Dr. Julia Höller: „Hier brauchen wir flexible Lösungen“

Zu Anträgen der FDP- und der SPD-Fraktion zur Altersgrenze bei der Feuerwehr

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Frau Kavena, ich finde das, was Sie gemacht haben, unredlich. Sie wissen genau, dass wir uns dem gestellt haben. Dann zu behaupten, es sei anders gewesen …

(Anna Kavena [SPD]: Es stimmt ja nicht!)

Das brauchen Sie gar nicht. Denn wir und die anderen Menschen nehmen Ihnen auch so ab, dass Sie dafür stehen. Dafür müssen Sie nicht unfair werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Anna Kavena [SPD]: Sie waren doch gar nicht da! Das ist doch gelogen!)

– Jetzt bin ich dran. Vielleicht dürfen Sie gleich auch noch mal reden.

Ich hege – das habe ich immer überall gesagt – große Sympathien dafür, dass die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen hier draußen vor dem Landtag im Oktober – als ich da war – und heute bei der Mahnwache auf ihre besonderen Bedingungen und Belastungen aufmerksam machen.

Heute stimmen wir nicht über einen Gesetzentwurf, sondern über zwei Anträge der Opposition ab. Der Gesetzentwurf ist noch nicht eingebracht. Wenn er da ist, dann beraten wir ihn vernünftig. Denn niemand hier macht es sich leicht damit.

Ich möchte allen Feuerwehrmännern und Feuerwehrfrauen sagen: Sie sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie leisten Ihre Arbeit unter besonderen Gefahren und unter enormer körperlicher sowie psychischer Beanspruchung. Dafür haben Sie meinen höchsten Respekt.

Deshalb ist es absolut richtig, dass Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen von der allgemeinen Anhebung des Rentenalters verschont bleiben. Deshalb ist es auch richtig, dass Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen nicht bis zum Rentenregelalter von 67 Jahren arbeiten müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Frage, ob das Rentenalter von 60 auf – je nach Laufbahngruppe – 61 oder 62 angehoben werden soll, ist eine schwierige Frage – zumindest dann, wenn man in Regierungsverantwortung ist.

(Anna Kavena [SPD]: Nein, das ist eine ganz einfache Frage!)

Denn dann ist man dafür verantwortlich, dass der Laden läuft. Dann muss man verschiedene Argumente gegeneinander abwägen – in dem Wissen, dass man zu einer Lösung kommen muss, die nie für alle perfekt ist. Ganz ehrlich: Niemand macht es sich leicht, zu sagen: Jungs und Mädels, wir brauchen euch einfach ein Jahr länger.

Die Lebenserwartung in der Gesellschaft – das hat Thomas Schnelle auch gesagt – hat sich in den letzten Jahrzehnten erhöht. Viele Menschen bleiben länger gesund und fit. In allen Berufen hat sich das Renteneintrittsalter in den letzten Jahren erhöht. Das ist kein Grund zu jubeln, aber eine gesellschaftliche Entwicklung. Angesichts des allgemeinen Anstiegs des Renteneintrittsalters in der Gesellschaft halte ich eine Diskussion über eine moderate Anhebung für vertretbar.

Klar ist aber, dass Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen auch in Zukunft deutlich früher als alle anderen in ihren mehr als verdienten Ruhestand gehen werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir müssen uns überlegen – das ist jetzt unsere Aufgabe als Politik –: Was ist mit denen, die länger arbeiten wollen? Was ist mit denen, die bewusst sagen, dass sie früher gehen wollen, weil sie noch andere Sachen vorhaben? Was ist mit denen, die im höheren Alter nicht mehr an vorderster Front Brände löschen können, aber gerne ihr Wissen und ihre wertvolle Expertise in der Verwaltung einbringen möchten?

Das ist doch nicht schwarz-weiß. Da gibt es ganz viele verschiedene Bedürfnisse und Anliegen. Hier brauchen wir flexible Lösungen. Lassen Sie uns differenziert darauf schauen. Das ist nicht einfach 60, 61 oder 62, sondern viel differenzierter.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es gibt den Fachkräftemangel. Gleichzeitig kommen gerade im Brand- und Katastrophenschutz zusätzliche Aufgaben auf uns zu. Dazu brauchen wir die Expertise und Erfahrung der Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen. Wie können wir sie einbinden? Braucht es dafür neue Strukturen? Können wir gemeinsam bei der Reform das BHKG neue Ideen schaffen? – Es ist jetzt unser Job, das zu machen.

Wenn der Gesetzentwurf eingebracht ist, dann gehen wir in konstruktive Auseinandersetzungen in den Ausschüssen, anstatt möglichst laut zu rufen.

Dass ihr, liebe FDP, laut rufen können, habt ihr bei der letzten Mahnwache gezeigt. Wer sollte es denn schon merkwürdig finden, wenn sich FDP-Politiker grölend auf Bühnen stellen und laut rufen, dass eine Verlängerung der Arbeitszeit mit den Liberalen nicht zu machen ist? Es ist nicht an mir, zu urteilen, ob ihr als FDP bei der Arbeiterbewegung damit glaubwürdig seid. Das werden die Wählerinnen und Wähler tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ihr als FDP habt 2014 den Grund für den Nachwuchsmangel bei der Feuerwehr noch darin gesehen, dass die faktische Wochenarbeitszeit nicht mehr als 48 Stunden betragen dürfe.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Aber so ist das, wenn Parteien ihre gelbe Fahne nach dem Wind hängen. Damals konnte gar nicht lange genug gearbeitet werden, und heute seid Ihr Vorsänger im Arbeitskampf.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn es in die Beratung des Gesetzentwurfes geht, werden wir mit Sicherheit – darauf gebe ich mein Wort – alles tun, um noch Stellschrauben zu finden, wie wir die Rahmenbedingungen für die Feuerwehrleute verbessern können.

Diese beiden Anträge bieten dazu leider keinen konstruktiven Mehrwert. Die Anträge lehnen wir deshalb ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)30

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