Dennis Sonne: „Schule ist viel mehr als ein Ort des Lernens“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Haushaltsgesetz 2023, Einzelplan Schule und Bildung - zweite Lesung

Portrait Dennis Sonne

Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kinder und Jugendliche haben es verdient, in einem Bildungsland aufzuwachsen, von dem sie getragen und gestützt werden. Denn Schule ist viel mehr als ein Ort des Lernens. Es ist ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche die meiste Zeit des Tages verbringen, und es ist ein Lebens-, ein Erfahrungsort, an dem sie lernen, essen, spielen, lachen und sich streiten. Sie lernen zu diskutieren, sie lernen zu teilen, zu verhandeln, zu vergeben und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht, auch über die Parteigrenzen hinaus auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen einzugehen und Räume zu schaffen, die genau diesen Lebens- und Erfahrungsraum widerspiegeln.

Letzte Woche bekamen wir Besuch von einer Gruppe von Schüler*innen aus einer 4. Klasse. Neben der Frage, wie lange das Haus hier existiert oder wie viele Zimmer es hat, wurden natürlich viele Anregungen und Wünsche an uns herangetragen. All ihre Wünsche hatten nichts mit Unterrichtsgestaltung zu tun, sondern mit Vorstellungen, wie der Ort der Schule gemütlicher werden soll: Leseecken, gemütliche Sitzecken, Rückzugsorte, Spielplätze für Groß und Klein, eine vollständige Bücherei, eine saubere und moderne Toilette.

(Frank Müller [SPD]: Warum steht davon nichts im Haushalt?)

Es stimmt: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wir können den Sanierungsstau und die teils stark marode Schulinfrastruktur nicht leugnen. Wir dürfen nicht wegsehen, sondern müssen anpacken. Der Raum ist der dritte Pädagoge. Da, wo sich Kinder wohlfühlen, sind die Motivation und die Bereitschaft zum Lernen höher.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Frank Müller [SPD]: Warum ist das im Haushalt nicht erkennbar? – Gegenruf von Norwich Rüße [GRÜNE]: Hör doch erst mal zu!)

Doch ein gut gestalteter Raum alleine macht die Probleme in NRW nicht kleiner. Eine starke Lernkraft-Kind-Beziehung beeinflusst ebenso die Motivation und Leistungsbereitschaft von Schüler*innen. Zweifellos erinnern sich doch alle von uns an die Lehrkräfte, bei denen wir uns wirklich ernst und aufgenommen gefühlt haben, an den Lehrer oder die Lehrerin, bei dem bzw. der wir wussten, dass wir uns auf sie verlassen können.

Um den Lehrkräften, aber auch den Schüler*innen diese Chancen einzuräumen, müssen wir uns verlässlich und konsequent dem Lehrkräftemangel entgegenstellen und den Beruf der Lehrkräfte attraktiver machen. Da ist es genau richtig, dass wir in der Zukunftskoalition zeitnah und schnell im Nachtragshaushalt 2022 die Weichen für eine schrittweise Anpassung an A13 für die Lehrkräfte in der Primarstufe und Sekundarstufe I gestellt haben und dass auch angestellte Lehrkräfte entsprechend angepasst werden.

Ein weiteres wichtiges Zeichen und auch ein Beispiel dafür, wie das Programm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ gewirkt hat, ist das aus der Pandemie heraus entstandene Programm „students@school“, das jetzt ins Landesprogramm überführt wurde. Ein voller Erfolg mit Synergieeffekt für Schüler*innen und Lehramtsstudierende!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen die bestmögliche Förderung und Unterstützung für alle Kinder ermöglichen. Doch der Begriff „Förderung“ darf nicht im falschen Kontext verwendet werden. Förderung impliziert nicht ein Negativum, sondern beinhaltet die Förderung im Sinne der Individualität entsprechend den Lernausgangslagen der Schüler*innen. Das Kind muss endlich ins Zentrum gestellt werden, aber um das zu erreichen, brauchen wir genügend Ressourcen und Kapazitäten.

Wir schauen hoffnungsvoll in Richtung des Bundes. Denn diese Kraftanstrengung – bei aller Liebe zum föderalen System – kann nur gemeinsam bewältigt werden: mit dem Bund, mit den Ländern und mit den Kommunen – im Einklang.

(Jochen Ott [SPD]: Wieder der Bund!)

Deswegen warten wir gespannt auf das ausgestaltete Startchancen-Programm des Bundes in 2024, das momentan als Konzeptentwurf vorliegt, starke finanzielle Unterstützung in diesen Bereichen zusagt, eben eine Verlässlichkeit schaffen soll und sich vom Gießkannenprinzip der Bildungsfinanzierung verabschieden möchte.

Da ist es ja gerade günstig, dass wir in unterschiedlichen Konstellationen im Bund vertreten sind, sodass auch Sie, liebe SPD, oder auch Sie, liebe FDP, daran mitwirken können, den Druck deutlich zu erhöhen. Denn uns allen ist daran gelegen, schnellstmöglich den großen und wunden Punkt der Schulfinanzierung anzugehen.

(Jochen Ott [SPD]: Ja, dann macht es doch!)

Ob es Integration, Inklusion, Digitalisierung, Schulsozialarbeit,

(Jochen Ott [SPD]: Wer hindert euch denn daran?)

Schulbau oder Ganztag ist: Wir laden Sie herzlich ein, diese Punkte mit uns zu diskutieren und voranzubringen.

(Beifall von den GRÜNEN – Frank Müller [SPD]: Die Anträge habt ihr alle abgelehnt! – Jochen Ott [SPD]: Dann legt doch los! Das ist doch ein Witz!)

Gerade die Finanzierung mit Blick auf den schulscharfen Sozialindex ist uns ein großes Anliegen: die Bedarfe dahin bringen, wo es am nötigsten ist, Ungleiches ungleich behandeln.

Das heißt aber nicht, dass wir uns hier in der Zukunftskoalition wegducken. Denn bereits jetzt gehen wir zukunftsblickend dem Rechtsanspruch der Ganztagsbetreuung ab 2026 entgegen. Ein weiterer Schritt zur Chancengerechtigkeit!

Es ist bewiesen, dass Familien, die sich in ungünstigen sozioökonomischen Lagen befinden, seltener an einem Ganztagsangebot teilnehmen. Das liegt unter anderem daran, dass häufig die Kinder einen Ganztagsplatz erhalten, deren beide Elternteile voll arbeiten und damit als bessergestellt gelten.

Gerade in Städten, in denen die Nachfrage besonders hoch ist, haben Kinder ungleiche Chancen. Im Sinne einer Chancen- und Bildungsgerechtigkeit sind wir froh, dass dieses Thema jetzt schon intensiv gemeinsam von den jeweiligen Ministerien angegangen und die Möglichkeit geschaffen wird, eine Verzahnung von Jugendhilfe und Schule endlich anzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein Lenkungskreis ist bereits dabei, die wichtigsten Punkte zu erarbeiten. Im Zukunftsvertrag haben wir uns dafür ausgesprochen, ein Landesausführungsgesetz zur Stärkung der Qualität zu erarbeiten. Dafür werden wir auf alle Akteur*innen zugehen, die Expert*innen auf den Gebieten sind und die klar benennen können, was gebraucht wird.

Im Haushalt hat das Ministerium für Schule und Bildung für den Ausbau der OGS rund 57 Millionen Euro angesetzt. Uns ist bewusst, dass der Ausbau und die räumliche Ausstattung nicht die einzigen Punkte sind, durch die die Problemlagen im Bereich OGS gelöst werden. Auch hier haben wir einen eklatanten Fachkräftemangel.

Deshalb begrüßen wir uneingeschränkt, dass das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, geführt von Ministerin Paul, für die Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen des Ganztagspersonals und den Ausbau der Fachkraftstellen einen großen Posten mit einem Aufwuchs von 1,1 Millionen Euro bereitstellt. Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wichtig ist, festzuhalten: Homogenität in Klassen gehört nicht zur Schullandschaft. Unser Bildungssystem ist heterogen. Wie bereits angesprochen, hat jedes Kind das Recht, da abgeholt zu werden, wo es steht. Förderung darf nicht davon abhängig sein, ob der Schülerin oder dem Schüler ein vermeintlich festgelegter sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wurde. Wir stehen für Weiterentwicklungen der inklusiven Bildungslandschaft, nicht für Stillstand.

(Jochen Ott [SPD]: Daran werden wir euch messen!)

Deshalb begrüßen wir, dass wir uns als Zukunftskoalition auf den Weg machen, Inklusion ernst zu nehmen

(Jochen Ott [SPD]: Da bin ich mal gespannt, ob ihr das mit den Schwarzen hinkriegt!)

und zusammen mit der Monitoring-Stelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte endlich einen Aktionsplan zu erstellen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dazu gehört aber auch, dass wir die Digitalität vorantreiben, nicht nur bezüglich der Ausstattung, sondern im Unterrichtsprozess selbst. Digitale Tools, zum Beispiel für die Hilfeplangestaltung, können Entlastungen schaffen und Verlässlichkeit und Planbarkeit auch in den Unterrichtsprozess bringen. Wir werden einen Posten im Haushalt bereithalten, der es ermöglicht, die ersten Planungsschritte zu gehen.

Abschließend ist es wichtig, eines festzuhalten. Die Pläne der Zukunftskoalition – auch im Hinblick auf den Haushalt – haben durchweg die wertvollste Investition im Bildungswesen im Blick, und zwar in die Menschen: die Lehrkräfte in den Klassenräumen, die Lernenden selbst sowie alle anderen am Bildungswesen beteiligten Menschen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)