Dr. Birgit Beisheim: „Ohne eine Vernetzung der Verkehrsmittel wird es keinen nennenswerten Ausbau der Elektromobilität geben“

Antrag der CDU zu Elektromobilität

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Müller-Witt hat bereits auf die erfolgreichen Projekte und Forschungsergebnisse der letzten Jahre bezogen auf Elektromobilität hier in Nordrhein-Westfalen hingewiesen.
Gestatten Sie mir jedoch, noch einen Gedanken von Minister Duin aus der letzten Ausschusssitzung aufzugreifen. Zusammengefasst hat er gesagt, dass die bisherigen Erfolge kein Grund dafür sind, nicht noch besser zu werden.
Sicherlich, Herr Kufen, ich erkenne Ihre Bemühungen an, Elektromobilität als Chance zum Ausbau umweltfreundlicher Mobilität fördern zu wollen. Aber dieser Antrag – und da gebe ich Frau Müller-Witt vollumfänglich recht – hilft uns dabei nicht weiter.
Elektromobilität – darüber haben auch schon gesprochen – ist ein klassisches Querschnittsthema, das sich über viele Politikfelder hinweg erstreckt. Allein der Name „Fahrzeug“ täuscht im Grunde über einen Zustand hinweg, der unzutreffend ist. Passender wäre es, das Ganze nicht „Fahrzeug“ zu nennen, sondern „Stehzeug“.
Das trifft ja nicht nur auf Autos zu, sondern streikbedingt bis zum Sonntag auch auf Züge. Privat genutzte – ich nenne sie jetzt mal so – Stehfahrzeuge warten zum einen die meiste Zeit des Tages auf ihre Beweger, zum anderen stehen wir gerne auch gemeinsam mit ihnen im Stau.
Dieses vielleicht etwas lustig anmutende Bild verdeutlich das eigentliche Problem, nämlich: Elektromobilität allein löst nicht die Probleme des Individualverkehrs. Schon heute zeigt uns ein geändertes Nutzungsverhalten gerade von jungen Leuten, dass die Frage nach der Art des Verkehrsmittels immer mehr an Bedeutung verliert. Wichtiger ist vielmehr die Frage: Wie komme ich bequem und effizient von A nach B?
Zusammengefasst bedeutet das für mich: Ohne eine Vernetzung der Verkehrsmittel wird es keinen nennenswerten Ausbau der Elektromobilität geben. Das heißt: Der zielgerichtete Ausbau der Elektromobilität ist eine komplexe Aufgabe und muss demzufolge mehrere Faktoren gleichzeitig berücksichtigen.
Das hat im Übrigen auch die Auswertung der Anhörung ergeben. Es ist also nicht trivial, bezogen auf einen Zeitraum von sicherlich 20, 30 Jahren heute schon das Richtige zu tun. Aus der Anhörung ergaben sich auch gute Hinweise darauf, in welche Richtung es gehen könnte.
Wirtschaftlich ist Mobilität – bildlich gesprochen – nur dann, wenn aus Stehfahrzeugen echte Fahrzeuge werden. Das hat die Anhörung auch gezeigt: Es ist wirtschaftlich sinnvoll, dort anzufangen, anzupacken und weiter zu fördern, wo lange Wege zurückgelegt werden oder wo viele Menschen gleichzeitig bewegt werden müssen.
Bei allen Konzepten muss verhindert werden, dass man Nachteile bewusst oder unbewusst ausblendet. Ein klassisches Negativbeispiel für solche bewusst ausgeblendeten Nachteile ist für mich immer wieder die Energiesparlampe. Da hat man schlichtweg vergessen, den gesamten Ressourcenrucksack mit zu berücksichtigen, einschließlich der Entsorgungsfrage der quecksilberhaltigen Leuchtmittel. Wir fragen uns heute alle zu Recht: Wie konnte das geschehen? Das darf beim Ausbau der Elektromobilität jedenfalls nicht passieren.
Gerade der Referentenentwurf der Bundesregierung bezogen auf das Elektromobilitätsgesetz, das Sie vorhin angesprochen haben, macht mir an der einen oder anderen Stelle – das muss ich sagen – schon Kummer. Da wird Elektromobilität definiert, bezogen auch auf Hybridfahrzeuge, oder es wird über Privilegierungen in Form von Parkplatzzuweisungen oder Busspuren nachgedacht.
Es muss jedoch schlichtweg vermieden werden, dass aufgrund von Definitionen per Gesetz zum Beispiel die Besitzerin eines VW Eco-Up! mit einem Erdgasmotor, der einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von circa 79 Gramm pro Kilometer hat, von einem Mercedes S 500 Hybrid auf der Busspur überholt wird, der einen wesentlich höheren CO2-Ausstoß hat, nämlich im Durchschnitt sicherlich 200 Gramm pro Kilometer.
Das heißt: Es gibt komplexe Fragestellungen, die komplexe Lösungen brauchen. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung mit der angekündigten weiterentwickelten Elektromobilitätsstrategie der Breite der Fragestellung Rechnung trägt. Ich freue mich auf die Debatte, die nach der Vorstellung der Elektromobilitätsstrategie anbrechen wird. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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