Dr. Robin Korte: „Den Kommunen eine passgenaue Differenzierung über differenzierte Hebesätze ermöglichen“

Zu Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zu Anpassungen bei der Grundsteuer

Portrait Robin Korte

Der Antrag „Nordrhein-Westfalen fordert Anpassungen bei der Grundsteuer, um überproportionale Belastungen des Wohneigentums zu verhindern“

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2018 diskutieren wir nun in der gesamten Bundesrepublik über die Grundsteuer und seit 2022, nämlich seit die FDP hier in Nordrhein-Westfalen und mit ihr Herr Witzel in der Opposition ist, auch ganz besonders gerne immer wieder hier im Landtag.

Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts war 2018 eindeutig. Dass es mehr als fünf Jahre später immer noch keine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gibt, ist natürlich enttäuschend – offenbar ganz besonders für die Fraktion, die in diesem Hause, seit sie in der Opposition ist, am lautesten mosert und krakeelt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Herr Witzel, Sie hatten nicht nur in Nordrhein-Westfalen mehr als genug Zeit, Ihre eigenen Forderungen in der dafür entscheidenden Zeit vor 2022 zu erfüllen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Zeit, Herr Witzel, hätten Sie nutzen können, statt uns jetzt permanent mit Ihrer eigenen Vergangenheitsbewältigung zu beschäftigen

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

und uns heute wieder eine Scheinlösung vorzulegen und zu fordern, die nicht administrierbar und rechtlich so angreifbar ist, dass sie das gesamte Grundsteueraufkommen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen gefährden würde.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Witzel, Ihr Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister Lindner hätte übrigens bis heute, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, die Möglichkeit, dieses von Anfang an nicht ganz runde Bundesgesetz zu ändern. Er hat bis heute die Schlüssel dazu in der Hand.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Seit letzter Woche springen ihm die Finanzminister*innen der Länder – unser geschätzter Minister Optendrenk aus Nordrhein-Westfalen und seine Kollegin aus Rheinland-Pfalz – sogar zur Seite. Sie machen ihm einen sehr vernünftigen Vorschlag, wie ich finde, wie die Konsequenzen eines Bundesgesetzes abzufedern wären. Sie unterziehen sich dafür sogar dem Unmut vieler Kommunen, die verständlicherweise nicht von Natur aus darauf erpicht sind, für den Bundesfinanzminister – und nicht zu vergessen: auch für seinen Vorgänger – die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Denn so viel gehört zur Ehrlichkeit dazu: Wenn wir in einigen Städten und Gemeinden überhaupt noch die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken verhindern wollen, wäre der von den Finanzminister*innen der Länder aufgezeigte Weg, differenzierte Hebesätze einzuführen und zu ermöglichen, kurzfristig der einzig gangbare. Gegangen und verantwortet werden müsste er dann aber eben vor Ort – mit all den Fragen, Diskussionen und auch Schwierigkeiten, die von den Kommunen und auch heute bereits angesprochen wurden.

Dennoch halte ich den Vorschlag in der aktuellen Lage, in der uns nur noch wenig Zeit zum Reagieren und zur Umsetzung einer rechtssicheren und administrierbaren Lösung verbleibt, für einen, über den es sich sehr ernsthaft nachzudenken lohnt, und zwar nicht nur, weil er der zeitlich einzig mögliche ist, sondern auch aus zwei weiteren Gründen, die ich gerne nennen möchte.

Der erste Grund ist der Effekt auf die zweite Miete. Die Nebenkosten, zu denen auch die Grundsteuer zählt, machen quer durch das Land einen nicht unerheblichen und steigenden Anteil der Warmmiete aus. Eine zusätzliche Lastenverschiebung in Richtung des Mietwohnmarktes wäre vor diesem Hintergrund zu Recht schwer vermittelbar, insbesondere, wenn auf der anderen Seite flächenintensive Großbetriebe entlastet würden, wie es das Bundesmodell offenbar verursacht.

Daher kann es für viele Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ein wichtiges Instrument sein, diese Lastenverschiebung über differenzierte Hebesätze reduzieren zu können. Das gilt gerade für die Städte, Gemeinden und Regionen mit einem angespannten Mietwohnungsmarkt, in denen Mieterinnen und Mieter schon heute hohe Mieten zahlen und voraussichtlich noch draufzahlen würden, falls sich die Neuverteilung der Grundsteuerlast wirklich so darstellen würde, wie es sich derzeit ankündigt.

Mit Blick auf die Finanzen der Kommunen wird es voraussichtlich in den nächsten Jahren vielerorts leider nicht vermeidbar sein, die Hebesätze für die Grundsteuer zu erhöhen, und zwar schlicht und einfach, lieber Herr Dahm, um die Einnahmeausfälle zu kompensieren, die ihnen durch die Senkung vieler Steuern des Bundes – und nicht des Landes – eingebrockt worden sind, und damit die Kommunen ihre Aufgabe in der Daseinsvorsorge weiter erfüllen können.

Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es richtig und vor allem auch sozialpolitisch verantwortlich, dass unser Finanzminister diese Möglichkeit für differenzierte Hebesätze und für eine faire Gestaltbarkeit der Lastenverteilung in die Diskussion eingebracht hat, damit Wohneigentum weniger stark belastet werden kann und damit die Menschen, die dort leben, weniger belastet werden können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der zweite maßgebliche Grund für eine solche Option kann sein, dass die Ausgangssituation nicht überall gleich ist. Wir erhalten Rückmeldungen aus Städten und Gemeinden, in denen der beschriebene Effekt der Lastenverschiebung nicht oder deutlich schwächer auftritt, in denen Mehrfamilienhäuser tendenziell entlastet werden und stattdessen die Belastung insbesondere für gut situierte Menschen mit Einfamilienhäusern steigt. Das zeigt sich vor allem dort, wo der Anteil von Mehrfamilienhäusern hoch ist und die Kaltmieten vergleichsweise moderat sind. Dort besteht also möglicherweise nicht so großer Handlungsbedarf wie in anderen Teilen des Landes.

Genau dieser Unterschiedlichkeit der Probleme vor Ort entspricht der vorgetragene Gedanke, den Kommunen eine passgenaue Differenzierung über differenzierte Hebesätze zu ermöglichen.

Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, der notwendigen Administrierbarkeit und der absolut notwendigen Rechtssicherheit für unsere Kommunen, aber auch angesichts der beschriebenen unterschiedlichen Problemlagen in unseren Kommunen, ist der Vorschlag der Finanzminister*innen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei allen damit zugegebenermaßen verbundenen Schwierigkeiten aus meiner Sicht pragmatisch und verantwortlich. Ich bin unserem Finanzminister sehr dankbar dafür, dass er diesen Vorschlag so ernsthaft in die Diskussion eingebracht hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir werden diese Option in den kommenden Wochen sicherlich sehr ernsthaft miteinander und mit den Kommunen diskutieren und am Ende – da bin ich sicher – zu einer von Land und Kommunen gemeinsam verantworteten Lösung kommen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)