Dr. Birgit Beisheim: „Wir müssen auch neue Begegnungsräume zwischen den etablierten Handwerksbetrieben und der digitalen Wirtschaft schaffen“

Abschlussbericht der Enquetekommission Handwerk

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Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freunde und Freundinnen des Handwerks! Ich glaube, dass einige von Ihnen, die in der Kommission nicht mit dabei waren, nach der Rede von Herrn Spiecker gar nicht verstanden haben, ob wir jetzt einen konsensualen Bericht vorgelegt haben oder nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber seien Sie versichert: Wir haben es geschafft, uns zum Wohle des Handwerks zu einigen. – Ich muss gestehen, wenn ich mir das Wahlprogramm der CDU im Bereich „Mittelstand und Handwerk“ ansehe, dann finde ich es eigentlich schade, dass ihr nicht auf diesen Bericht gewartet habt. Dann wäre das Programm nämlich besser geworden. Ich bin froh, dass wir diesen Bericht einvernehmlich und einstimmig verfasst haben, quasi als gutachterliche Hingabe schon für die nächste Wahlperiode, versehen mit dem Auftrag, dass die dann bestehende Landesregierung ihn in ihr Regierungshandeln einwebt. Dieser Bericht ist sehr viel besser als das, was ich jemals im CDU-Original gelesen habe.
Deshalb möchte ich einen Dank sagen: Danke für die Zeit. Danke für alles, was ich lernen durfte. Danke auch, dass ich so viele Menschen treffen durfte, die mich ein Stück weitergebracht haben.
Wir haben uns alle aufgemacht, das Handwerk dabei zu unterstützen, dass es sich an die veränderten Strukturen anpasst. Wenn man diesen Satz noch einmal Revue passieren lässt, hört sich das vielleicht auch ein bisschen arrogant an. Wie kann eine solche Enquete-Kommission des Landtags dem Handwerk – den Spezialisten – Handlungsempfehlungen an die Hand geben? Das war sicherlich von Anfang an eine besondere Herausforderung; denn Handwerker und Handwerkerinnen dämmen nicht nur unser Dach und warten nicht nur unsere Heizung, sondern sie kochen regionale Küche mit regionalen Produkten, sie tragen täglich zum Klimaschutz und zur ressourcenschonenden Wirtschaft bei. Deshalb war es von Anfang an eine große Herausforderung – und da hatte Präsident Uhlenberg recht –, die Dinge herauszuarbeiten, bei denen man sagen kann: Das ist etwas, was wir gemeinsam vertreten können, um das Handwerk wettbewerbsfähiger zu machen.
In einer Gesellschaft, die älter und digitaler wird, muss sich auch das Handwerk neu verorten. Dabei haben wir alle zusammen festgestellt, dass die aktuelle Konjunkturlage diesen Bemühungen entgegensteht. Das ist vielleicht ein Widerspruch – oder am Ende auch nicht –, weil die Konjunkturlage für das Handwerk gut ist. Noch nie ging es dem nordrhein-westfälischen Handwerk so gut wie heute. Wenn man in die Zukunft denkt, dann hat man es immer mit der Krux zu tun, Investitionen zur richtigen Zeit zu tätigen und sich dann, wenn Geld verdient wird und die Auftragsbücher voll sind, die Zeit zur Weiterbildung zu nehmen. Das war eine der wichtigsten Botschaften, die wir senden wollten: Handwerker, macht euch jetzt, wo es euch gut geht, auf den Weg und beschäftigt euch mit den Herausforderungen der Megatrends, wie Digitalisierung und demografischer Wandel.
Wir sehen das Handwerk als Schnittstelle zwischen den Herstellern moderner, digitaler Technologien und den Endkunden. Handwerkerinnen und Handwerker sind treibende Kräfte für Innovation, nicht nur in den Bereichen Bau und Ausbau, sondern auch im Kfz-Gewerbe sowie im Lebensmittelgewerbe oder auch bei allen Produkten des persönlichen Bedarfs. Man kann dem Handwerker oder der Handwerkerin im Grunde gar nicht entkommen. Handwerk bringt Zukunft zu dir nach Hause. Wenn das Handwerk nicht in die Lage versetzt wird, dann findet Zukunft bei dir zu Hause eben nicht statt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im Handwerk gibt es auch zunehmend Dienstleisterinnen und Expertinnen, die die Kundschaft bestens im Bereich energetischer Gebäude oder auch in anderen Bereichen beraten. Diese erweiterte Themenvielfalt in der Beratung muss sich auch in dem Qualifikationsangebot für die Beraterinnen und Berater des Handwerks niederschlagen. Deswegen muss es das Ziel sein, die Zahl der vorgesehenen Weiterbildungstage zu vergrößern und die Möglichkeiten der Weiterbildung nicht nur auf die Angebote zu beschränken, die das Handwerk selbst vorhält, sondern auch darüber nachzudenken, wie man zukünftig auch Universitäten zur Weiterbildung des Handwerks nutzen kann. Lebenslanges Lernen wird für uns alle zukünftig ein wichtiger Baustein in der beruflichen Karriere sein.
Durch den Einsatz neuer Technologien und die digitale Vernetzung von Zulieferern, Herstellern und Kundschaft bei den Produktionsprozessen können Wertschöpfungsketten effizient, ressourcenschonend und ökologisch regional gestaltet werden. Deshalb wäre es sinnvoll – darüber haben wir im Rahmen von Wirtschaftsdebatten schon häufig diskutiert –, dass die digitale Welt und die praktische Welt zusammenkommen. Wir müssen neue Begegnungsräume zwischen den etablierten Handwerksbetrieben und der digitalen Wirtschaft schaffen, zum Beispiel mittels Showrooms. Diskutiert haben wir auch einen „Zukunftscampus Handwerk“.
Herr Minister Duin und ich hatten das Vergnügen, ein FabLab in der Fachhochschule Niederrhein zu besuchen. Das ist quasi eine offene Werkstatt, in der das Handwerk ganz neu digitale Techniken erlernen, ausprobieren und sich weiterbilden kann. Ein sogenannter MakerSpace ermöglicht Kindern und Jugendlichen schon sehr früh, dort mit der Berufswelt des Handwerks und mit Techniken in Kontakt zu kommen. Das heißt, Handwerk muss neue Wege gehen, um die Fachkräfte von morgen zu sichern. Die Landesregierung hat sich während der letzten fünf Jahre schon aufgemacht, das Handwerk entsprechend zu unterstützen. Die aktuellen Entwicklungen bei den Berufswünschen von Jugendlichen haben wir so verstanden, dass es im Grunde keinen Sinn macht, über das Wort „Akademisierungswahn“ zu diskutieren oder darüber nachzudenken, wie wir das Ganze zurückführen könnten.
Vor ein, zwei Jahren hat bei den Industrie- und Handelskammern noch jemand wie Herr Prof. Nida-Rümelin einen Vortrag gehalten. Wir haben aber festgestellt, dass wir in anderer Art und Weise auf die Bedürfnisse der heutigen Jugend und ihren Wunsch nach akademischer Bildung eingehen müssen. Das ist zugleich eine Notwendigkeit, weil die Kompliziertheit der heutigen Berufe zugenommen hat. Manche Handwerke kann man gar nicht mehr in einer dreijährigen Ausbildung erlernen.
Ziel muss es werden, die Ausbildung zum praktischen Problemlöser quasi mit dem Bachelor zum theoretischen Problemlöser zu verbinden. Eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode wird sein, solche Möglichkeiten im Zuge einer neuen gemeinsamen Zusammenarbeit in der Hochschullandschaft zu implementieren.
Wichtig ist natürlich auch immer das Thema „Frauen“. Wir als grüne Landtagsfraktion haben schon sehr früh die Frauen des Handwerks beteiligt, und zwar mit Recht, denn es gilt nicht nur die veraltete Vorstellung der mitarbeitenden Frau, sondern heute machen sich auch Handwerkerinnen selbstständig. Sie haben aber besondere Ansprüche an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie an die Kinderbetreuung. Deswegen unterstützen wir die Forderung der Handwerkerinnen nach Betriebs- und Familienhilfe, zum Beispiel für den Fall der Erkrankung oder auch für den Fall, dass sie Angehörige pflegen müssen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin …
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Ich komme jetzt zum Schluss.
Insgesamt haben wir festgestellt, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen; Herr Kollege Thiel hat es bereits ausgeführt. Wir haben erfolgreiche Projekte auf den Weg gebracht, wie die Handwerksinitiative 2.0 oder auch den KUER-Gründungswettbewerb. Wir müssen also weiterentwickeln oder so etwas wie die InnovationsGutscheine Handwerk NRW wiederbeleben. Auch das ist ganz klar herausgearbeitet worden.
Es bedarf also nicht eines Neuansatzes, wie es der Herr Kollege Spiecker gefordert hat, sondern die guten Dinge, die wir auf den Weg gebracht haben, müssen weitergeführt werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU) 

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