Dr. Gregor Kaiser (GRÜNE): Das ginge auch, lieber Oliver. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir vor einigen Monaten auf Antrag der FDP hier über die vertikale Landwirtschaft diskutiert haben, kommen wir nun zu einem weiteren hippen Thema, nämlich der Aquaponik.
Herr Brockes, Sie haben das System gerade ausgiebig vorgestellt. Daher spare ich mir das.
In Ihrem Antrag machen Sie zweierlei. Im ersten Teil beschreiben Sie das Thema und dessen angebliche Bedeutung. Sie beschreiben die Vorteile, wie toll die Möglichkeiten seien und dass es überall Hemmnisse gebe, die dem kurz vor der Tür stehenden Durchbruch im Wege ständen.
Die Forderungen an die Landesregierung nutzen Sie dann aber, um weit über die Aquaponik hinauszugehen. Ihnen geht es im Kern nicht um Aquaponik, sondern um eine neue technologische Landwirtschaft in allen Bereichen, die nichts mehr mit der Bewirtschaftung von Acker, Grünland, Fischerei oder bäuerlicher Tierhaltung zu tun hat.
(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])
Das gipfelt letztlich in der Forderung – das wurde schon angesprochen –, sogenannte Freiheitszonen einzurichten. In diesen herrsche – Ich zitiere – „… ein geringerer Regelungsgrad […] zur Erprobung […] neuartiger […] Landwirtschaftsmodelle …“ Mit Verlaub: Für mich klingt das nach rechtsfreien Räumen. Das kann und sollte nicht die Lösung sein.
(Dietmar Brockes [FDP]: War zu erwarten!)
Ihnen geht es im Kern um eine liberalisierte Landwirtschaft mit Biotechnologie, wahrscheinlich auch Gentechnologie und kapitalintensivem Input. Sie wollen anscheinend auch noch die letzten Landwirte vom Acker haben
(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])
und nutzen als Alibi für Ihre Ziele die Argumentation des Klimaschutzes und des reduzierten Wasserverbrauchs. Das alles können wir schon haben. Klimaschutz erreichen wir auch mit ökologischem Landbau. Der stärkt außerdem die Strukturen im ländlichen Raum.
Schauen wir uns Ihren Antrag näher an. Angeblich ist bei der Aquaponik alles positiv. Die Politik müsse nur die Strukturen liberalisieren, Dokumentationspflichten reduzieren, die Landesbauordnung verändern und ein Netzwerk zum Austausch organisieren. Angeblich gewinnt die Aquaponik – ich zitiere – „in Nordrhein-Westfalen zunehmend an Bedeutung.“
Schaut man jedoch genauer hin, findet sich ein Vorzeigeprojekt in Dortmund und vielleicht noch eins in Aachen, und das war es auch schon. Wenn alles so schön erfolgreich wäre, wie Sie es schildern, dann müsste es digital von Projekten in NRW nur so wimmeln, und Sie brauchten nicht auf ein Vorzeigeprojekt in Berlin zu rekurrieren.
Die Landesbauordnung wurde gerade schon angesprochen. Sie selbst schreiben, dass es die Möglichkeit zur Nutzungsänderung durch die Kommunen im Rahmen der sogenannten Innovationsklausel gebe. Eine Verlängerung der Genehmigung auf 24 Monate senkt jedoch nicht das Investitionsrisiko. Die kommunalen Spitzenverbände weisen zu Recht darauf hin, dass in Fällen, in denen keine weitere Genehmigung möglich ist, ein Rückbaubedarf besteht. Für die FDP klingt Liberalisierung natürlich immer gut, in der Praxis bringt sie jedoch nicht immer etwas.
Wichtig ist, dass Sie Ihre Forderungen nicht nur auf die Aquaponik, sondern auf alle baulichen Anlagen beziehen. Damit gehen Sie in Ihrem Antrag deutlich zu weit.
Lassen Sie mich noch auf eine wichtige Schattenseite der Aquaponik eingehen; die möglichen positiven Seiten haben Sie, liebe Kollegen der FDP, ja schon in den Himmel gemalt. Aquaponik lässt sich im kleinen System umsetzen. Dann ist es ein Hobby. Sobald es aber um skalierbare und wirtschaftliche Maßstäbe geht, sprechen wir von großen Anlagen. Diese sind kapitalintensiv und verbrauchen vor Ort eine Menge Energie und Ressourcen. Außerdem ist bisher nicht geklärt, woher das benötigte Fischfutter kommt und wer sich solche Anlagen überhaupt leisten kann.
(Dietmar Brockes [FDP]: Dann haben Sie das System nicht verstanden!)
Herr Brockes, die große Frage, die hinter all den Innovationen steckt, die Sie hier vorantreiben wollen, lautet aber doch: Welchen Mehrwert bieten diese Systeme für die Landwirtschaft und für die Ernährungssicherung in Deutschland?
Erinnern Sie sich an die Anhörung zum Vertical Farming. In dieser haben die Sachverständigen darauf hingewiesen, dass es in Deutschland als Gunststandort eine sehr effiziente und produktive Landwirtschaft gibt, die wir nachhaltig und zukunftsfähig gestalten können und die die Ernährungssicherheit in Deutschland garantiert.
Hochtechnisierte Systeme wie Vertical Farming oder auch Aquaponik können für bestimmte Regionen sicherlich einen Beitrag zur Welternährung bzw. zur Ernährungssicherung leisten. Hier vor Ort sollten wir uns aber auf den Umbau unserer Produktion hin zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft fokussieren. Dabei gehört der ökologische Landbau sicherlich an die erste Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Daher muss ich gestehen, dass ich ein wenig skeptisch bin. Mir wäre es lieber, wir würden über die traditionelleren Systeme wie die Fischzucht oder den immer weiter zurückgehenden Gemüseanbau in NRW sprechen, statt über eine Hightech-Industrieproduktion.
Natürlich stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss zu und freuen uns auf die Diskussion dort. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Korth [CDU])