Dr. Birgit Beisheim: „Für uns ist das eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“

Antrag der FDP zur Aussetzung der Mietpreisbremse

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Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Herrn Ellerbrock versprochen, mich zu bemühen, dass ich mich auf den Antrag beziehe und sachlich bleibe, obwohl es mir – das muss ich gestehen – bei dem Thema ein wenig schwerfällt, weil ich glaube, dass Sie als FDP-Fraktion die Sorgen, die die Menschen haben – unbezahlbaren Wohnraum –, nicht ernst genug nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zum Kollegen Haußmann: Wir waren ja – das hat Kollegin Philipp auch gesagt – in der Schweiz. Dort haben wir uns auch Wohnungen angeschaut. Es ging da auch um ein Projekt im Bereich des bezahlten Wohnungsbaus. Da waren Energieeinsparung und andere Dinge wie rollstuhlgerecht, barrierefrei überhaupt kein Thema. Es ist selbstverständlich, dass in der Schweiz so gebaut wird. Auch bei uns sind diese Standards in dieser Größenordnung auch sinnvoll und richtig.
Diese Beispiele in der Schweiz haben uns gezeigt, dass man nicht nur kostengünstig bauen kann, sondern auch unter Einhaltung ausreichender Standards im Bereich Energie und im Bereich der Barrierefreiheit.
Ich will auf die Aussage der Kollegin Philipps zurückkommen und diese noch einmal unterstreichen: Die Mietpreisbremseneinführung hatte keine negativen Auswirkungen auf die Investitionstätigkeiten. Die sind nicht erkennbar. Und eine zeitlich befristete Mietpreisbremse ist dann gerechtfertigt, wenn sie so ausgestaltet wird, dass sie die Anreize für den Wohnungsbau nicht beschneidet. Genau diesem Aspekt wurde mit der Einführung der Mietpreisbremse Rechnung getragen. Der Neubau und die umfassende Modernisierung wurden extra ausgenommen, um Investitionsanreize im Wohnungsbau zu erhalten.
Seit Jahren sind die privaten Investoren mit einem Drittel, Herr Kollege Ellerbrock, die stärkste Investorengruppe im geförderten Wohnungsbau. Ihre Behauptung, dass Investitionen von privaten Investoren unerschlossen blieben für den geförderten Wohnungsbau, ist nicht zutreffend. Für uns ist es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, ob sich jede Frau und jeder Mann eine Wohnung in den Ballungszentren von Köln, Münster oder Düsseldorf leisten kann.
(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])
Bis zur Schaffung von ausreichendem Wohnungsbau ist die Mietbegrenzungsverordnung ein notwendiges Instrument. Sicherlich ist dieses Ziel noch lange nicht erreicht. Daher müssen wir die Diskussion um die Wirksamkeit der Instrumente weiterführen. Ein Außerkraftsetzen, wie die FDP nun fordert, wird aber für keinen Investitionsschub sorgen, sondern lediglich zu weniger Schutz für Mieterinnen und Mietern führen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vor dem Hintergrund, dass die Baupreise in Nordrhein-Westfalen im Bundesvergleich niedrig sind – darauf hebt auch der Antrag, den die FDP vorgelegt hat, ab –, macht es keinen Sinn zu behaupten, Nordrhein-Westfalen sei ein Hochsteuerland. Der geltende Grunderwerbsteuersatz in Nordrhein-Westfalen muss mit dem Baupreisindex in Zusammenhang gesetzt werden. Und der Baupreisindex ist extrem niedrig bzw. niedriger als im Durchschnitt der Bundesländer. Und die extrem niedrigen Kapitalmarktzinsen kompensieren die gestiegenen Steuern um ein Vielfaches.
Die Anreize, die durch das Wohnungsraumförderprogramm des Landes gesetzt werden, muss ich hier nicht noch einmal darlegen. Das ist doch schon oft genug im Ausschuss und hier im Plenum diskutiert worden.
Zum Schluss will ich noch einmal auf die Anspielung, die dieser Antrag bezüglich der anstehenden Novelle der Landesbauordnung enthält, eingehen. Die Zuspitzung auf rollstuhlgerechte Wohnungen ist für mich eindimensional. Hier haben Sie das vielleicht etwas zu einseitig gesehen. Merken Sie sich bitte: Barrierefreiheit ist nicht gleich rollstuhlgerecht. Auch Mütter und Väter mit Kinderwagen oder ältere Menschen mit Gehhilfen sind auf barrierefreien Wohnraum angewiesen. Ich denke schon, dass gerade bei der älter werdenden Bevölkerung dem auch im Wohnungsbau Rechnung zu tragen ist.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen?
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Ich möchte zu Ende kommen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Also nein.
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Wir werden uns mit der vorgeschlagenen Regelung differenzierter auseinandersetzen, sicherlich, um auch hier zu guten Lösungen zu kommen. Wir werden die Baukosten im Blick haben, auch in der Auseinandersetzung mit Ihnen. Inhaltlich ist dieser vorliegende Antrag aber abzulehnen. Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Frau Kollegin, wenn Sie so nett wären, noch einen Augenblick vorne zu bleiben; denn die FDP-Fraktion hat gerade eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Ellerbrock angemeldet, der jetzt für 90 Sekunden das Wort bekommt.
Holger Ellerbrock (FDP): Frau Kollegin, damit eins völlig klar ist: Ich glaube, keiner in diesem Hause möchte behinderten oder mobilitätseingeschränkten Menschen einen angemessenen Wohnraum versagen. Das wollen wir mal festhalten. Umgekehrt gesagt: Wir wollen alle, dass das möglich ist.
Ich war zwar leider nicht mit in der Schweiz, aber ich war mit dem Ausschuss in Wien. Die österreichische Wohnungswirtschaft hat im Zusammenhang mit barriere- und rollstuhlgerechten Wohnungen ausführlich dargelegt, dass es nicht darum geht, flächendeckend solche Wohnungen anzubieten, sondern ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen. Dem würden wir uns auch nicht verweigern. Aber pauschal zu sagen, ab sechs Wohnungen eine barriere- oder rollstuhlgerechte Wohnung und ab 15 Wohneinheiten mindestens zwei, das geht am Bedarf vorbei. Die Landesregierung selbst hat mehrfach gesagt: Wir kennen den Bedarf selbst nicht. Das müssen wir erst einmal herausfinden. – Pauschal landesweit das festzulegen, ist der völlig falsche Weg. Ich bitte Sie, das in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen. – Danke.
(Beifall von der FDP)
Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sicherlich werden wir genau über diesen Punkt im Ausschuss diskutieren. Da gehört es ja auch hin.
In Gesprächen mit der Wohnungswirtschaft und auch durch den Besuch in der Schweiz habe ich festgestellt, dass es durchaus Sinn macht, von vornherein, bereits bei der Erstellung des Rohbaus, gewisse Vorkehrungen zu treffen, damit man hinterher keine teuren Arten von Umbauten hat. Das ist aber eine fachliche Diskussion, die man dann auch mit dem Kollegen Hausmann zu führen hat. Da können wir das Ganze sachlich erörtern und werden dann gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Ich bin aber sicher, dass man es von vornherein festlegen muss, weil es für mich Sinn macht, zum Beispiel Türbreiten, Zugänge usw. schon so zu bauen, dass man modular Grenzen verschieben kann. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, die man vortrefflich diskutieren kann. Deshalb freue ich mich auf die Debatte mit Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kollegen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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