Dr. Gregor Kaiser: „Es wird mit der Karte nicht gelingen, vorhandene ausländerrechtliche Herausforderungen zu lösen“

Zum Entwurf der FDP-Fraktion zum Asylbewerberleistungsgesetz - zweite Lesung

Portrait Gregor Kaiser - klein

Dr. Gregor Kaiser (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es wurde schon gesagt: Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Male mit der Bezahlkarte und damit, aufgrund einer Gesetzesinitiative der FDP die Opt-out-Regelung aus dem Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen wieder herauszustreichen.

Mittlerweile haben aber über 70 Kommunen in NRW von dieser Opt-out-Regelung aus verschiedenen Gründen Gebrauch gemacht. Das heißt, es scheint wirklich Bedarf zu geben und die kommunale Demokratie zu beleben.

Die einen haben Opt-out gewählt, weil sie sowieso kein Bargeld an Geflüchtete auszahlen, sondern die ihnen zustehenden Leistungen auf ein Girokonto überweisen, auf das jeder und jede Volljährige in Deutschland einen Anspruch hat.

Die anderen haben Opt-out gewählt, weil sie den genannten Verwaltungsaufwand nicht tragen wollten, denn die Bereitstellung eines zweiten Verfahrens neben der Girokarte kostet Zeit, es kostet die Kommunen Geld, und es erfordert eine andere EDV und zusätzliche Schulungen. Bei 20 bis 30 Personen – so wie in unserer Kommune –, die eine Bezahlkarte erhalten würden, ist der Aufwand den Bürgermeisterinnen, Verwaltungen oder Räten teilweise einfach zu hoch.

Wieder andere haben grundsätzliche menschenrechtliche Bedenken gegen die Einführung der Karte.

(Ralf Witzel [FDP]: Menschenrechtliche Bedenken?)

Auch die prognostizierte Wirksamkeit, nämlich die Abschreckung, sehen sie nicht.

Trotz alledem begehrt die FDP – eine Partei, die den Abbau der Bürokratie ansonsten immer propagiert – mit diesem Gesetzentwurf, die Opt-out-Regelung zu streichen und kommunale Handlungsmöglichkeiten einzuschränken. Mit der Bezahlkarte wird aus unserer Sicht zusätzliche Bürokratie eingeführt. Das wird von vielen Verwaltungen bestätigt. Verwaltungen werden zusätzlich belastet, und es werden zusätzliche Kosten verursacht.

Auch die Ergebnisse der Anhörung zu diesem FDP-Gesetzesinitiative waren deutlich. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus einer Stellungnahme der Stadt Schwerte.

„Die Opt-out-Regelung trägt dem verfassungsrechtlichen Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung Rechnung.“

Und:

„Eine Abschaffung […] wäre zum jetzigen Zeitpunkt weder rechtlich geboten noch sachlich notwendig.“

Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Flüchtlingsräte und Kirchen stehen der Einführung der Bezahlkarte sehr kritisch gegenüber. Sie befürchten eine diskriminierende und integrationshemmende Wirkung. Durch die Bezahlkarte werden Geflüchtete – so die Position der Genannten – stigmatisiert, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird erschwert, und die Lebensführung der Menschen wird durch die eingeschränkten Funktionalitäten der Karte beschnitten.

Sicherlich kann man als positiv werten, dass bestimmte Dinge – zum Beispiel das Glücksspiel – nicht über die Karte abgewickelt werden können. Allerdings wird es mit der Karte nicht gelingen, vorhandene ausländerrechtliche Herausforderungen zu lösen.

Als Integrationspolitiker kann ich Ihnen aber auch sagen – Silvia Gosewinkel hatte das eben auch schon angedeutet –, dass Integration, Miteinander, Zusammenhalt und Gleichberechtigung durch eine solche Karte nicht verbessert werden. Mir sei an dieser Stelle daher auch gestattet, darauf hinzuweisen, dass es allein aus utilitaristischen Gründen notwendig ist, dass mehr Menschen nach Deutschland kommen. Wir brauchen eine Nettozuwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr. Sonst funktioniert kein Krankenhaus, kein Pflegeheim, kein Industriebetrieb, kein Gemüsebau.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Nicht von Leuten, die eine Bezahlkarte brauchen!)

– Sie verstehen es sowieso nicht. Lassen Sie mich deswegen einfach ausreden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn sich in unserem Land weiterhin eine solche feindliche Stimmung ausbreitet, wenn in unserem Land Rechtsradikale und AfD weiterhin Stimmenanteile von 10 % oder mehr bekommen,

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

wenn es der demokratischen, der integrierenden Gesellschaft hier im Saal links von der AfD nicht gelingt,

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

ein menschliches NRW zu vermitteln und einen Integrationswillen auszustrahlen, dann wird die wirtschaftliche Zukunft schwierig sein – oder eben nicht machbar.

(Markus Wagner [AfD]: Wo sind denn Ihre Fachkräfte?)

Die Opt-out-Regelung ist eine Maßnahme, in kommunaler Verantwortung humane Antworten zu geben. Es ist gut, dass die Landesregierung diesen Weg gegangen ist. Wir lehnen die Gesetzesinitiative der FDP daher ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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