Dennis Sonne: „Die Eingliederungshilfe ist kein Luxus, sie ist das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Eingliederungshilfe

Portrait Dennis Sonne

Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der Antrag der SPD enthält viele wichtige Punkte. Das ist richtig. Die Eingliederungshilfe muss zukunftsfest aufgestellt werden; denn für Menschen, die behindert werden, bedeutet sie Teilhabe und Selbstbestimmung. Die gesellschaftlichen und demokratischen Herausforderungen verändern sich stetig. Menschen, die behindert werden, werden zum Glück älter als noch vor einigen Jahren und benötigen langfristige und verlässliche Unterstützung.

Gleichzeitig entstehen neue Bedarfe und Möglichkeiten durch Digitalisierung, Inklusion in Arbeitsmarkt und Bildung sowie steigende Anforderungen an Barrierefreiheit. Eine moderne Eingliederungshilfe muss flexibel, personenzentriert und digital anschlussfähig sein, um individuelle Lebensentwürfe zu ermöglichen. Nur so können wir sicherstellen, dass Teilhabe kein Versprechen bleibt, sondern gelebte Realität ist, und das heute und in Zukunft.

Es gibt noch erhebliche Umsetzungsdefizite beim Bundesteilhabegesetz. Das BTHG muss die UN-Behindertenrechtskonvention konkretisieren. Auch in Krisenzeiten, auch in finanziell schlechten Jahren müssen wir Menschenrechte hochhalten. Die Kommunen sind diejenigen, die massiv belastet sind und Unterstützung benötigen; denn die Kosten der Eingliederungshilfe steigen dynamisch. Wir müssen den Arbeits- und Fachkräftemangel gerade hier in den Fokus stellen, denn die Qualität der Eingliederungshilfe wird darunter leiden. Das alles muss mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den Kommunen und natürlich auch mit den Betroffenen selbst besprochen werden; denn wie immer gilt: nichts über uns ohne uns.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle Punkte, die ich bis hierhin aufgezählt habe, sind Punkte aus einem anderen Antrag, den wir im Plenum am 30. Januar diskutiert haben und bei dem Sie, liebe SPD, sich nur enthalten haben. Schade, dass Sie hier versäumt haben, Haltung zu zeigen.

Worin sich die beiden Anträge unterscheiden, ist, dass Sie, die SPD, das Land NRW in die Pflicht nehmen wollen und wir den Bund in die Pflicht nehmen. Allein in den Jahren 2018 bis 2023 sind die Nettoausgaben der Eingliederungshilfe bundesweit um mehr als 8 Milliarden Euro gestiegen. Die dynamische Zunahme übersteigt die bisherige finanzielle Unterstützung von 5 Milliarden Euro extrem. Eine Aufstockung um die tatsächliche Kostenentwicklung auf Bundesebene ist also nötig. Nur so, und darum geht es uns, ist es möglich, dass die UN-Behindertenrechtskonvention adäquat umgesetzt wird und die Kommunen nachhaltig entlastet werden.

Bei der Eingliederungshilfe geht es um Grundrechte, bei denen es keine regionalen Unterschiede in Qualität und Umfang geben darf, sondern für die es bundesweit einheitliche Mindeststandards geben muss; denn mit Bundesmitteln lassen sich Vorgaben für Standards, Transparenz und Qualitätssicherung stärker durchsetzen. Menschenrechte kennen keine kommunalen Grenzen und keine Landeshaushalte. Sie gelten in Aachen genauso wie in Rostock. Deshalb gehört die Finanzierung auf die Bundesebene.

Was zum Gesamtbild allerdings gesagt werden muss: Wir haben seinerzeit im Januar unsere eigene Fraktion auf Bundesebene nicht in Watte gepackt, als sie in der Regierung saß, sondern sie in die Pflicht genommen. Das war zur Zeit der Ampelkoalition. Wenn die eigenen Leute im Bund ihre Aufgabe nicht zufriedenstellend erledigen, kann man sich doch auch einmal ehrlich machen.

Die antragstellende Fraktion macht hier allerdings nur eines. Sie schiebt die Verantwortung der Bundesregierung auf die Landesebene. Sie macht sich einen schlanken Fuß und zieht sich aus der Verantwortung. Aber der Bund ist es, der die Eingliederungshilfe finanzieren muss. Sprechen Sie doch einmal Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin darauf an, anstatt mit dem Finger auf die Landesregierung zu zeigen.

Wo wir gerade bei dem Thema sind: Gezahlt werden soll am liebsten da, wo wir nicht in der Regierung sind. Stellen Sie doch bitte auch im Bund sicher, dass das Bundesteilhabegesetz dafür sorgt, dass das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen konsequent geschützt wird, dass sichergestellt wird, dass Finanzierungsfragen nicht gegen Teilhaberechte ausgespielt werden, und dass echte Effizienzsteigerungen realisiert werden.

Der schwarz-grüne Antrag zum Thema „Eingliederungshilfe“ ist im Hohen Hause bereits im Januar verabschiedet worden. Schon da haben wir als Koalition darauf hingewiesen. Die Eingliederungshilfe ist kein Luxus, sie ist das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben. Ein Fundament darf nicht bröckeln.

Die gute Nachricht bleibt, dass die meisten Punkte aus Ihrem Antrag heute bereits beschlossen worden sind und das Ministerium fleißig daran arbeitet. Der Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stimmen wir natürlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)