Dr. Robin Korte: „Die Forderung der Kommunen und ihrer Spitzenverbände ist völlig nachvollziehbar, und sie ist richtig“

Zum Antrag der Fraktionen von SDP und FDP zur Weiterleitung von Bundesmitteln

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines sei auch von mir vorneweg gesagt: Die Forderung der Kommunen und ihrer Spitzenverbände, dass sie eine kostendeckende und vor allem planbare Finanzierung für die Unterbringung, Versorgung und Integration von mehreren hunderttausend geflüchteten Menschen aus der Ukraine und aus anderen Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt erhalten, ist völlig nachvollziehbar, und sie ist richtig.

(Kirsten Stich [SPD]: Ja, da klatschen wir doch! – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Die Kommunen leisten nun seit mehr als einem Jahr Herausragendes dafür, Menschen zu schützen und das Menschenrecht zu gewährleisten, dass man in unserem Land Asyl suchen kann. Dafür haben die Kommunen unseren Dank und Respekt, aber auch unsere Unterstützung und Ehrlichkeit verdient.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Nadja Lüders [SPD] –Sven Werner Tritschler [AfD]: Aber nicht euer Geld!)

Deshalb können die Kommunen auch auf die Unterstützung dieser Landesregierung, der sie tragenden Fraktionen, vor allem aber auch auf einen ehrlichen Umgang von uns mit ihnen zählen –

(Lachen von der SPD und Marcel Hafke [FDP])

nicht nur, aber eben auch beim Geld, also bei der Finanzierung.

(Christian Dahm [SPD]: Hui! – Zuruf: Wann zahlt ihr das denn aus? – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Genau da verhält sich Ihr Antrag, liebe SPD-Fraktion, bzw. verhaltet ihr euch nicht ehrlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn ihr stellt es so dar, als wäre es eine Art der Selbstbereicherung – ich zitiere hier nur noch einmal den Antragstitel: „klebrige Finger“ –,

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Bundesmittel der vorletzten MPK nicht eins zu eins an die Kommunen weitergeleitet hat – übrigens genauso wie auch andere Länder, zum Beispiel das SPD-geführte Nachbarland Niedersachsen. Das sei an dieser Stelle auch noch einmal erwähnt.

(Kirsten Stich [SPD]: Dadurch wird es aber nicht besser!)

Indem ihr das als Selbstbereicherung darstellt und hier derartige Anträge ins Feld führt, blendet ihr neben dem Sachverhalt, dass es dazu auch eine explizite Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden gegeben hat, drei wesentliche Aspekte aus.

Das ist zuallererst, dass auch das Land bei der Aufnahme und Unterbringung Geflüchteter Aufgaben trägt, die finanziert werden müssen – darunter insbesondere die Unterhaltung der zurzeit stark ausgelasteten Landeseinrichtungen.

(Nadja Lüders [SPD]: Ansprechpartner ist aber die Landesregierung und nicht irgendwelche Verbände!)

Morgen werden wir von euch ja noch einen Antrag zu diesem Thema, nämlich Landeseinrichtungen, debattieren, in dem ihr unter anderem einen Ausbau und eine Ausweitung der Standards in diesen Einrichtungen fordert, zwei Forderungen, die grundsätzlich völlig richtig sind, die aber – das sollte auch Ihnen klar sein – natürlich mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf einhergehen.

Ich bin wirklich gespannt darauf, welche Erklärung Sie uns morgen zu der Frage liefern, wie Sie diese Forderungen finanzieren wollen, wenn Sie heute mit diesem Antrag noch fordern, Mittel aus dem Haushalt des zuständigen Integrationsministeriums abzuziehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von der CDU)

Vizepräsident Christof Rasche: Herr Kollege Dr. Korte, es liegt der Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Marcel Hafke vor.

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Die lasse ich gerne zu.

Vizepräsident Christof Rasche: Wunderbar. – Bitte sehr.

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege. Ich habe der Argumentation interessiert zugehört. Mich würde allerdings interessieren, wie der Meinungswechsel bei der grünen Fraktion zustande gekommen ist.

In der letzten Legislaturperiode hat die grüne Fraktion – Verena Schäffer und andere – massiv Stimmung gemacht und eingefordert, dass das Land 100 % der Mittel an die Kommunen weiterleiten solle, was die Landesregierung dann ja auch gemacht hat.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Massiv Stimmung gemacht?)

Mich würde nun interessieren, warum auf einmal die grüne Fraktion die Meinung der letzten Jahre geändert hat und meint, die Hälfte der Mittel müsse nun beim Land verbleiben, obwohl die Kommunen dringend darauf angewiesen sind.

(Beifall von der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Können Sie da ein Zitat bringen? Das wäre spannend!)

– Ich war dabei.

(Nadja Lüders [SPD]: Das hat er gerade gesagt! – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, hat er nicht! – Weitere Zurufe)

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Dr. Robin Korte (GRÜNE): An der Stelle kann ich nur auf Äußerungen von Ministerpräsidenten anderer Bundesländer verweisen, die auch gesagt haben, es sei nicht richtig, da von klebrigen Fingern zu reden –

(Marcel Hafke [FDP]: Ich habe zu den Grünen gefragt!)

ich zitiere Stephan Weil –, denn es gebe auch originäre Aufgaben des Landes bei der Unterbringung Geflüchteter.

(Marcel Hafke [FDP]: Warum haben die Grünen die Meinung geändert? – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Es gibt da Anforderungen an die Verbesserung von Standards und den Ausbau von Plätzen.

(Christian Dahm [SPD]: Wer hat denn die Verantwortung in diesem Land?)

Das sind die Herausforderungen, denen wir uns heute gegenübersehen und denen wir uns stellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Marc Lürbke [FDP]: Also kommt keine Antwort!)

Damit komme ich zum zweiten und zentralen Aspekt, den der Antrag der SPD- und mittlerweile auch der FDP-Fraktion ausblendet und bewusst verschweigt. Kollege Panske hat es schon angesprochen. Im Land Nordrhein-Westfalen gibt es jenseits der Weiterleitung von Bundesmitteln noch weitere, in der Summe viel wesentlichere Finanzströme an die Kommunen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Zahlen hat Dietmar Panske eben genannt. Die Ministerin kann sie sicherlich gleich wiederholen.

(Nadja Lüders [SPD]: Ui!)

Besonders hervorheben möchte ich das Sondervermögen Krisenbewältigung, aus dem derzeit 390 Millionen Euro an die Kommunen zur Stärkung der Unterbringung von Geflüchteten fließen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

390 Millionen Euro aus einem Sondervermögen, gegen das – das muss man auch an dieser Stelle noch mal sagen – die SPD-Fraktion und auch die FDP-Fraktion derzeit eine Verfassungsklage führen!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Wegen der Begründung, Herr Kollege!)

Diese Zahl in diesem Antrag und in dieser Debatte nicht nur bewusst auszublenden, sondern zugleich vor Gericht zu ziehen mit der Konsequenz, dass die Kommunen dieses Geld nicht erhalten würden, und sich gleichzeitig hier im Landtag als Interessenvertretung der Kommunen aufzuspielen, ist nicht nur unehrlich, sondern auch destruktiv. Es ist ganz sicherlich nicht im Interesse der Kommunen und der vielen Ehrenamtlichen vor Ort.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Nadja Lüders [SPD]: Nein, auch da kennen Sie die Systematik nicht!)

Vizepräsident Christof Rasche: Es liegt ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage vor, diesmal vom Kollegen Dahms.

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Auch die lasse ich gerne zu.

Vizepräsident Christof Rasche: Perfekt.

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. Sie dürfen den Nachnamen ohne „s“ am Ende aufrufen. Damit wäre ich einverstanden.

Herr Kollege Korte, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden oder missverstanden.

Eben haben Sie dargelegt, dass es eine Einigung des Landes, der Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden gibt. Meines Erachtens gibt es diese Verständigung nicht. Vielleicht können Sie uns erklären, was jetzt ist und in welcher Form diese Einigung besteht.

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Jetzt sind Sie ganz an den Anfang meiner Rede zurückgekommen. Ich komme gerne noch mal darauf zurück.

Im letzten Jahr, nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz, gab es ein Zusammenkommen der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände, in dem über genau diese Finanzierungsfrage gesprochen worden ist

(Christian Dahm [SPD]: Richtig!)

und in dem eine Einigung hergestellt worden ist.

(Christian Dahm [SPD]: Nein!)

Ich war an dem Treffen natürlich nicht beteiligt. Ich denke, dass die Landesregierung dazu gleich noch Ausführungen machen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Aspekt, dass es die Einigung gegeben hat, ist aber wichtig.

Damit komme ich zum dritten entscheidenden Aspekt, der in Ihrem Antrag ebenfalls untergeht. Das ist, dass sich die Hilferufe der Kommunen nach finanzieller Unterstützung, die Sie ja aufgreifen wollen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern im Grunde genommen in ganz Deutschland derzeit eben nicht in erster Linie an die Länder richten, sondern ganz überwiegend an die Bundesregierung, weil auch der Bund – das muss hier noch mal klar gesagt werden – endlich mehr und vor allem langfristige und planbare Verantwortung für die Aufwendungen unseres Asylsystems übernehmen muss.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Ich zitiere an dieser Stelle sehr gerne noch mal unseren Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der vor der letzten MPK in einer Pressekonferenz gesagt hat:

„Wenn wir […] den Menschen, die zu uns kommen, gerecht werden wollen, dann müssen alle Ebenen ihrer Verantwortung gemeinsam gerecht werden. Alle Länder sind sich deshalb parteiübergreifend einig: Die Kommunen brauchen mehr Unterstützung vom Bund – und das verlässlich.“

Im Anschluss zitiere ich noch einmal Ministerpräsident Stephan Weil aus Niedersachsen, der diese Pressekonferenz mit Herrn Wüst gegeben hat und auf derselben Pressekonferenz in der Folge gesagt hat: Wir müssen doch sehen, dass diese Frage eine gemeinsame Verantwortung ist. Die geht über Parteigrenzen hinaus.

Wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wie Wüst und Weil an dieser Stelle Seite an Seite gehen, so ist auch uns dazu geraten, dass wir uns in dieser herausfordernden Situation im Interesse der Kommunen nicht von parteitaktischem Klein-Klein und Interesse an politischen Geländegewinnen leiten lassen, sondern, wie Stephan Weil sagt, von Verantwortung und die Interessen von Nordrhein Westfalen und unseren Kommunen gegenüber Berlin geltend machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Vielleicht denken Sie über das Wort „Verantwortung“ in dem Zusammenhang noch einmal nach.

Dass wir dem Antrag nicht zustimmen können, sollte klar sein. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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