Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Polizeigesetz gehört zu den sensibelsten Gesetzen, die wir als Parlament beraten. Es regelt, wie der Staat Gewalt gegen seine Bürger anwenden darf. Es regelt die Tiefe der Eingriffe in die Grundrechte, und es regelt die Bedingungen für die Sicherheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Genau diese Balance zwischen Sicherheit und Freiheit ist der Kern unseres Rechtsstaats. Das ist ehrlicherweise auch der Maßstab für unser Handeln.
Änderungen am Polizeigesetz sind nie einfach. Und: Nein, weil das mal im Ausschuss angesprochen wurde, leicht gemacht haben wir uns das ganz bestimmt nicht. Unsere Leitlinie ist: so grundrechtssensibel wie möglich, aber so viele Befugnisse wie nötig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Vier Punkte stehen für diese Abwägung:
Erstens. Wir setzen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts konsequent um. Das Gericht hat uns Hausaufgaben mitgegeben, insbesondere bei der längerfristigen Observation und bei verdeckten Maßnahmen. In diesen Bereichen haben wir die Eingriffsschwellen erhöht und die Regelungen präzisiert. Das heißt, eine längerfristige Überwachung über Tage oder Wochen ist nur zulässig, wenn wirklich gewichtige Gründe vorliegen und gerichtliche Kontrolle gewährleistet ist. Damit schaffen wir Rechtssicherheit für diejenigen, die diese Befugnisse anwenden, und für diejenigen, die darauf vertrauen, dass der Staat wirklich maßvoll handelt.
Zweitens. Wir erhöhen den Schutz privater Lebensgestaltung und sorgen für mehr Transparenz. Wir übernehmen hier wichtige Leitlinien aus anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere den Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung betreffend. Es geht hier also um den Kern; um private Gespräche in der Wohnung, die Intimsphäre oder rein familiäre Kommunikation.
Außerdem ersetzen wir die für Nichtjuristinnen und -juristen sehr unübersichtliche Liste der Straftaten von erheblicher Bedeutung durch ein klares, nachvollziehbares Kriterium. Anstatt Dutzender Verweise auf andere Gesetze geht es künftig um eine eindeutige Schwelle. Das ist transparenter, das ist verständlicher, und das gibt sowohl den Behörden als auch der Öffentlichkeit Klarheit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Drittens – und das ist der Punkt, der mir an diesem Polizeigesetz am allerbesten gefällt – stärken wir den Schutz bei häuslicher Gewalt. Wohnungsverweisung, Rückkehrverbote und die Möglichkeit von längeren Ingewahrsamnahmen der Täter sollen Opfer in akuten Gefährdungssituationen schützen. Künftig können sie bis zu 14 Tage gelten, mit der Möglichkeit einer weiteren Verlängerung. Das schafft den Betroffenen einen zeitlichen Schutzraum, um beispielsweise eine neue Unterkunft zu finden, rechtlichen Rat einzuholen oder Schutzmaßnahmen zu organisieren.
Auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung – man kann umgangssprachlich auch „Fußfessel“ sagen – wird jetzt klarer geregelt. Wir öffnen im Polizeigesetz die Tür dafür, dass auch die Betroffenen von Gewalt auf Wunsch einen Tracker erhalten können. So erhalten sie und die Polizei ein Signal, wenn sich der Täter oder die Täterin nähert. Darauf kann dann entsprechend reagiert werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese „spanische Fußfessel“ und die anderen Schritte ersetzen keine Prävention und kein soziales Angebot, aber sie sind ein wichtiger Baustein für einen funktionierenden Gewaltschutz.
Viertens. Wir geben für den Einsatz von KI bei der Polizei erstmals klare Leitplanken vor, und das ist hier ohne Frage der anspruchsvollste Teil. Denn wichtig ist, dass KI schon heute eingesetzt wird, etwa bei der Analyse großer Datenmengen im Bereich „Cybercrime“, bei Finanzströmen in der Organisierten Kriminalität oder bei der Erkennung von Mustern in Missbrauchsdarstellungen im Netz. Bisher geschah dies auf Basis einer Generalklausel weitgehend unsichtbar für die Öffentlichkeit. Nach Solingen hat die Landesregierung im Sicherheitspaket ganz offiziell den Einsatz von KI in den Sicherheitsbehörden beschlossen. Darauf reagieren wir und schaffen nun klare Regeln, Transparenz und Rechtssicherheit.
(Beifall von den GRÜNEN – vereinzelt Beifall von der CDU)
Es ist nämlich so, dass wir das, was vorher irgendwie einfach ohne Regeln gemacht wurde, nun mit klaren Leitplanken versehen. KI ist künftig nur erlaubt, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden: Transparenz, Nachvollziehbarkeit, das Verbot diskriminierender Algorithmen, kein automatisiertes Profiling und keine Entscheidung ohne menschliche Kontrolle. Der Mensch behält immer das letzte Wort.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Gleichzeitig ermöglichen wir der Polizei, eigene Anwendungen zu entwickeln, statt von undurchsichtigen Systemen kommerzieller ausländischer Anbieter abhängig zu sein, deren Funktionsweise sich nicht prüfen lässt. Hier ist doch technologische Souveränität kein Luxus, sondern eine sicherheitspolitische Notwendigkeit.
Auch KI-Verordnungen und andere Rechtsgrundlagen gelten natürlich. Sie sind die Basis des Handels. Damit das eingehalten wird, braucht es eine starke Kontrolle und auch eine Bürgerrechtsszene, die das eng monitort.
Das Achte Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes NRW ist ein gelebter Abwägungsprozess zwischen Freiheit und Sicherheit. Wir machen sichtbar, was die Polizei darf, stärken den Opferschutz, schaffen klare Leitplanken für moderne Ermittlungsarbeit und stärken das Vertrauen in einen handlungsfähigen Staat. Dem Gesetz stimmen wir selbstverständlich zu.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
