Dennis Sonne: „Teilhabe sowie Teilgabe sollen im Bildungswesen unseres Landes grundlegend sein“

Zum Antrag der SPD-Fraktion auf eine Bildungskonferenz

Portrait Dennis Sonne

Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Frau Engin, liebe SPD, ich stimme der Aussage Ihres Antrags zu, dass der IQB-Bildungstrend einen Handlungsbedarf zeigt. Sie sprechen heute mit Ihrem Antrag ein wichtiges, hochaktuelles und dringendes Thema an. Dennoch ist Ihr Antrag zum heutigen Zeitpunkt abzulehnen.

Kinder und Jugendliche wurden in pandemischen Zeiten auf vielen politischen Ebenen oftmals vergessen und vernachlässigt, insbesondere Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen, gerade im Zusammenhang mit internationaler Familiengeschichte, sowie Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Förderungs- und Betreuungsbedarf. Sie alle hätten es gebraucht, dass sich die Debatte nicht allein um das schlichte Öffnen und Schließen von Schulen drehte. Sie alle hätten Lösungen gebraucht, die individuelle Situationen und Bedürfnisse berücksichtigen.

Nehmen wir das Beispiel neuzugewanderter Kinder, welche sich inmitten des Zweitspracherwerbs befinden. Für sie führen derartige Risse in der Bildungsbiografie zu kaum widerrufbaren Brüchen. Das können und wollen wir so nicht weiterführen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dafür haben wir als Koalition beim Antritt versprochen, in der Bildungspolitik wieder dialogischer vorzugehen. Frau Ministerin Feller hat nach Veröffentlichung der IQB-Studie unverzüglich Gespräche geführt und eine vertiefte Analyse angekündigt, auf welche noch weitere Gespräche folgen werden. Danke an das Ministerium und Frau Ministerin Feller für diese schnelle Reaktion.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Sie sehen also: Das Ministerium ist bereits aktiv, führt Gespräche, vernetzt sich, holt Expertisen ein. Den alarmierenden Ergebnissen der IQB-Studie wird also Rechnung getragen.

Auf das Ziel Ihres Antrags möchte ich gar nicht eingehen, wohl aber auf Ihre Begründung. Die spricht nämlich Bände. Sie sehen den IQB-Bildungstrend, erschrecken, haben augenblicklich einen Tunnelblick, welcher mit Blick auf das Ziel den notwendigen Weg außer Acht lässt. Dabei geht es bei Primarbildung um den Blick auf das Ganze.

Bildungschancen sollten mit Bildungsgerechtigkeit einhergehen. Sie schreiben in Ihrem Antrag – Zitat –: „Nicht nur Kinder aus sozial benachteiligten Familien und Kinder mit internationaler Familiengeschichte verlieren so den Anschluss.“ „Nicht nur“ trifft hier den Punkt. Denn was ist mit den Kindern mit Förderbedarf? Auch wenn Sie, Frau Engin, das gerade in Ihrem Text einmal ganz kurz erwähnt haben, wird in Ihrem gesamten Antrag in keiner Zeile auf Lernende mit Förderbedarf eingegangen. Wo ist der Punkt „Inklusion“? Leider stellt sich diese Frage auch in der Auseinandersetzung mit dem IQB-Bildungstrend.

(Jochen Ott [SPD]: Kinder sind Kinder!)

Lernende mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung wurden bei der Zielpopulation ausgeschlossen. Im Koalitionsvertrag haben wir, CDU und Grüne, Folgendes festgehalten: „Alle Kinder sind an allen Schulen willkommen und werden zu ihrem bestmöglichen Abschluss begleitet.“ Ich möchte es noch einmal hervorheben: alle Kinder an allen Schulen. Dieser Satz steht im Kontrast zu Ihrem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der IQB-Bildungstrend ist ein erster, wichtiger Anhaltspunkt sowie ein eindeutiger Handlungsaufruf an uns und alle Akteurinnen des Bildungsbereichs. Doch reicht er nicht aus, wenn wir Bildung in NRW zukunftsfähig für alle gestalten möchten. Inklusion betrifft immer alle, und das in allen Rollen. Teilhabe sowie Teilgabe sollen im Bildungswesen unseres Landes grundlegend sein.

Dies bedeutet für uns, dass wir nicht ausschließlich auf Grundlage des IQB-Bildungstrends eine Bildungskonferenz einberufen können, sondern gefordert sind, im Vorfeld einer möglichen Bildungskonferenz weitere Studien und Stimmen heranzuziehen. Wir müssen bei der Planung und Entwicklung eines Konzepts zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit unseres Bildungswesen zuerst den Weg in all seiner Breite in den Blick nehmen und nicht, wie Sie durch Ihren heutigen Antrag, voreilig zum Ziel springen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zum einen ist es unbedingt notwendig, auf diesem Weg ältere Studien mit einzubeziehen, sodass wirklich alle Lernenden in den Blick genommen werden. Zum anderen müssen alle Betroffenen angemessen in Gespräche, Arbeitskreise und die gesamten nun anstehenden Prozesse einbezogen werden. Im Koalitionsvertrag wird unser inklusives Verständnis von Schulen deutlich. Zugang zu Bildung sowie die Förderung im Lernen gilt für alle Kinder, unabhängig von Herkunft, Behinderung, finanzieller Situation und allen weiteren Aspekten. Das verstehen wir unter Bildungs- und Chancengerechtigkeit. An dieses Versprechen werden wir uns halten.

(Jochen Ott [SPD]: Da bin ich ja mal gespannt!)

Aus diesem Grund und um wirkliche Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten und alle zu berücksichtigen, ist Ihr Antrag hier und heute abzulehnen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herzlichen Dank, Herr Kollege Sonne, und herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede hier im Hohen Hause.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)