Dr. Gregor Kaiser: „Wir müssen den Weidetierhaltern echte Lösungen anbieten, statt Scheingefechte zu führen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Wolfsmanagement

Portrait Gregor Kaiser - klein

Dr. Gregor Kaiser (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Lassen Sie mich zunächst etwas aus persönlicher Perspektive zur Rückkehr des Wolfs sagen.

Als Waldbesitzer, der sich der naturnahen Waldbewirtschaftung verschrieben hat, ist es ein wichtiges Element des Waldbaus, auf Naturverjüngung zu setzen. Insbesondere in der derzeitigen Situation mit vielen Kalamitätsflächen ist das ein wichtiger ökologischer und ökonomischer Faktor.

Aufgrund des hohen Rehwildbestandes werden aber sehr viel Naturverjüngung und auch getätigte Anpflanzungen verbissen – viele Bäume auch komplett. Hier könnte der Wolf dazu beitragen, die Population des Schalenwilds kleinzuhalten und dem neuen Wald zu helfen.

Gleichzeitig habe ich in meinem Betrieb aber auch eine kleine Hobby-Schafhaltung. Durch den Wolf, der derzeit nur ab und zu durch das Sauerland streift, sind in Zukunft andere Zäune und Sicherungsmaßnahmen notwendig, die ich aus verschiedenen Gründen derzeit kaum leisten kann. Daher würden die Sesshaftigkeit des Wolfs und häufigere Angriffe zu neuen betrieblichen Herausforderungen führen. Wie diese umzusetzen wären, weiß ich derzeit noch nicht.

Der Wolf kann also positiv wie negativ gesehen werden. Aber es geht nicht um meine private Bewertung, sondern um eine politische. Daher nun konkret zu Ihrem Antrag, sehr geehrter Herr Brockes. Um es klar zu sagen: Die FDP nutzt die vielfach aufgeheizte Stimmung für den billigen Populismus, den Sie selber bei Markus Söder und dessen neuer Wolfsverordnung kritisiert und ihm – ich zitiere – „Schaumschlägerei“ vorgeworfen haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nichts anderes machen Sie mit diesem Antrag auch.

Zu einigen Aspekten im Einzelnen: Sie fordern Referenzlabore – doch was ist die Referenz? Bisher existieren keine genormten Standards zur Untersuchung, und es gibt keine akkreditierten Labore für Wolfsuntersuchungen. Es gibt Senckenberg, und die dort praktizierten Methoden sind an die international üblichen wissenschaftlichen Verfahren angelehnt. Diese werden in Kooperation mit weiteren Institutionen ständig abgeglichen und weiterentwickelt. Die zentrale Bearbeitung anfallender Proben ist daher eine wesentliche Voraussetzung für eine bundesweit vergleichbare Bestandserfassung des Wolfs. Diese Vorgehensweise ist auch international üblich.

Sie fordern die Überführung des Wolfs ins Jagdrecht. Dazu ist gerade schon etwas gesagt worden. Die Entnahme von Wölfen ist durch die Wolfsverordnung aber bereits möglich. Die Übernahme in das Jagdrecht führt eher zu einer Verzögerung beim Abschuss, denn es müssen zwei Behörden eingebunden werden: die Naturschutzbehörde und die Jagdbehörde. – Das ist klar gegen die Interessen der Weidetierhalter*innen. Eine Übernahme ins Jagdrecht bringt nichts, denn der Wolf würde im Jagdrecht in ganzjähriger Schonzeit sein.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das Bundesland Sachsen hat deswegen die Überführung ins Jagdrecht wieder rückgängig gemacht. Es ist eine reine Placebo-Lösung, die Sie hier anbieten, die keines der Probleme löst.

Kollege Höner hat es angesprochen: Fünf Ihrer acht Forderungen, lieber Herr Brockes, sind an die Bundesebene adressiert. Meines Wissens sind Sie dort Teil der Bundesregierung und hätten, wenn alles so einfach wäre, diese Dinge schon umgesetzt.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

– Ja, wir machen es auch nicht, weil es nicht so einfach ist, wie Sie es hier darlegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Brockes, Ihre Fraktion hat kürzlich im Bundestag ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass die Wolfsverordnung in Bayern gegen Bundes- und EU-Recht verstößt. In diesem Gutachten stehen auch jede Menge Fakten und Informationen, die den in Ihrem Antrag formulierten Forderungen entgegenlaufen.

Beispiel „FFH-Richtlinie“: Hier fordern Sie eine Lockerung des Schutzstatus des Wolfs. Das haben Sie eben dargelegt. Das wurde auch durch die EU-Kommission geprüft und wie folgt kommentiert – ich zitiere –: Es ist offensichtlich, dass die ernsthafte Prüfung anderweitiger Lösungen fernab der Lockerung des Schutzstatus und der Bejagung von zentraler Bedeutung ist. Eine andere Lösung kann nicht nur deswegen als nicht zufriedenstellend angesehen werden, weil sie für die Begünstigten der Ausnahmegenehmigung große Umstände verursacht oder ihnen ein anderes Verhalten abverlangt.

Anders gesagt: Wir können nicht einfach alle Regelungen lockern und Wölfe umfassend bejagen, um wie auch immer definierte wolfsfreie Gebiete zu schaffen. Auch wenn es mehr Arbeit macht und gegebenenfalls umständlicher ist, müssen wir bessere Lösungen finden und mit dem Wolf wieder zusammenleben.

Was braucht es also statt platten Wolfsbashings? – Wir können und müssen die Tierhalter*innen und Landwirte unterstützen, mit dem Wolf leben zu lernen. Dazu gehören die Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen inklusive der zusätzlichen Arbeit, die schnelle Überprüfung und auch Entschädigung, wenn es einen Riss gegeben hat. Zugegeben: Hier ist sicherlich manchmal mehr Geschwindigkeit möglich. Auch die konsequente Anwendung der Wolfsverordnung des Landes inklusive der gezielten Abschreckung sowie als Ultima Ratio das Abschießen einzelner übergriffiger Wölfe gehören dazu.

Wir müssen den Weidetierhaltern echte Lösungen anbieten, statt Scheingefechte zu führen. Wir lassen sie nicht alleine, bieten allerdings auch keine Placebo-Lösungen à la FDP.

Wir stimmen der Überweisung in den Ausschuss dennoch zu und freuen uns auf die dortige fundierte Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

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