Dennis Sonne: „Erschreckend ist, dass die Dunkelziffer der betroffenen Kinder mit Behinderung noch viel höher ist“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zum Schutz von Kindern mit Behinderungen

Portrait Dennis Sonne

Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich zitiere, soweit der Präsident das gestattet, Jean de la Bruyère:

„Die Kinder kennen weder Vergangenheit noch Zukunft, und – was uns Erwachsenen kaum passieren kann – sie genießen die Gegenwart.“

Ich bin mir sicher, dass wir alle bei diesem Zitat positive Assoziationen und Erinnerungen an unsere eigene Kindheit oder an die Kindheit der eigenen Kinder haben werden. Wir alle wünschen uns, dass Kinder genau das tun können, nämlich die Gegenwart und damit ihre Kindheit genießen.

Doch blicken wir der Realität ins Auge. Im Jahr 2023 wurde ein neuer Höchststand an Kindeswohlgefährdungen erreicht. Bei mindestens 63.700 Kindern und Jugendlichen wurde Vernachlässigung bzw. psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt. Das Wort „mindestens“ betone ich, weil diese Zahl nicht alle Jugendämter einbezieht, was eine Dunkelziffer erahnen lässt. 63.700 Kinder und Jugendliche!

Wir haben auch schon mehrfach gehört, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung ein drei- bis viermal so hohes Risiko haben, Opfer von Vernachlässigung bzw. von körperlicher sowie sexualisierter Gewalt zu werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex; es geht um Risikofaktoren wie Kommunikationsbarrieren, Abhängigkeitsverhältnisse oder Mobilitätseinschränkungen.

Erschreckend ist, dass die Dunkelziffer der betroffenen Kinder mit Behinderung noch viel höher ist, weil die Aufdeckung von Gewalt durch eine vermeintlich geringe Glaubwürdigkeit verhindert wird. Der Handlungsbedarf sollte deshalb allen klar sein, und ich bin froh, dass wir heute über einen inklusiven Kinderschutz sprechen und dieser Antrag auf dem Tisch liegt.

Vor ein paar Tagen hat die „Aktion Mensch“ das neue Inklusionsbarometer veröffentlicht. Danach haben 85 % der Jugendlichen mit Behinderung Diskriminierungserfahrungen gemacht. Es werden also fast alle Jugendlichen mit Behinderung diskriminiert. Außerdem macht sich knapp die Hälfte aller behinderten Jugendlichen Sorgen um die eigene Zukunft. Diese Zahl zeigen ebenfalls einen Handlungsbedarf.

Ein inklusiver Kinderschutz braucht erweiterte personelle Ressourcen, den Ausbau spezifischer Kompetenzen wie Leichter Sprache, aufsuchende Angebote, Gebärdensprache und technische Kommunikationshilfen.

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Initiative aus dem Bundestag bedanken, denn mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurden junge Menschen mit Behinderung endlich mitbedacht und Hilfen explizit benannt. Positiv erwähnen möchte ich auch, dass der Beteiligungsprozess des Bundes hin zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe gestartet ist.

Es ist richtig, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung unter einem Dach gebündelt werden, denn Kinder mit Behinderung sind zuallererst Kinder. Das müssen wir festhalten; denn sie haben die gleichen Rechte wie jedes andere Kind. Sie haben auch den gleichen Anspruch darauf, vor Gewalt geschützt zu werden, und brauchen daher einen besonderen Schutz.

Wir sind erwachsen und können für uns eintreten. Wir müssen aber auch für jene eintreten, die das nicht im gleichen Maße können. Lasst uns deshalb dafür Sorge tragen, dass Kinder nicht ängstlich an die Vergangenheit oder an die Zukunft denken, sondern dass sie voller Lebensfreude die Gegenwart genießen können.

Ich werbe für Ihre Zustimmung zu dem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)