Dr. Birgit Beisheim: „Das ist Industriepolitik nach vorne gedacht“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Sicherung des Stahlstandorts NRW

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Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verzichte hier jetzt ganz bewusst auf Polemik; das haben wir auch schon in der Debatte zuvor getan. Denn das Thema ist wirklich viel zu ernst. Es geht um Tausende von Beschäftigten in der Stahlindustrie und deren Schicksal. Insofern, Herr Kollege Hovenjürgen, hätte ich mich gefreut, wenn Sie beim Thema geblieben wären. Denn dieses ernste Thema „Stahlindustrie“ – gerade als Duisburgerin muss ich das sagen – taugt nichts für eine allgemeine Debatte über Wirtschaftspolitik.
Wenn der Emissionshandel das alleinige Problem der deutschen Stahlindustrie wäre, dann wäre diese Aufgabe einfach. Dann wäre der Effekt, den der Herr Kollege Sundermann skizziert hat, schon eingetreten, und wir bräuchten uns eigentlich gar nicht mehr weiter darüber zu unterhalten. Warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können, liegt daran, dass der Emissionshandel nicht das alleinige Problem ist, und das wissen Sie sehr genau, Herr Hovenjürgen.
Metallerzeugung – das wissen Sie auch – ist ein komplexes System, nicht nur ein rein technisches. Wir haben sehr viele verschiedene Variablen, die einfließen, beispielswiese Rohstoffe, Absatz, Wechselkurse, Personal usw. Das muss man können, und das muss man auch wollen. Daher teile ich auch das Unbehagen der Betriebsräte darüber, dass die Führungscrews – und hier vorrangig Herr Hiesinger – das nicht mehr wollen. Das heißt, dass sie diesen Konzern ThyssenKrupp zu einem Technologiekonzern umbauen wollen, weil auch die Philosophie nicht zu den Leuten passt, die von Siemens gekommen sind.
Warum sage ich das? Weil ich Ihnen aufgrund meiner Erfahrungen einige Beispiele dafür nennen kann, wo genau das passiert ist. Ich erinnere nur an den Umbau der Metallgesellschaft zur GEA. Aus einem Rohstoffkonzern, der breit aufgestellt war, wurde ein Hersteller für Anlagen und Maschinen für die Lebensmittelindustrie.
Die letzte Schließung eines Hüttenbetriebes in diesem Bereich erfolgte 2010. Ich erinnere an die Schließung einer Zinkhütte in Datteln. Diese Schließung ist aus rein strategischen Gründen erfolgt. Es gab überhaupt keinen anderen Grund; schließlich war die Entwicklung positiv. Deshalb müssen wir als Politik mit diesen Unternehmen im Gespräch bleiben, da sie nicht nur ihren Shareholdern gegenüber eine strategische Verantwortung haben, sondern auch gegenüber ihren Mitarbeitern und den Menschen vor Ort eine große Verantwortung haben.
Ich hoffe, dass ThyssenKrupp diesem Beispiel, das man durch weitere ergänzen könnte, nicht folgt. Denn das Know-how eines Technologiekonzerns wie Siemens birgt auch große Chancen; auch das haben wir am Beispiel des Joint Ventures zwischen der Energiewirtschaft und der Stahlindustrie gesehen. Dort will man im Rahmen einer Zusammenarbeit zu einer klimafreundlicheren Erzeugung von Stahl kommen, und das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aus meiner Sicht ein Stück Zukunft, an dem wir als Politik mitarbeiten können.
Ich kann mir einen kleinen Ausflug in die Kuppelgase nicht verkneifen; denn an der Stelle haben Kuppelgase eine ganz andere Bedeutung. Man nimmt Kuppelgase in diesem Joint Venture als Rohstoff für die chemische Industrie, weil eines auch klar ist: Durch die Energiewende, durch die positive Umstellung auf Erneuerbare sind die Strompreise derartig gesunken, dass es aus Kostengründen Sinn macht, nicht mehr diese Kuppelgase zu verstromen, sondern sich einer anderen Nutzung zuzuwenden.
Das sind Wege, die wir als Politik begleiten müssen. Das ist Industriepolitik nach vorne gedacht. Das sichert langfristig die Beschäftigung hier in Nordrhein-Westfalen.
Dafür stehen wir Grüne, und dafür steht auch die rot-grüne Koalition. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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