Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion will in dieser Sitzung des Landtags das Sondervermögen feiern. Ein Fünftel dieses Sondervermögens geht an Länder und Kommunen: 100 Milliarden Euro. Auch wenn noch nicht klar ist, wie viel davon an Nordrhein-Westfalen geht und damit auch in Richtung unserer Kommunen, ist eine Sache aber jetzt schon klar: Der tatsächlichen Verteilung der Investitionsbedarfe zwischen dem Bund auf der einen und Ländern und Kommunen auf der anderen Seite entspricht das ganz und gar nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
In Anbetracht des riesigen kommunalen Investitionsstaus wird das Geld auch nicht reichen. Folgende Zahlen machen das deutlich: Das KfW-Kommunalpanel 2024 zeigt bei den Kommunen deutschlandweit einen Investitionsstau von 186 Milliarden Euro. Eine Studie des DGB sah schon 2023 nur für Nordrhein-Westfalen einen Investitionsbedarf von mehr als 150 Milliarden Euro über zehn Jahre. Das ist die Last der Vergangenheit. Zusätzliche Investitionen, wie wir sie in den kommenden Jahren zum Beispiel auch zur Stärkung des Zivilschutzes in den Kommunen brauchen werden, sind hier noch gar nicht eingerechnet.
100 Milliarden Euro, die sich alle Bundesländer und ihre Kommunen am Ende aufteilen müssen, sind vor diesem Hintergrund zwar gut angelegt und natürlich besser als nichts. Die Lösung der kommunalen Investitionsschwäche sind sie aber noch lange nicht. Damit die Gelder wirklich dort ankommen, wo sie die größte und sichtbarste Wirkung entfalten, hätte es daher eine andere Verteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen gebraucht.
Daher ist es auch ein ziemlich schlechtes Ablenkungsmanöver, liebe SPD-Fraktion, dass Sie jetzt mit großem Getöse fordern, Nordrhein-Westfalen solle eine schnelle Umsetzung gewährleisten und 80 % der Mittel an die Kommunen weitergeben. Erstens ist noch überhaupt nicht klar, wie viel Geld eigentlich an NRW fließen wird, wie das Geld hier ankommt. Zweitens wissen Sie selbst, dass auch wir als Land große Investitionsbedarfe haben, zum Beispiel beim Hochschulbau, die auch wichtig für die Zukunft dieses Landes sind. Und vor allem war drittens die SPD im Bund ja maßgeblich dafür verantwortlich, dass überhaupt nur ein so geringer Anteil des Sondervermögens für Länder und Kommunen zur Verfügung steht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dieses Investitionspaket ist ein Schnellschuss und war in seiner ursprünglichen Form als Vorschlag von Union und SPD eine reine Luftbuchung. Erst die Intervention der grünen Bundestagsfraktion hat dafür gesorgt, dass das Paket überhaupt eine Wirkung entfaltet, indem das Geld zusätzlich investiert wird, Gelder für den Klimaschutz bereitgestellt werden und das Ganze eben kein reiner Verschiebebahnhof für Steuer- und Rentengeschenke mit der Gießkanne wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Den Kommunen und der Politik, die vor Ort sichtbar wird, ist allerdings erst dann wirklich geholfen, wenn es nicht nur Einmalzahlungen wie jetzt gibt, sondern endlich strukturelle Veränderungen bei der bundesweiten Finanzierung kommunaler Aufgaben. Wir haben zuletzt immerhin leise Töne vernehmen können, dass diese Erkenntnis jetzt auch bei Friedrich Merz angekommen sein könnte. Nachdem im Wahlkampf an der Stelle wenig fundierte bzw. wenig realistische Vorschläge zu den öffentlichen Finanzen zu hören waren, hat der mögliche Kanzler jetzt immerhin durchblicken lassen, dass es insbesondere im Bereich der Sozialgesetzgebung Veränderungen zugunsten der Kommunen brauche. Dazu kann ich nur sagen: Ja, da hat er recht. Denn eine Entlastung der Kommunen bei den sozialen Kosten braucht es ganz dringend.
Ich will aber auch ganz deutlich sagen: Das bedeutet nicht, dass wir gesamtstaatlich bei den Sozialleistungen sparen können. Eine Reform darf nicht zulasten der Menschen gehen. Nach dem, was man aktuell zum Bürgergeld, zum Elterngeld und zu anderen wichtigen Leistungen in den Medien hört, mache ich mir ernsthaft Sorgen, was einen möglichen sozialen Kahlschlag nach den Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD im Bund angeht.
Was es dagegen braucht, ist eine Neuverteilung – und eine Dynamisierung – der Lasten zwischen den staatlichen Ebenen in diesem Land. Der Bund muss mehr finanzielle Verantwortung für die Aufgaben übernehmen, die er den Kommunen überträgt oder schon lange übertragen hat. Diese Aufgaben liegen nun einmal zu einem großen Teil – Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Pflege und vieles mehr – im sozialen Bereich.
Darüber hinaus müssen wir auch über eine gerechtere Verteilung der Gemeinschaftssteuern sprechen. Die Kommunen müssen in Zukunft mehr vom Steuerkuchen des Bundes abbekommen, wenn sie zu der so oft beschworenen Zeitenwende beitragen sollen. Die letzte Föderalismusreform liegt 15 Jahre zurück, und die Aufgabenkataloge der Kommunen sind seitdem immens gestiegen. Es ist nicht mehr fair und nicht zeitgemäß, dass die Kommunen sich hauptsächlich auf die stark konjunkturabhängige Gewerbesteuer verlassen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Damit komme ich zum letzten Punkt, nämlich zu der zentralen Voraussetzung für eine Auflösung der chronischen und strukturellen Unterfinanzierung unserer Kommunen. Das ist die Reform der Schuldenbremse. Gerade aus Sicht der Kommunen ist diese Reform wichtig; denn derzeit sind die Kommunen die einzige staatliche Ebene, für die keine entsprechende Bremse greift. Der rasante Anstieg der kommunalen Verschuldung, den wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist letztlich auch das Ergebnis einer falschen Konstruktion der Schuldenbremse; denn sie hat die Kommunen zur Bad Bank der Staatsfinanzierung gemacht. Darum ist es wichtig, dass Friedrich Merz auch an dieser Stelle sein Gerede aus dem Wahlkampf hinter sich lässt und angesichts der Realität am Ende doch einlenkt.
Ich will hier noch einmal dem Vorwurf der FDP an unseren Ministerpräsidenten entgegentreten, den Sie in Ihrem Antrag formulieren, man würde jetzt neue Schulden machen, um die Altschulden der Kommunen zu finanzieren. Dem will ich klar entgegenhalten, dass wir in Nordrhein-Westfalen bereits im Haushalt für dieses Jahr 250 Millionen Euro für unsere Altschuldenlösung eingestellt haben, ohne dafür neue Schulden zu machen. Insofern ist Ihr Vorwurf eine Nebelkerze.
Es ist auch keine verantwortungsvolle Politik, jetzt, wenn es darauf ankommt, gegen eine Altschuldenbeteiligung des Bundes zu stänkern. Im Gegenteil: Die bundesweite Altschuldenlösung ist so wichtig wie nie. Der Aufwand dafür entspräche auch nur weniger als 4 % des Sondervermögens, das gerade verabschiedet wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, es ist jetzt Ihre Aufgabe, diese knapp 4 % noch herauszuholen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Bund muss an dieser Stelle zu seiner Verantwortung gegenüber den Kommunen stehen. Genau das – und nicht die Spekulationen aus dem Antrag der SPD – sollte der eigentliche Gegenstand der aktuellen Debatte sein.
Bringen Sie das Interesse Nordrhein-Westfalens intensiv in die Beratungen ein. Nutzen Sie die Chance.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)