Dr. Birgit Beisheim: „Es gilt, die Schlüsselrolle der chemischen Industrie durch eine nachhaltige Entwicklung abzusichern.“

Abschlussbericht der Enquete-Kommission zur Zukunft der chemischen Industrie in NRW

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Kollegen Schmeltzer für die Fragestellung.

Ich möchte noch auf eines hinweisen – der Herr Vorsitzende hat das ja auch in seinem Vortrag zuvor erwähnt –: Wir waren weder eine Energieenquete noch eine Enquete, die sich speziell mit Freihandelsabkommen beschäftigt hat. Darauf möchte ich meine Antwort auf das, was Kollege Brockes vorhin vorgetragen hat, beschränken.

Wichtig für mich ist, darauf hinzuweisen, dass die chemische Industrie sich schon immer durch eine große Anpassungsfähigkeit an neue Rahmenbedingungen ausgezeichnet hat. Dazu gehört auch, dass Fehlentwicklungen in der Vergangenheit – wenn auch nicht immer ganz freiwillig – korrigiert worden sind.

Doch jede industrielle Aktivität beeinflusst die Umwelt und führt zu ökologischen Belastungen. Deswegen haben wir in diesem Bericht auch darauf hingewiesen, dass es politische Aufgabe bleibt, Umweltbelastungen und soziale Verwerfungen, die durch industrielle Produktion entstehen, abzufedern und entsprechende Rahmensetzungen zu gestalten.

Wir waren das Land von Kohle und Stahl. Ja. Und wir wissen: 2018 wird Steinkohle Geschichte sein. Erlauben Sie mir den kleinen Ausflug. Deshalb muss es unsere Aufgabe sein, uns für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Stahl- und Metallindustrie einzusetzen.

Aber eines ist auch klar – das ist auch ein wichtiges Ergebnis dieses vorliegenden Berichts –: Die Bedeutung der chemischen Industrie für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen wird weiter zunehmen. Deshalb gilt es, die Schlüsselrolle der chemischen Industrie, die sie als Ermöglichungsindustrie in fast allen Wertschöpfungsketten einnimmt, durch eine nachhaltige Entwicklung abzusichern. Dazu müssen die Herausforderungen, die aus dem Klimawandel, der Endlichkeit der Ressourcen und der Notwendigkeit einer Energiewende hin zu erneuerbaren Energien resultieren, gemeistert werden.

Wir haben letzten Endes herausgefunden, dass im Untersuchungszeitraum, der sich auf 15 bis 30 Jahre erstreckte – es gibt auch keine anderen Hinweise aus Studien –, Öl der wichtigste Rohstoff bleiben wird. Diese Entwicklung ist eng verzahnt mit den Veränderungen im Mobilitätssektor, da als Einsatzstoff nicht Rohöl eingesetzt wird, sondern ein Reststoff aus der Herstellung von mineralölhaltigen Kraftstoffen, das sogenannte Naphta.

Auch schon jetzt sehen wir eine Diversifizierung der Rohstoffbasis hin zu alternativen Rohstoffquellen. Wir haben es ja bereits gehört. Ja, auch alternative fossile Rohstoffe wie Braunkohle wurden als theoretische Möglichkeit diskutiert. Aber mit einem Anteil von kleiner 2 % an der Rohstoffversorgung der chemischen Industrie hat Braunkohle eine untergeordnete Bedeutung für die Rohstoffversorgung.

Der Bericht benennt klar die hohen ökologischen und ökonomischen Hürden der stofflichen Braunkohlenutzung. Diese passen nicht in die Investitions- und Nachhaltigkeitsprogramme moderner Industrieunternehmen. Ich sehe da keine Lösung. Die Braunkohle bleibt – ob zur Stromgewinnung oder zur stofflichen Nutzung – klimaschädlich.

Deshalb: Die Bedeutung der Braunkohle für die Stromerzeugung muss und wird mit dem Ausbau der Erneuerbaren-Energie-Quellen zunehmend geringer werden.

Auch aus diesem Grund haben SPD und Grüne bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es in Nordrhein-Westfalen keine weitere Erschließung neuer Tagebaue geben wird.

Zusätzlich wird eine Leitentscheidung – daran möchte ich auch an dieser Stelle erinnern – der Landesregierung eine Verkleinerung der bereits genehmigten Abbaufelder nach sich ziehen.

Als weitere fossile Quelle wurde Erdgas diskutiert. Sicherlich: Es ist zu beachten, dass die USA mit ihrer Strategie zur Nutzung von Schiefergas zu einem weltweiten Verfall der Preise für Öl und Gas beigetragen haben. Doch wir wissen, dass die Schäden an Natur und Umwelt, insbesondere die Verschmutzung von Wasser und Boden, nicht eingepreist sind. Insgesamt sind die Gefahren für diese Naturgüter durch die Förderung von Schiefergas mittels Fracking nicht kalkulierbar. Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen lehnen deshalb Fracking ab.

Ich darf noch einmal hinweisen auch auf die Umweltministerkonferenz der Länder, die sich ebenfalls bereits mit großer Mehrheit gegen Fracking ausgesprochen hat.

Demgegenüber haben wir in dem Bericht auch festgestellt: Es gibt einen Trend zur stärkeren Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der chemischen Industrie. Dieser Rohstoffwandel hin zu erneuerbaren Kohlenstoffquellen, insbesondere Biomasse, erfordert eine Anpassung der Verfahren, der Methoden und wird die Entwicklung neuer Produkte zur Folge haben.

Daher wird es für uns, den sich in einem zunehmenden internationalen Wettbewerb befindenden Chemiestandort Nordrhein-Westfalen, von großer Bedeutung sein, wirtschaftliche Produktionsverfahren zu entwickeln und im Wettbewerb um neueste Technologien die Technologieführerschaft zu verteidigen bzw. auszubauen.

Die fraglichen Technologien müssen in der Lage sein, mit neuen Rohstoffkombinationen umzugehen, und gleichzeitig der Ressourcenverknappung durch eine zunehmende Effizienzsteigerung entgegenwirken.

Der vorliegende Bericht zeigt auch Möglichkeiten auf, wie die chemische Industrie verstärkt Teil der Energiewende werden kann. Darauf haben einige Kollegen bereits detailliert hingewiesen.

Wir werden also zukünftig insgesamt anders wirtschaften. „Anders“ bezieht sich dabei auf alle Bereiche – vom Rohstoff über die Verfahren bis hin zu Werkstoffen, deren Zusammensetzung schon beim Design die Rückführung der Produkte in einer an Bedeutung zunehmenden Kreislaufwirtschaft berücksichtigt.

Letztlich ist klar geworden, dass vieles zwar technisch bereits möglich ist, aber für eine wirklich nachhaltige Klima- und Ressourcenwende wichtige Bausteine fehlen. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass zuvor, als wir uns auf den Weg gemacht haben, gerade diese Lösung als eine Art Science-Fiction oder als zu sehr zukunftsorientierte Lösung angesehen worden ist. Aufgrund der Erarbeitung dieser Fragen und der Diskussion mit den Sachverständigen sowie des Gutachtens, das es dazu gab, kann man aber sagen, dass sich Möglichkeiten mit Blick auf alternative Rohstoffquellen wie CO2 und andere Gase eröffnen; denn wir werden es schaffen, den wichtigsten Baustein, nämlich Wasserstoff, sonnenlichtgetrieben herzustellen.

In diesem Zusammenhang bin ich auch sehr stolz auf das Land Nordrhein-Westfalen; denn wir haben mit dem Max-Planck-Institut in Mülheim – das wissen sicherlich auch einige von Ihnen, die nicht Teil der Kommission waren – ein Institut, das sich aufgemacht hat, um diese Herausforderung zu meistern. Damit kann Nordrhein-Westfalen langfristig zum Zentrum einer Chemie werden, die nach dem Prinzip „von der Natur lernen“ arbeitet.

Auch ich möchte mich zum Schluss bei allen bedanken, die sich auf den Weg gemacht haben, die komplexen Fragestellungen zu lösen, vor allem bei den Sachverständigen; denn sie haben durch Engagement, unermüdlichen Einsatz und ihre Freude, uns Dinge beizubringen, die für uns, auch für mich als Chemikerin, neu waren, dazu beigetragen, dass die Enquetekommission mit einem so guten, erfolgreichen Bericht zu Ende gegangen ist. Wir haben in diesem Bericht wichtige Themenfelder initiiert und Lösungsansätze skizziert, wie wir eine tatsächliche Wende schaffen können, nämlich eine nachhaltige Klima- und Ressourcenwende mit der Chemie als Teil der Lösung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

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