Dr. Julia Höller (GRÜNE): : Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Das Thema „Messergewalt“ ist ernst. Das Thema „Gewalt mit dem Tatmittel Messer“ ist so ernst, dass man es nicht missbrauchen sollte, um einen billigen Punkt gegen Geflüchtete zu setzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Wir stehen vor einer krassen Herausforderung: Wie bekommen wir die hohe Anzahl an Gewalttaten mit dem Tatmittel Messer in den Griff? Diese Form der Gewalt – wir haben gerade die Zahlen gehört; ich wiederhole sie nicht – hat in den letzten Jahren zugenommen. Es ist ein reales Problem, das wir nicht ignorieren dürfen.
Sie haben völlig recht, Herr Lürbke – wenn Sie mir zuhören –,
(Marc Lürbke [FDP]: Ja!)
mit der Erkenntnis – Chapeau! –, dass wir dieses Problem nicht nur mit repressiven Maßnahmen gelöst bekommen: Repression, konsequentes Vorgehen der Sicherheitskräfte, schnelle Strafen, Waffenverbotszonen, Verschärfung des Waffenrechts – alles richtig –,
(Zuruf von der AfD)
aber auch Prävention – Prävention in Schule, in Jugendeinrichtungen, in Familien, in benachteiligten Stadtvierteln, in Sportvereinen, auf den Feiermeilen und eben auch in Flüchtlingsunterkünften.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Die Notwendigkeit von Prävention ist unbestritten, aber diese einseitige Fokussierung der FDP auf Flüchtlingsunterkünfte ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch gefährlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie schüren bewusst Vorurteile. Sie tun ganz bewusst so, als läge das Hauptproblem in Flüchtlingsunterkünften.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Ich weiß, Sie verbringen die meiste Zeit mit der Suche nach irgendwelchen Schlagzeilen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber ich empfehle Ihnen einfach mal einen Blick in die Zahlen.
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
Das, was Sie suggerieren, ist einfach nicht richtig; das geben die Zahlen nicht her. Denn wer begeht die Gewalttaten? Das sind vorrangig junge Männer –
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
junge Männer, die alkoholisiert und häufig in einer toxischen Gruppendynamik diese Taten begehen.
Wo muss Prävention also ansetzen? Dort, wo sich diese Personen aufhalten: in Schule, in Jugendeinrichtungen, in Sportvereinen, in Familien, in Clubs und auch in Flüchtlingsunterkünften, aber eben nicht nur da.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wichtigste Merkmale sind Alter und Männlichkeit. Aber wie sieht es denn mit der Relevanz des Kriteriums Staatsangehörigkeit aus? Es besorgt uns – das haben wir ganz oft gesagt –, dass es einen hohen Anteil an Tatverdächtigen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit gibt. Wir haben es eben gehört: Nach dem größten Anteil mit deutscher Staatsangehörigkeit handelt es sich um die syrische, türkische, irakische und rumänische Staatsangehörigkeit.
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
Kriegt man das in Flüchtlingsunterkünften alles so in den Blick, wenn wir uns die Staatsangehörigkeiten angucken?
Aber jetzt wird es spannend: Hat denn die Staatsangehörigkeit etwas mit dem Tatmittel Messer zu tun? Spoiler: Nein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Oder hat es damit zu tun, wie die Menschen aufwachsen – mit Kriegserfahrung, mit Gewalterfahrung? Spoiler: Möglich.
(Marc Lürbke [FDP]: Ja!)
Deshalb ist es natürlich super sinnvoll, Präventionsprogramme gegen Messergewalt in Flüchtlingsunterkünften zu machen – auch in Flüchtlingsunterkünften. Wir müssen zeigen, dass bei uns niemand ein Messer mitführen muss. Wir müssen zeigen, dass die Polizei das Gewaltmonopol hat, dass die Menschen den Sicherheitskräften vertrauen können.
(Zuruf von der AfD)
Wir brauchen Kurse für unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deeskalation und Konfliktmanagement. Die Programme müssen wir auch in der Schule umsetzen.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Sie irren aber, wenn Sie glauben, dass es das noch nicht gibt.
Die Polizei macht über die Kreispolizeibehörden in den Städten und Kreisen bereits richtig gute Präventionsprogramme, insbesondere in den Schulen. Die haben richtig gute Programme. Ich möchte hiermit für die Initiativen danken, die die vor Ort machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dass man das landesseitig verstetigen könnte, halte ich für einen klugen Gedanken, denn nicht überall muss das Rad neu erfunden werden. Unterstützungsnetzwerke einbeziehen; mit Schulen, Jugendzentren, Polizei integrative Konzepte machen; Städte müssen Sicherheitsnetzwerke bilden; JuCops, Bezirksbeamte – all das spielt eine Rolle bei der Frage der Prävention.
Sie sprechen immer von Kampagnen. Wir wissen alle: Die FDP kann Kampagnen ganz besonders gut.
(Heiterkeit und Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])
Kampagnen sind bestimmt auch ein wichtiger Baustein. Wir alle kennen KölnSafe mit Social-Media-Clips und stadtweiten Plakataktionen. Das ist aber nur ein Bestandteil von Präventionsprogrammen. Wir brauchen Menschen, die miteinander reden, die Konfliktmanagement lehren, die Deeskalation vormachen, die dahin gehen, wo junge Männer aller Staatsangehörigkeiten sind, die Unterstützung brauchen: in Schulen, in Familien, in Jugendzentren, in Flüchtlingsunterkünften, in Sportvereinen, dort, wo Jugendliche feiern.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Lürbke. Würden Sie die zulassen?
Dr. Julia Höller (GRÜNE): Na klar.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Na klar. – Herr Kollege Lürbke, bitte schön.
Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich bin etwas irritiert, weil ich nicht weiß, ob Sie den Antrag eigentlich gelesen haben. Genau das, was Sie hier die ganze Zeit fordern, haben wir ja in den Antrag hineingeschrieben: Prävention an Schulen, Zusammenarbeit mit Vereinen, ehrenamtlich Engagierten und Ähnliches. Meine Frage ist also: Haben Sie vor lauter Betroffenheit vielleicht vergessen, den Antragstext zu lesen? Anders kann ich mir das nämlich nicht erklären.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Frau Kollegin.
Dr. Julia Höller (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Lürbke, ich habe gesehen: Sie waren eben im Gespräch. Das ist okay. Ich würde deswegen einmal kurz wiederholen, was ich gesagt habe. Der Unterschied ist, dass wir dahin gehend differenzieren und sagen: Die Prävention ist überall wichtig, und sie ist auch in Flüchtlingsunterkünften wichtig.
Wir machen aber nicht diesen billigen Punkt, stellen das in die Überschrift und schreiben: Flüchtlingsunterkünfte.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Damit setzen Sie ein Bild in die Welt, das nicht richtig ist. Das ist diskriminierend, das ist falsch.
(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])
Das ist nämlich der Punkt. Das unterscheidet uns voneinander. Und wissen Sie was? Ich bin stolz darauf, dass uns das voneinander unterscheidet.
Es ist richtig, dass wir beide die gleichen Konzepte haben, dass wir sagen: Wir brauchen diese Prävention, wir brauchen auch Repression. – Aber die Frage ist, wie man das angeht. Ich glaube, das ist relativ klar, und ich würde sogar noch ein paar Schritte weitergehen. Ich würde sagen: Präventionsprogramme mit Menschen, statt nur Kampagnen, meinetwegen auch beides, dort, wo die jungen Männer sind, und zwar alle, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)