Dr. Birgit Beisheim: „Wir sind unterwegs in diesen High-Tech-Feldern; wir sind breiter aufgestellt als früher“

Antrag der CDU zum Europäischen Investitionsplan

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Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gehofft, dass die Kollegen der CDU die Debatte im letzten Plenum über die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen genutzt hätten, denn der Kollege Laschet hatte nach seinem rhetorischen Ausflug auf den Mond angekündigt – ich denke, der eine oder die andere wird sich erinnern –, eine schonungslose Analyse zu liefern.
Aber zu einer solchen seriösen Auseinandersetzung, die ich hier wieder an dieser Stelle vermisse – das muss ich so sehen –, gehört auch, dass wir differenzierte Betrachtungen heranziehen, um sich ernsthaft miteinander unterhalten zu können – ernsthaft darüber unterhalten zu können, welche Maßnahmen tatsächlich notwendig sind, um im Rahmen der Energiewende, des Strukturwandels und der Digitalisierung tatsächlich nach vorne zu kommen. Dazu liefert dieser Antrag wiederum keinen Beitrag.
Auch in anderen Regionen, die nicht erst seit ein paar Jahren in der Wirtschaftskraft vor Nordrhein-Westfalen liegen, die aber auch nicht einen so immensen Umbruch wie unseren Strukturwandel zu bewältigen hatten, hat man zu Recht erkannt, dass eine zu starke Ausrichtung auf klassische Wirtschaftsbranchen wie den Werkzeug- und Maschinenbau, die Energiewirtschaft sowie die Automobilindustrie für jeden Wirtschaftsstandort gefährlich sein können. Denn – da sind wir uns, denke ich, einig – Zukunftsfelder und Hightechfelder liegen auch nach Studien des Fraunhofer-Instituts in Bereichen wie neue Materialien, Optik, Sensorik, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik oder auch in anderen wichtigen Bausteinen – alles wichtige Bausteine der Leitmarkt- und Innovationsstrategie dieser Landesregierung. Insofern sind wir hier auf einem guten Weg.
Auch die Industrie- und Handelskammer hat 2014 zur Innovationsstrategie des Landes richtig gemerkt – ich zitiere –:
Die Innovationsstrategie setzt mit ihrem Bekenntnis zur Industrie den richtigen Hebel an.
– Herr Wüst, hören Sie jetzt vielleicht einmal kurz zu!
Bezogen auf den Strukturwandel, den Sie manchmal etwas belächeln: Da sich der Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren fortsetzen und weitere Branchen erfassen wird, bleibt die Notwendigkeit bestehen, mit Forschung und Entwicklung auf den Wandel zu reagieren und neue Wachstumsfelder zu erschließen. Genau dieses ist Aufgabe der Landesregierung. Und wir als rot-grüne Fraktion sind dem auch nachgekommen.
Denn bei allen notwendigen politischen Unterstützungen muss man auch eines immer klar haben: Politik löst die Innovation nicht wirklich aus, sondern die Unternehmen müssen es unternehmerisch umsetzen. Und dabei können wir sie unterstützen. Wir können die Prozesse moderieren, wir können sensibilisieren, und wir können im Zusammenspiel mit den Vertretern der Unternehmen und den Gewerkschaften gemeinsam zu den richtigen Weichenstellungen beitragen.
Deshalb schaut man – das ist vielleicht für einige auch verwunderlich – mittlerweile aus Baden-Württemberg Richtung Nordrhein-Westfalen – und das sehr intensiv, und zwar genau auch auf eine Region, auf die Metropolregion Rhein/Ruhr, um zu schauen, wie man sich im Wettbewerb um die zukünftige Führerschaft in den Zukunftsbranchen richtig aufstellen kann.
Wir sind unterwegs in diesen High-Tech-Feldern; wir sind breiter aufgestellt als früher. Das ist meiner Meinung nach genau der Punkt, an dem wir weitermachen müssen, und das wird letzten Endes zum Erfolg führen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie dagegen wollen die Unternehmen quasi in eine Kapsel einpacken und sie vor jedem äußeren Einfluss beschützen. Wir hingegen wollen, dass die Wirtschaft in die Lage versetzt wird, sich auf neue Herausforderungen vorzubereiten und sie aktiv zu unterstützen.
Genau das geschieht in Baden-Württemberg, obwohl Baden-Württemberg viel weiter vorne ist – das wird auch noch länger der Fall sein –, was die Wirtschaftskraft betrifft. Aber auch dort muss man sich auf den anstehenden Wandel vorbereiten, der sicherlich vor allem durch die Digitalisierung vorangetrieben wird.
Ich möchte noch einmal auf Ihren Antrag zurückkommen. Vielleicht wäre es gut gewesen, Sie hätten sich im Vorfeld zunächst bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern kundig gemacht. Dann wüssten Sie nämlich, dass bundesweit bislang kaum Projekte unterzeichnet wurden und dass sich die Begeisterung der anderen Landesregierungen in Grenzen hält. Das gilt auch für das gelobte Land Bayern, das wir so häufig als leuchtendes Beispiel von Ihnen vorgeführt bekommen: Auch dort hält sich das Interesse am Europäischen Investitionsfonds in Grenzen.
Über einige Fakten ist bereits berichtet worden; aber lassen Sie mich an einer Stelle noch ein paar vertiefende Gedanken ausführen. Bei der Vorstellung des Investitionsfonds Ende 2014 und in den Debatten darüber Anfang 2015 hatte auch ich gedacht: Ja, jetzt ist die EU auf dem richtigen Weg; sie denkt in die richtige Richtung – weg von der reinen Sparpolitik, hin zu einem Fokus auf Investitionen.
Bei der näheren Analyse entpuppte sich das Ganze jedoch nicht als reiner Investitionszuschuss, sondern es ist ein ziemlich komplexes Gebilde mit einer Garantiesumme – Frau Müller-Witt hat es ja auch schon gesagt – von 21 Milliarden €, und die sind zudem nur zur Hälfte mit Haushaltsmitteln hinterlegt. Vor allem werden sie zur Risikoübernahme verwendet.
Also – ich hoffe, meine Zahl stimmt – sind es reale 13 Milliarden €, und am Ende sollen daraus 315 Milliarden € an Investitionen generiert werden. Das wurde und wird angezweifelt. Ich will zwar nicht so weit gehen, aber gelegentlich war schon die Rede von einem „Voodoo-Plan“ des Herrn Juncker. Schließlich muss man sehen: Da ist ein Hebel mit einem Faktor von 25 zugrunde gelegt. Hier muss man abwarten, ob das tatsächlich so umsetzbar sein wird.
Komplizierter wird das Gebilde auch dadurch, dass die Förderprogramme wie „Horizon“ zugunsten des Juncker-Plans gekürzt wurden, aber letzten Endes damit auch verwoben werden sollten. Zurzeit gibt es deutschlandweit vier unterzeichnete Projekte, darunter keines aus dem Bereich „Breitbandausbau“.
Das ist eine Zahl, die darauf hindeutet, dass die Finanzierungsstrukturen vielleicht doch nicht so attraktiv sind. Denn vor dem Hintergrund der akuten Geldschwemme auf dem Kreditmarkt spricht hinsichtlich der Finanzierung denkbarer Projekte einiges dafür, dass die Inanspruchnahme zinsgünstiger Kreditangebote vielleicht die bessere Alternative ist.
Ein weiterer Grund könnte darin bestehen, dass die Risikoabsicherung sich nicht auf alle Investorenanteile bezieht. Daher ist bei allen förderfähigen Projekten immer zu prüfen, ob nicht anderweitige Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sind. Genau dafür gibt es die Fachleute der NRW.BANK. Ich bin mir sicher, dass das bei den angemeldeten Projekten bereits getan wird und dass man am Ende auch Projekte aus Nordrhein-Westfalen identifizieren wird, für die dieser europäische Fonds die optimale Finanzierung darstellt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Ich bin zwar erst seit 2012 in diesem Landtag, aber eines weiß ich schon. Das sage ich direkt in Richtung Herrn Optendrenk, der ja im Haushalts- und Finanzausschuss diese Fragestellung aufgeworfen hat. Sie haben einige Fragen zu diesem Thema gestellt, aber Sie haben wahrscheinlich die Antworten nicht richtig verstanden.
Das nächste Mal könnten Sie ja noch etwas aktiver fragen, wenn Sie ein Investitionsfondsgebilde nicht verstehen. Darüber hinaus gibt es auch das Mittel der Kleinen Anfrage. So viel als Rat fürs nächste Mal. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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