Dennis Sonne: „Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine einzige Lehrkraft im System zu verlieren“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum "Arbeitsplatz Schule"

Portrait Dennis Sonne

Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Versetzen Sie sich zurück in den 16. März 2020, den Tag, an dem Schulen pandemiebedingt geschlossen worden sind. Welches Gefühl hatten Sie da? Unsicherheit, was passiert? Angst? Wer hätte an diesem Tag gedacht, dass sich unsere Lebensumstände und unser Zusammenleben als Gesellschaft so stark verändern werden, dass ein Um- und Neudenken von Unterricht zwingend notwendig wird, um Bildung zu garantieren, sowohl zu Pandemiezeiten als auch aufgrund von Starkwetterereignissen? Wer hätte an diesem Tag gedacht, dass der schreckliche Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine so viele Menschen dazu zwingen wird, aus ihrem eigenen Land zu flüchten, und dass mittlerweile 42.515 ukrainische Schülerinnen und Schüler Schulen in NRW besuchen.

Lehrkräfte sind belastet, und an dieser Tatsache gibt es auch nichts schönzureden. Das ist unter anderem zurückzuführen auf hohe Belastungen durch diverse Verwaltungsaufgaben und viele weitere außerunterrichtliche Tätigkeiten, die Lehrkräfte neben dem Unterricht stemmen müssen. Die letzten Jahre haben durch unerwartete Ereignisse diese Belastung deutlich erhöht. Angesichts der Umstände und Herausforderungen, unter denen unserer Lehrpersonal unterrichtet, habe ich jeden Tag großen Respekt vor ihrer Arbeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Thematik, die der Antrag der FDP aufgreift, ist wichtig. Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine einzige Lehrkraft im System zu verlieren. Doch der realistische Blick zeigt, dass dies ein Erbe auch von Ihnen, liebe FDP, ist, das Sie uns hinterlassen haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Belastungen erwachsen aus kurz-, aber meist aus langfristigen Unzufriedenheiten. Die Belastung und das Stresslevel der Lehrkräfte – Stichwort: „mentale Gesundheit“ – haben sich während der Coronapandemie schlagartig erhöht. Das ergibt eine Sonderanalyse mit einer Querschnittsuntersuchung des DAK-Präventionsradars unter der Überschrift „Lehrergesundheit 2020“. Dafür wurde im Oktober 2020 eine Befragung unter 2.300 Lehrpersonen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Laut dieser gaben die Lehrkräfte an, dass sich neben den ad hoc bedingten zusätzlichen Belastungen durch die Pandemie die Schwächen des Bildungs- und Schulsystems zusätzlich verschärft haben. Das bedeutet, dass die Lehrkräfte bereits während Ihrer Legislatur, liebe FDP, ein hohes Maß an Belastungen durch das System erfahren haben.

Der Arbeitsplatz Schule ist ein wichtiges Thema, da stimme ich Ihnen zu; denn es geht auch um die Qualität des Unterrichts in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Handlungskonzept Unterrichtsversorgung hat Ministerin Feller einen ersten Maßnahmenkatalog zur Entlastung von Lehrkräften vorgestellt. Wir sind dabei, diese Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Eine große Entlastung stellen die Alltagshelfer*innen dar, die bereits in diesen Monaten an den Schulen beginnen können. Der Katalog ist – wie in den letzten Wochen häufig erwähnt – der erste Schritt in einem dynamischen Prozess, der immer wieder angepasst werden muss.

Am morgigen Freitag legen wir zusammen mit der CDU einen Antrag vor, der sich anlässlich des Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung um das Thema „Barrierefreiheit“ dreht. Ein inklusiver Arbeitsmarkt ohne Barrieren wird auch für das Schulsystem deutliche Vorteile bringen. Mit einem niedrigschwelligen Beratungssystem werden wir über die Möglichkeiten aufklären. Menschen mit Behinderung werden – da bin ich mir sicher – ein Gewinn für das Schulsystem sein und können Lehrkräfte entlasten. Inklusion und Vielfalt bieten auch hier eine enorme Chance.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich selbst durfte Anfang des Jahres mit einer Mutter telefonieren, die begeistert war von der Inklusiven Universitätsschule in Köln und davon, dass ihr Sohn dort einen Platz bekommen hat. In enger Kooperation zwischen Universität, Stadt und den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung wird hier ein Konzept schulischen Lernens und universitärer Lehrer*innenbildung in zukunftsorientierter Architektur und innovativ gestalteten Lernräumen realisiert. Ein einmaliges Konzept, welches Lehrer*innen in die Lage versetzt, unsere Kinder zu befähigen, ihre Zukunft verantwortungsbewusst und souverän zu gestalten.

Ihr Antrag suggeriert, dass das Handlungskonzept in Stein gemeißelt ist und keinen Raum zu Diskussionen zulässt. Das stimmt so nicht. Nicht umsonst haben wir als Zukunftskoalition am 9. März hier im Plenum einen Antrag zur Fachkräfteoffensive für den Bereich „Schule“ eingebracht. Dieser beinhaltet nicht nur die Frage nach mehr Personal in den Schulen, sondern auch die Frage nach Fortbildungsstrukturen der Lehrkräfte, so wie Sie es auch in Ihrem Antrag fordern.

Liebe FDP, ich will mich nicht mit Ihnen darüber streiten, wer wann was hätte wie besser machen können, denn dafür ist das Thema viel zu wichtig. Festzuhalten bleibt, dass der Maßnahmenkatalog nicht endgültig ist, sondern stetig weiterentwickelt und angepasst wird.

Wir freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Ihnen im Ausschuss und stimmen der Überweisung selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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