Daniela Schneckenburger: „wir halten das für ein ausgesprochen fortschrittliches Tariftreue- und Vergabegesetz in der Bundesrepublik.“

Antrag der FDP zur Aufhebung des Tariftreue- und Vergabegesetzes NRW

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst habe ich mich nicht so sehr auf diese Debatte gefreut. Aber ich muss sagen: Die Freude daran wächst eigentlich mit jeder Minute.

Herr Spiecker, was haben Sie eigentlich verbrochen, dass Sie zu diesem Punkt aus Ihrer Fraktion reden müssen?

(Lachen und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist ja wirklich eine furchtbare Aufgabe, die Sie hier zu erfüllen hatten. Man weiß ja gar nicht, ob es noch der Text von vor ein paar Monaten war. Der Punkt ist doch längst abgeräumt in der CDU. Die CDU ist doch handelseinig geworden mit der SPD auf Bundesebene für einen Mindestlohn, Tariftreue und Mindestlohn. Da sind sie sich doch längst einig geworden. Sie haben doch in ihren Koalitionsvertrag hereingeschrieben, dass sie sich um die Vergabe kümmern wollen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die CDU hat also diese Position geräumt. Was bitte ist noch Ihr Vorhalt im nordrhein-westfälischen Landtag? Was bitte ist Ihr Vorhalt? Das ist mir unverständlich.

Ihr Fraktionsvorsitzender Laumann hat übrigens schon zu Ihrer Regierungszeit in Erkenntnis einer Reise nach Indien dafür gesorgt, dass Ihre Wirtschaftsministerin Teile dessen, was wir dann hier übernommen haben, für Nordrhein-Westfalen kodifiziert hat; dies tat sie nicht in Gesetzesform, sondern als Runderlass.

Sie haben also schon damals in der Sache eingeräumt, dass es richtig ist, die ILO-Kernarbeitsnormen zur Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu machen. Sie haben in der Sache eingeräumt, dass es richtig ist, nachhaltige Beschaffung in Nordrhein-Westfalen vorzunehmen. Denn das ist auf Dauer nicht nur ökologisch und klimapolitisch richtig ist, sondern auch finanziell richtig.

Sie haben jetzt auch auf Bundesebene eingeräumt – das hat Ihr Fraktionsvorsitzender im Grunde genommen auch schon zuvor getan –, dass es richtig ist, einen Mindestlohn zu beschließen, um die Kommunen – insofern ist die Frage beim Kommunalminister richtig platziert – eben nicht in die Situation zu versetzen, mit ihrer Vergabe einerseits dafür zu sorgen, dass Lohnstandards unterschritten werden, und andererseits das Arbeitslosengeld II kofinanzieren zu müssen. Das ist doch eine verrückte Praxis, die wirklich niemand für richtig halten kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage vom Herrn Kollegen Post zulassen?

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Ja.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte schön.

Norbert Post (CDU): Schönen Dank, Frau Kollegin. – Könnten Sie uns bitte noch einmal die Liste all der Dinge nennen, die neben der eigentlichen Tariftreue in diesem Gesetz zusätzlich verhackstückt werden, die von den Kommunen kaum umsetzbar sind und hinsichtlich derer sich Kommunen Dritter und Vierter bedienen müssen, um sie leisten zu können?

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Ja, das tue ich gerne, Herr Post. Wie gesagt, es geschah in einem gewissen Schulterschluss mit Ihrer ehemaligen Wirtschaftsministerin Frau Thoben.

Nachhaltigkeit ist für uns ein ganz wichtiges Kriterium. Das bedeutet auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Das billigste Angebot, das eine Kommune einwirbt, ist nicht immer das wirtschaftlichste. Die Energiekosten spielen beispielsweise bei einem Drucker, den man anschafft, auch eine Rolle. Deswegen sagen wir, dass man das Lebenszyklusprinzip betrachten sollte. Was kostet das Produkt über die Lebenszeit?

Zweitens geht es uns um die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. Wir sind gegen Kinderarbeit in nordrhein-westfälischen Städten und auf nordrhein-westfälischen Plätzen.

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

– Dass Sie das nicht teilen, Herr Bombis, weiß ich.

(Ralph Bombis [FDP]: Das ist doch eine Unverschämtheit!)

Das ist für uns ein grundlegender menschenrechtlicher Standard, und auch an der Stelle sind wir der Linie der damaligen Wirtschaftsministerin gefolgt.

(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE])

Dritter Punkt: Wir wollen, dass die Unternehmen auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten – deshalb haben wir die Schwellenwerte und den Maßnahmenkatalog entsprechend gesetzt – einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Das ist auch eine wichtige Zukunftsaufgabe für die Unternehmen, die wissen, dass sie zukünftig auf Frauen als Fachkräfte zugreifen müssen.

Sie können ruhig sagen, das sei alles durcheinandergerührt, aber wir halten das für ein ausgesprochen fortschrittliches Tariftreue- und Vergabegesetz in der Bundesrepublik. Ich war kürzlich in Baden-Württemberg und fand es sehr spannend, wie sich die Arbeitgeberverbände zur baden-württembergischen Idee eines Vergabegesetzes aufstellen. Wir sind mit unserem Tariftreue- und Vergabegesetz dem Beispiel anderer Bundesländer gefolgt, und jetzt folgt der Koalitionsvertrag auf Bundesebene dem nordrhein-westfälischen Beispiel. So ist das.

Sie haben natürlich jetzt als CDU eine relativ schwierige Position in diesem Landtag. Aber so ist das nun einmal, wenn man sich in eine Große Koalition begibt.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, schon gibt es weitere Wünsche, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Immer.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann erteile ich Herrn Kollegen Bombis das Wort. Herr Spiecker steht auf der Warteliste.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Danke, dass Sie die Frage zulassen, Frau Schneckenburger. – Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sowohl ich als auch meine gesamte Fraktion selbstverständlich Ziele wie die Eindämmung von Kinderarbeit teilen und dass es wirklich eine Unverschämtheit ist, dass Sie so etwas infrage stellen?

(Beifall von der FDP)

Sind Sie darüber hinaus bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir aber auch der Auffassung sind, dass wir es nicht einem nordrhein-westfälischen Vier- oder Fünf-Mann-Betrieb aufs Auge drücken können, mit seiner Unterschrift bei der Abgabe von Angeboten die Kinderarbeit in Indien oder anderswo auf der Welt zu bekämpfen? Das ist einfach nicht möglich.

(Beifall von der FDP)

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Bombis, ich nehme in der Tat zur Kenntnis, dass Sie sagen, dass es der FDP-Fraktion wichtig ist. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass die FDP-Fraktion mehrfach Versuche unternommen hat, dieses Gesetz zu kippen, und dass sie sich auch heute hierhin stellt und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt.

Ich frage Sie umgekehrt, Herr Bombis: Wie viel Ernsthaftigkeit hat eigentlich eine solche Erklärung, die Sie nicht bereit sind, in konkrete Politik umzusetzen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Da wir jetzt nicht in den freien Diskurs überwechseln können, ist Herr Kollege Spiecker mit seiner Frage an der Reihe.

Rainer Spiecker (CDU): Frau Kollegin, ich habe nur eine einzige Frage: Ist für Sie der Mindestlohn von 8,50 € die Kernaussage in diesem Gesetz?

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Spiecker, wir haben in diesem Gesetz keinen Mindestlohn von 8,50 € vorgehen. Vielmehr ist das Ihre Vereinbarung auf Bundesebene. Dieses Gesetz sieht in Anerkennung der europäischen Rechtsprechung einen vergabespezifischen Mindestlohn vor, und zwar folgt dies folgender Argumentation: Wenn die Kommune X oder Y eine Leistung selber erbringen würde, dann könnte sie ihr Tarifgefüge nicht unterschreiten. Darum haben wir gesagt, dass der niedrigste Tarif, der kommunal und somit mittelbar staatlich gezahlt wird, für uns der Tarif ist, der für das Tariftreue- und Vergabegesetz gelten soll.

Sie haben recht, dass es eine Klage gibt. Klagen werden aber vor Gericht entschieden. Wir sind uns sehr sicher, dass dieses Gesetz auch dieser Klage standhalten wird. Es gab ein Gesetz, das in der Vergangenheit einer Klage nicht standgehalten hat. Das ist aber in der Debatte berücksichtigt und von unserer Seite genau so geregelt worden, um das Gesetz europafest zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, die FDP ist sehr isoliert. Sie ist natürlich jetzt in einer schwierigen Position; das kann ich verstehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Unser Bedauern hält sich in Grenzen!)

– Ja, im Bund ist nichts mehr, und ansonsten läuft es auch nicht gut.

(Ralph Bombis [FDP]: Uns reicht der Mittelstand an der Seite!)

Mit dem Mittelstand an der Seite hat es auch so seine Probleme, auch in Nordrhein-Westfalen. Ich kann verstehen, Sie sind sehr isoliert und versuchen, ein Thema zu finden, das die FDP zusammenhält und die innere Identität in der FDP schafft. Das Tariftreue- und Vergabegesetz ist für Sie darum ein beliebtes und häufiges Thema.

Jetzt einen Gesetzentwurf einzubringen, damit man in den Ausschuss kann, eine Anhörung machen kann und noch einmal ins Parlament kann, obwohl es in der Sache überhaupt nichts Neues gibt, das ist allerdings auch ein bisschen Verschwendung parlamentarischer Ressourcen. Das wollte ich Ihnen an dieser Stelle gerne sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber wir werden selbstverständlich mit Ihnen in eine Debatte gehen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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