Dr. Birgit Beisheim: „Sie zeichnen in Ihren Anträgen ein Bild unseres Landes, was sich mit der Realität überhaupt nicht deckt.“

Anträge von CDU und FDP zu Unternehmensgründungen

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hafke, ich weiß, dass Sie aus einem Haushalt von Selbstständigen kommen, aber nach Ihren Ausführungen muss ich sagen: Sie haben über Gründungen gesprochen wie der Blinde von der Farbe. Das tut mir wirklich leid.
(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Oh! Oh! Oh!)
Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass die FDP vor einiger Zeit eine Große Anfrage mit insgesamt 286 Fragen gestellt hat, um sich ein Bild über die wirtschaftliche Lage des Landes Nordrhein-Westfalen zu machen. Alle 286 Fragen sind von der Landesregierung detailliert und präzise beantwortet worden. Man sollte zumindest davon ausgehen können und der Würde dieser Arbeit dadurch gerecht werden, dass man sich auch einmal mit diesen Antworten beschäftigt.
Die vorliegenden Anträge von FDP und CDU legen aber den Eindruck nahe, dass sich keine Fraktion und somit keiner von Ihnen wirklich die Mühe gemacht hat, sich mit diesen Antworten auseinanderzusetzen.
Sie zeichnen in Ihren Anträgen ein Bild unseres Landes, was sich mit der Realität überhaupt nicht deckt.
Ich möchte damit anfangen, dass in Nordrhein-Westfalen Gründung nicht nur im Wirtschaftsministerium gefördert wird, sondern wir in Nordrhein-Westfalen mittlerweile schon sehr früh damit anfangen, nämlich bereits in der Schule.
Ich möchte Sie ganz stark an das Netzwerk für Wirtschaft und Schule erinnern, aber auch daran, dass wir mittlerweile den Genossenschaftsgedanken in die Schulen hineintragen und über Schülergenossenschaften diese andere Welt der solidarischen Ökonomie als Teil der Bildungsarbeit haben wahr werden lassen.
So schreibt die FDP in ihrem Antrag, dass in NRW endlich Impulse für Wachstum und Beschäftigung gesetzt werden müssten und es nicht zu erkennen sei, dass das Land in puncto Gründung gegenüber anderen Ländern wie Hessen oder Rheinland-Pfalz aufholen würde.
(Beifall von der FDP)
– Es sei nicht zu erkennen, dass wir aufholen. Ich möchte Sie nur daran erinnern – wenn man lesen kann und die Presse von gestern und vorgestern verfolgt, dann können Sie aus der Antwort der Landesregierung von damals entnehmen –, dass sich die Gründerquote seit Mitte der neunziger Jahre um insgesamt 10,3 Punkte bis heute erhöht hat. Somit ist der Abstand verkleinert worden. Nach jüngsten Mitteilungen ist dieser nicht nur verkleinert worden, sondern wir sind ziemlich weit an die Spitze gekommen. Die Zahl der Unternehmensgründungen bleibt auch auf diesem Kurs.
(Marcel Hafke [FDP]: Warum sind wir dann so schlecht?)
Ich glaube, dass Ihre Wahrnehmung darauf beruht, dass Sie keine Fakten brauchen, um sich eine Meinung zu bilden. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, warum Sie so einen Redebeitrag leisten.
Natürlich müssen wir immer schauen, wo es noch Verbesserungs- oder Änderungsbedarfe gibt. Das ist keine Frage, und das tun wir aktuell auch sehr gezielt, zum Beispiel bei der Gründungsförderung im Handwerk. Hier kann ich Sie auf unseren Antrag aufmerksam machen. Der Eindruck, den CDU und FDP hier zu vermitteln versuchen, wir hätten keine Gründungskultur und würden die Gründer im Stich lassen, ist schlichtweg realitätsfern.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hafke zulassen?
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Ja, sehr gerne.
Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben jetzt relativ lange ausgeführt, dass wir davon angeblich gar keine Ahnung hätten. Das nehme ich jetzt einmal so zur Kenntnis.
Es würde mich interessieren, wie Sie sich die Fakten, die es ja nun einmal gibt, erklären. Insbesondere beim GE-Monitor werden 26 innovationsbasierte Länder gemessen. Hier liegen Deutschland und somit auch Nordrhein-Westfalen auf dem 22. Platz. Die Selbstständigenquote in Nordrhein-Westfalen ist unterdurchschnittlich im Bundesländervergleich, und das Gründungsklima in Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich zu anderen Bundesländern ebenfalls unterdurchschnittlich. Wie erklären Sie sich das, wenn alles so rosarot ist, wie Sie das gerade ausgeführt haben?
(Beifall von der FDP)
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Die neuesten Zahlen zeigen, dass das Gründungsgeschehen hier nicht unterdurchschnittlich ist. Man muss sich aber differenziert anschauen, welches Gründungs…
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wo sind denn die Zahlen?)
Was wir in Nordrhein-Westfalen brauchen, ist letzten Endes eine Gründung, die darauf beruht, dass wir solide sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Da haben wir in weiten Teilen des Landes ein Manko.
Wenn Sie hier immer auf diese hipp-hippe Start-up-Szene abheben, dann kann ich nur sagen, dass sich wirkliche Gründungsförderung auf ein großes breites Gründungsgeschehen bezieht, nämlich von der von außen manchmal hipp-hipp anmutenden Start-up-Szene bis hin zum einfachen Handwerk. Deshalb brauchen wir einen breiten Instrumentenkoffer. Diesen breiten Instrumentenkoffer, den liefern wir auch.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wie denn?)
Ich gebe Ihnen aber recht, dass wir letztendlich den Zugang von Gründern zum Kapital verbessern müssen. Dabei gibt es im Endeffekt folgende Problematiken: Es existieren Zugangshemmnisse, zum Teil aufgrund von Informationsdefiziten – darauf haben Sie auch hingewiesen –, teilweise aber auch auf beiden Seiten der Kapitalgeber. Das heißt, wenn Sie zu einer Bank gehen, haben Sie auch dort manchmal Berater sitzen, die nicht den gesamten Instrumentenkoffer beherrschen.
Natürlich ist es auch wichtig, dem Gründer vernünftige Informationen an die Hand zu geben. Denn eines ist klar: Gründung ist letzten Endes immer mit einem Risiko behaftet. Um dieses Risiko zu minimieren, muss jeder Gründer bereit sein, sich Hilfestellung zu holen.
(Marcel Hafke [FDP]: Keine Ahnung!)
Die bestehenden Angebote sind aus meiner Sicht gut, wenn auch verbesserungsbedürftig. Lassen Sie uns die Zeit im Ausschuss nutzen, um darüber zu diskutieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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