Dr. Julia Höller: „Unser NRW ist ein sicheres Bundesland“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Kriminalitätsstatistik

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktion! Mit dem Feminismus habt ihr mich jetzt fast wieder versöhnt. Aber wir müssen uns einmal überlegen, ob wir Debatten über solch absurde Anträge der AfD für eine Generalabrechnung mit der Landesregierung oder mit dem Innenminister nutzen wollen oder ob wir dafür andere Formate finden. Das würde ich dem Ganzen gerne voranstellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Story der AfD ist ja folgende:

(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

Unser Land ist unsicher. Hier lebt es sich nicht gut. Wir müssen uns alle ständig fürchten, am meisten vor den bösen Ausländern.

Das ist, gelinde gesagt, völliger Blödsinn.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das geben die Zahlen überhaupt nicht her. Das wird auch nicht wahrer, wenn Sie das in jeder Debatte immer wieder behaupten. Deutschland ist ein sicheres Land, und unser NRW ist ein sicheres Bundesland; denn Straftaten werden hier konsequent verfolgt.

Die AfD erzeugt durch ihre ständigen falschen Wiederholungen ein wesentlich schlechteres Bild von unserer Heimat, als es der Fall ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Ich wiederhole auch gerne, was ich heute Morgen gesagt habe: Was unser Land unsicher macht, sind die Gefahren, die von der AfD für unsere Demokratie ausgehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Markus Wagner [AfD]: Das sieht man an Ihrem Wirtschaftsministerium!)

Zur PKS. Bei aller Liebe zu Zahlen: Worüber wir seit ein paar Wochen im Bund und im Land beraten, die Polizeiliche Kriminalstatistik, ist kein valides Analyseinstrument. Sie ist zunächst einmal ein Tätigkeitsnachweis der Polizei. Darin taucht auf, was die Polizei im jeweiligen Jahr im Blick hatte. Deshalb zeigt diese Statistik erst einmal, dass unsere Polizei effektiv und effizient arbeitet und mehr Verbrechen aufdeckt, die sie dann an die Staatsanwaltschaften übergibt.

Die PKS gibt einen Überblick über Tatverdächtige und über das Hellfeld. Das hat eine begrenzte Aussagekraft. Das wissen wir alle. Deshalb gibt es einen ganz klaren Konsens darüber, dass man die Zahlen natürlich nutzen kann. Wir müssen sie nutzen; es sind die besten Zahlen, die wir haben. Wir müssen aber supervorsichtig damit sein, daraus Kausalzusammenhänge abzuleiten.

Deshalb – das ist aber nur ein Sidekick – können wir ja mal gemeinsam überlegen, ob es nicht kluge Weiterentwicklungen gäbe. Wir Grüne fordern seit Jahren Verlaufsstatistiken oder Dunkelfeldstudien als Ergänzung zur PKS.

(Andreas Bialas [SPD]: Dann macht doch!)

Die AfD nutzt die PKS in ihrer üblichen Art und Weise, um ihre menschenverachtenden Botschaften in die Welt zu setzen. Das ist, ehrlich gesagt, für uns alle weder besonders überraschend noch originell.

Die Zahlen der Gesamtkriminalität sind gestiegen. Das ist keine gute Nachricht. Auch die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen ist angestiegen; richtig – so wie übrigens auch die Anzahl der deutschen Tatverdächtigen, so wie übrigens sehr stark die Anzahl der männlichen Tatverdächtigen. Das sind alles keine guten Nachrichten. Da haben wir viel zu tun, um Ursachen zu erkennen und diese Straftaten zu verhindern; denn jede Straftat ist eine zu viel.

Die Anzahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen ist mit 34,9 % um 2 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2022 mit 32,8 % angestiegen. Das ist ebenfalls keine gute Nachricht. Aber was sagt das denn aus? Was steckt denn dahinter? Welche Aufgaben für uns als Politik ergeben sich daraus? Wir haben mehr Zuwanderung als in der Vergangenheit. Die Bevölkerung ist gewachsen. Wenn es mehr Menschen gibt, gibt es mehr Kriminalität. Darauf stellen sich unsere Sicherheitsbehörden auch ein.

Was sind denn die Kriterien, warum jemand kriminell wird? Spoiler: Nationalität ist es nicht. Es ist eine Frage des Alters und des Geschlechts. Junge Männer werden überdurchschnittlich häufig straffällig. Und: Welche Gewalterfahrung hat man gemacht? In welchem Umfeld ist man aufgewachsen? Es ist auch eine soziale Frage. Bei der Frage, wer straffällig wird, spielt also nicht die Herkunft eine Rolle, sondern es geht dort um Teilhabe und Armut.

Wer begeht statistisch gesehen wesentlich seltener Straftaten? Wer Arbeit hat, wer integriert ist, wer von einer Gesellschaft akzeptiert wird und wessen Kinder nicht ausgegrenzt werden, wer keine Rassismuserfahrungen gemacht hat, wer keine Benachteiligung in der Schule erfährt, wem Bildungswege offenstehen, wer nicht in einer Sammelunterkunft lebt, sondern in einer Familie aufwächst.

Das sind Kriterien, die Straffälligkeit beeinflussen. Noch mal: Nationalität ist es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Welches Kriterium legen Sie der Analyse dieser Zahlen zugrunde? Das Geschlecht, die Form der Teilhabe, die Bildungschancen, die man als Kind hatte, der Verdienst der Eltern, der Sozialraumindex, ob der Mensch in Arbeit ist oder nicht – all das wären richtige Kategorien. Stattdessen nehmen Sie die eine Kategorie „Nationalität“ und vermischen das noch mit dem Kriterium „Migration“.

Jetzt habe ich Vorschläge für neue Kategorien für die PKS gemacht. Ich hätte sogar noch eine weitere Kategorie: AfD-Abgeordneter. Schließlich greift das Problem „Straftäter unter AfD-Abgeordneten“ wohl tiefer als gedacht. Das Gewaltpotenzial unter AfD-Abgeordneten soll laut einer Medienrecherche besonders hoch sein. 48 AfD-Mandatsträgerinnen und -Mitarbeitende sind in jüngster Zeit mit Gewalttaten aufgefallen, 28 dieser Politikerinnen und Politiker wurden zumindest erstinstanzlich vor einem Gericht verurteilt. Die Vorwürfe reichen von gefährlicher Körperverletzung über Verletzung von Dienstgeheimnissen und Waffendelikten bis hin zu Beleidigung und Volksverhetzung.

Na, welches Kriterium wollen wir denn wählen, um Zahlen zu analysieren? Worauf Sie als AfD bei dieser Statistik das Spotlight richten, ist klar. Niemandem bleibt verborgen, mit welchem Zweck Sie das tun: um immer wieder Hass zu schüren

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie sind doch voller Hass gerade!)

sowie immer wieder rassistische Ressentiments und Ihre Geschichte eines unsicheren Deutschlands zu reproduzieren.

Aber wissen Sie was? Sie werden es nicht schaffen, uns mit Ihren Erzählungen Angst zu machen. Sie werden es nicht schaffen, das Vertrauen in unseren Rechtsstaat zu schwächen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Innenpolitik