Dr. Robin Korte: „Damit führt ihr Klage gegen einen Stärkungspakt gegen Armut“

Zum Antrag der SPD-Fraktion auf eine Aktuelle Stunde zum Stärkungspakt Armut

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den energiepolitischen Eskapaden, auf die uns die SPD eben entführt hat, ist es gut, dass wir jetzt, auch mit der Rede von Herrn Frieling, wieder zur Sache reden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Denn Herr Frieling hat es bereits gesagt: Die kommunale Ebene ist die Ebene, die am nächsten an den Menschen dran ist. So ist es bei vielen Themen, und so ist es eben auch beim Thema „Armut“. Das beginnt bei Jobcentern in kommunaler Trägerschaft und geht über Bildungsgerechtigkeit in einem Zusammenspiel von Schule, Freizeitangeboten und Stadtumfeld bis hin zu dem kommunalen Wohnungsbau und dem Zusammenspiel und der Kommunikation mit sozialen Trägern. Den Kommunen kommt eine wichtige Rolle bei der Armutsbekämpfung und ‑prävention zu.

Deshalb war es auch so richtig und wichtig, dass die Fraktionen von CDU und Grünen mit dem „Stärkungspakt NRW – gemeinsam gegen Armut“ so viel Geld – 150 Millionen Euro – für die Kommunen bereitgestellt haben. Besonders gut aus kommunaler Sicht ist, dass das Geld so zielgerichtet und so unkompliziert als Billigkeitsleistung nach einem Sozialindex verteilt wurde, damit es dort wirken kann, wo es am dringendsten gebraucht wird.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das waren im Übrigen nicht die einzigen Gelder, die den Kommunen über das Sondervermögen zugutegekommen sind. Ich will nur ein paar Beispiele nennen, welche weiteren Maßnahmen den Menschen vor Ort ganz konkret geholfen haben: zum Beispiel energiepreisbedingte Zusatzbeihilfen für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 60 Millionen Euro, um die hohen Energiepreissteigerungen abzufedern, zum Beispiel die Sicherung von Angeboten der Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege mit über 60 Millionen Euro, zum Beispiel die Sicherung des ÖPNV als wichtigem Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge in Höhe von 200 Millionen Euro.

Das ist nur eine Auswahl aus weiteren Projekten aus der ersten Tranche des Sondervermögens. Mit der zweiten Tranche haben wir unter anderem – das ist ja auch bekannt – mit 390 Millionen Euro geholfen, Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen und zu unterhalten.

Man sieht daran, wie vielfältig die Landesregierung mit dem Sondervermögen die krisenbedingten Mehrbelastungen insbesondere, aber nicht nur in den Kommunen abfängt.

Ich betone den Begriff „krisenbedingte Belastungen“ hier so, weil dieses Sondervermögen zur Bewältigung einer außergewöhnlichen Notsituation nun einmal ganz spezielle Rahmenbedingungen mit sich bringt, und zwar vor allem, dass das Geld zwingend 2023 auszugeben ist. Das ist so. Das haben wir uns nicht ausgesucht. Meine Kollegin Jule Wenzel hat dieses Konstrukt und die Historie, wie es dazu gekommen ist, gerade umfassend erläutert. Das ist auch nicht zu ändern.

Umso wichtiger ist es daher nun, dass das Geld auch tatsächlich jetzt ankommt und dass das Programm so unkompliziert wie möglich gestaltet und gehandhabt wird.

Die Probleme aus Duisburg sind in diesem Zusammenhang natürlich absolut nicht wünschenswert und brauchen eine Antwort; keine Frage.

Es zeigt sich aber auch, dass so gravierende Probleme, wie sie in Duisburg jetzt beschrieben wurden, nicht überall die Regel sind. Deshalb ist es auch verfrüht und auch ziemlich daneben, finde ich, wenn Sie, Frau Kapteinat, das Programm an dieser Stelle als „totalen Flop“ bezeichnen.

Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass Sozialminister Laumann sich der gesamten Situation und seiner Verantwortung sehr bewusst ist. Das ist hier gerade aus meiner Sicht auch deutlich geworden. Das erwarten wir auch von ihm und der Landesregierung.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Situation ist nun einmal so, dass der Abruf der Mittel teilweise herausfordernd ist, ja. Aber die Kommunen signalisieren uns, dass es durchaus machbar ist, dass das Ministerium sie unterstützt und dass sie den Stärkungspakt sehr schätzen. Demnach muss es auch im Interesse der Kommunen sein, dass wir uns hier gemeinsam dafür einsetzen, dass er funktioniert.

Deshalb ist diese Debatte zur Aktuellen Stunde der SPD auch im Grundsatz wert, dass man sie führt. Zur Debatte gehört dann aber auch eines dazu – und das muss ich an dieser Stelle wiederholen –: Wenn es nach euch ginge, liebe SPD-Fraktion, dann gäbe es diesen Stärkungspakt gar nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Denn ihr habt damals hier im Plenum dagegen gestimmt. Jetzt führt ihr sogar vor Gericht Klage gegen das zugrunde liegende Sondervermögen.

(Sven Wolf [SPD]: Nicht gegen das Sondervermögen! Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Vermögens!)

Damit führt ihr Klage gegen einen Stärkungspakt gegen Armut, den ihr ja offenbar wichtig findet. Sonst hättet ihr nicht diese Aktuelle Stunde beantragt,

(Zuruf von der SPD: Man kann nicht beliebig mit Landesgeld umgehen! – Weitere Zurufe)

und sonst würdet ihr diese Debatte hier nicht so führen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Die Klageschrift, liebe SPD-Fraktion, haben meines Wissens auch Lisa-Kristin Kapteinat und Lena Teschlade unterzeichnet, die hier gerade geredet haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Aus diesem argumentativen Dilemma helfen Ihnen auch Ihre absurden Vergleiche mit Gaskraftwerken nicht heraus.

(Kirsten Stich [SPD]: Das nennt man Landesverfassung!)

Die Gaskraftwerke erfüllen – das sei zum Thema „ordentlich arbeiten“ noch gesagt – im Übrigen genau diese Funktion der flexiblen Regelleistungen. Deshalb werden sie auch an- und abgeschaltet – nicht von uns, sondern von den Betreibern.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Aber um zum Thema zurückzukommen: Eines bin ich an dieser Stelle wirklich leid, nämlich die Versuche, sich einerseits durch eine Verfassungsklage auf dem Rücken von Kommunen, auf dem Rücken von Menschen, die dort leben, zu profilieren und dabei nicht einmal einen roten Faden durch die eigene Oppositionsarbeit durchziehen zu können,

(Beifall von den GRÜNEN)

indem man andererseits dann hier im Parlament die große rhetorische Keule der Sozialpolitik schwingt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich hoffe, liebe SPD, ihr findet aus diesem Dilemma heraus und irgendwann auf den Pfad einer seriösen Oppositionspolitik und einer tatsächlich glaubwürdigen Sozialpolitik zurück.

(André Stinka [SPD]: Wenn Sie über seriös sprechen, Herr Korte!)

Vielleicht haben Sie heute eine Chance, damit anzufangen. Viel Erfolg!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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