Resonanz hat einen Grund, dass nämlich die Landesregierung, in Person – ich will sie, auch wenn sie heute aus sehr nachvollziehbaren Gründen nicht persönlich hier sein kann, gerne erwähnen – insbesondere von Frau Ministerin Scharrenbach, die Kommunen sehr frühzeitig und auf Augenhöhe in die konkrete Ausgestaltung dieses Gesetzentwurfes einbezogen hat. Dafür dass Sie auf diese Weise aus der Verbändeanhörung alle wesentlichen Verbesserungsvorschläge aufgenommen haben und ernst genommen haben, will ich seitens unserer Fraktion einen herzlichen Dank aussprechen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Das heißt natürlich nicht, dass es gar keine Verbesserungsvorschläge mehr gegeben hatte. Ein zentrales Anliegen der Kommunen – das hat der Kollege Martin Lucke schon angesprochen – war die Reform des Neuverschuldungsverbots in § 89 Absatz 4 der Gemeindeordnung, das wir nicht aus Überzeugung, sondern auf Druck der Eckpunkte des früheren Bundesfinanzministers Christian Lindner für eine Bundesbeteiligung eingeführt hatten, die er dann tatsächlich nie eingelöst hat, die er wahrscheinlich auch nie einlösen wollte.
Da aber nach wie vor auch mit neuer Bundesregierung völlig unklar ist, ob und wann der Bund sein Versprechen einlöst und wie lange unsere Kommunen auf ihren restlichen Krediten noch sitzen bleiben, ist es zwingend, dass wir die hier festgeschriebene Dreijahresfrist zur Tilgung neuer Liquiditätskredite zunächst aussitzen. Wir würden unseren Kommunen ansonsten ein wichtiges Instrument nehmen, um Zinsen zu sparen. Den entsprechenden Änderungsantrag bringen wir zum späteren Tagesordnungspunkt 15 zum Kommunalrechtsänderungsgesetz ein.
Die einzige von den Sachverständigen aus der Praxis darüber hinaus unisono vorgetragene, über das Gesetz hinausgehende Forderung bleibt es also, die gpa als Prüferin nach § 4 des Gesetzentwurfes zuzulassen. Ich muss Ihnen sagen: Nach reiflicher Diskussion halten wir dies nicht für erforderlich, da hinreichend Kapazitäten in der etablierten Wirtschaftsprüfung zur Verfügung stehen. Der Erfolg dieses Gesetzes hängt von dieser Detailfrage am Ende nicht ab.
Einer Altschuldenentlastung, die die Kommunen ab 2026 in ihren Haushalten spüren werden, steht damit ab dem heutigen Tag mit Beschluss dieses Gesetzes nichts mehr im Wege, zumindest nicht vonseiten des Landes. Denn was weiterhin fehlt, ist die Beteiligung des Bundes. Und ich werde nicht müde – wir sollten alle gemeinsam nicht müde werden –, immer wieder darauf hinzuweisen, bis aus Berlin endlich die längst überfällige hälftige Beteiligung an der Altschuldenlösung kommt.
Nordrhein-Westfalen hat nach einigen anderen Bundesländern jetzt noch einmal gezeigt, wie man auch in herausfordernder Haushaltslage eine Altschuldenlösung zum Erfolg führt. Berlin kann, Berlin muss sich daran ein Beispiel nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Was wir bisher aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung wissen, gibt uns hier durchaus Anlass zur Hoffnung. Aber man muss schon sagen, dass einem der darin angekündigte Kuhhandel – 250 Millionen für die Armen, 400 Millionen für die Reichen, vor allem Bayern – in Anbetracht der jahrelangen Diskussion gerade aus der Perspektive Nordrhein-Westfalens und der strukturschwachen Regionen doch schon ein bisschen die Worte verschlägt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Umso besser ist es also, dass unsere Landesregierung hier klar und ehrlich handelt und ihr Wort hält und dass unsere Altschuldenlösung in Zeiten begrenzter Haushaltsmittel ihren Fokus auf diejenigen legt, die das Geld am dringendsten brauchen.
Wir stimmen daher diesem historischen Gesetz aus ganzem Herzen und mit voller Überzeugung zu. Es ist ein mutiger, es ist ein richtiger Schritt, und es ist ein großer, ein zentraler Erfolg dieser Landesregierung von CDU und Grünen. – Vielen Dank.
