Dennis Sonne (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich bin der SPD persönlich sehr dankbar, dass sie diese Große Anfrage zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung gestellt hat. Dem Thema gebührt die Aufmerksamkeit der Politik und der Abgeordneten dieses Hauses.
30 Jahre ist es jetzt her, dass Art. 3 des Grundgesetzes um die besonderen Rechte der Menschen mit Behinderung ergänzt wurde. Ich frage mich auch: Hat sich genug getan? Werden wir dem Grundgesetz gerecht? Die Reihe von Fragen, die die SPD in dieser Großen Anfrage gestellt hat, liest sich wie das Themenheft meiner täglichen Arbeit als Abgeordneter, als Aktivist und als Betroffener. Die vielen Fragen zeigen: Die Große Anfrage bezieht sich auf eine große Aufgabe.
Das, was uns vor 30 Jahren in das Grundgesetz geschrieben wurde, war von Anfang an ein Longplayer. Es ist gut, dass wir durch die Große Anfrage der SPD einen Überblick zur Lebenssituation von behinderten Menschen bekommen. Es ist gut, das Thema anzusprechen und in die Öffentlichkeit zu tragen.
Vor 15 Jahren wurde diese große Aufgabe schon durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die UN-BRK, sortiert. Der Aufgabe wurde damit eine Leitlinie, ein konkreter Rahmen gegeben. In Nordrhein-Westfalen hat das Deutsche Institut für Menschenrechte die Aufgabe bekommen, die Umsetzung der UN-BRK zu begleiten und zu überwachen. Damit hat NRW als erstes Bundesland eine unabhängige Monitoringstelle eingerichtet.
Regelmäßig berichtet außerdem die Landesregierung dem Landtag zum Stand der Umsetzung der UN-BRK. Für Herbst 2025 ist die Veröffentlichung des zweiten Teilhabeberichts vorgesehen. Das alles steht auch in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage.
In die Runde zu winken und zu sagen: „Ich muss nur noch kurz die Welt retten“, wäre Augenwischerei. Man sieht an den Berichten der Landesregierung und des Instituts für Menschenrechte: Es gibt noch unglaublich viel zu tun. Die Inklusion an Schulen muss besser laufen. Wir müssen endlich die Sonderwelten für behinderte Menschen reduzieren, sie abschaffen, um Inklusion wirklich zu leben.
Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt hat durch die Zukunftskoalition und die Landesregierung seit diesem Jahr einen ordentlichen Aufschwung, aber gerade angesichts des Arbeitskräftemangels und des Fachkräftemangels hätte das viel früher viel mehr Rückenwind vertragen können.
(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Korth [CDU] – Thorsten Klute [SPD]: Welche Zukunftskoalition?)
Aber das sind komplexe Prozesse mit Beharrungskräften bei vielen Akteurinnen. Wir brauchen eine größere Verankerung der Inklusionsbeiräte in den Kommunen, mehr Partizipation für Menschen mit Behinderung, denn Beteiligung findet vor Ort statt.
Als Betroffener und als Aktivist bin ich oft sehr unzufrieden mit der Situation. Das höre ich auch von vielen Organisationen, von Verbänden und anderen Aktivisten, mit denen ich in Kontakt stehe.
Im letzten Jahr hat sich das Bündnis „GO NRW“ gegründet, welches aus Verbänden für und von Menschen mit Behinderung in NRW besteht, um das Thema „Partizipation“ voranzutreiben.
Politische und gesellschaftliche Änderungen brauchen ihre Zeit und Mehrheiten und logischerweise auch die entsprechenden finanziellen Mittel. Aus dem Landtag heraus müssen wir den Betroffenen sagen: Ihr seid nicht allein, hinter euch stehen 18 Millionen.
Ich habe es nun öfter betont: Ich bin dankbar für die Anfrage der SPD. Nicht dankbar bin ich für die Reaktion Ihrerseits auf die Große Anfrage zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung. Teils gibt es Handlungsbedarf, der danach schreit, konkret angegangen zu werden. Privat merke ich das in meinem Leben jeden Tag. Wenn Sie allerdings nur die Probleme in den Vordergrund stellen und nicht selbst versuchen, nach möglichen Lösungen zu suchen, wird das dem Thema nicht gerecht. Opposition heißt nicht, dass konstruktive Vorschläge verboten sind.
(Zuruf von Silvia Gosewinkel [SPD])
Das wäre übrigens auch in den Haushaltsberatungen angebracht. Auch eine Opposition kann einerseits Investitionen fordern und andererseits vorschlagen, wo das Geld eingespart werden kann.
Ich stehe in regelmäßigem Kontakt zum Institut für Menschenrechte, und von dort haben wir neben vielen Konfliktpunkten auch Lob bekommen. Im Ländervergleich stehen wir solide da. Wir haben in NRW das Inklusionsstärkungsgesetz verabschiedet. Wir haben das Behindertengleichstellungsgesetz aktualisiert. Wir haben den Aktionsplan „NRW inklusiv“ mit über 200 Maßnahmen, begleitet vom Inklusionsbeirat. Die Eingliederungshilfe wurde über das BTHG, also das Bundesteilhabegesetz, reformiert und stellt eine hohe Qualität der Versorgung im Bundesvergleich sicher. Es gibt die Inklusionsinitiative NRW. Sie unterstützt die berufliche Inklusion, um Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt zu inkludieren.
Neulich war ich übrigens bei einer tollen Veranstaltung, einer Auftaktveranstaltung der Kampagne „Inklusion Münsterland“, die mir wirklich Mut gemacht hat, dass sich auch vor Ort etwas ändert und es vorwärtsgeht.
Es ist also unangebracht zu sagen „Zeit, dass sich was dreht“, nur weil es nicht mehr gewünscht ist, dass CDU und Grüne dieses Lied singen,
(Heiterkeit von Silvia Gosewinkel [SPD])
sondern auch, weil wir schon angefangen haben und weiter dabei sind, Dinge zu bewegen. Wir haben schon viel erreicht, wir sind auf dem richtigen Weg. Und es ist noch unglaublich viel zu tun. – Vielen herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)