Daniela Schneckenburger: „Symbolprojekte helfen dem Ruhrgebiet an der Stelle überhaupt nicht weiter.“

Antrag von CDU und FDP zu newPark

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hovenjürgen, ich finde es absolut ehrenwert, dass Sie sich heute Morgen am Redepult so engagiert für Ihre Region einsetzen.
(Beifall von Oliver Wittke [CDU])
Das ist absolut ehrenwert. Die Region braucht Unterstützung. Aber jetzt kommt mein „Aber“. Was wollen Sie eigentlich, Herr Hovenjürgen? Dem Minister wurden zwei rote Ampeln aufgestellt: Ihm wurde vorher vom Landesrechnungshof gesagt: Tue es nicht! – Ihm wurde von einem Gutachter, und zwar einem renommierten, nicht von irgendeinem Büro, sondern von einem Gutachter, der seit Jahren die Verfahren im Land begleitet, gesagt: Tue es nicht! Wir raten dir davon ab! – Sie werfen diesem Minister vor, er hätte sich darüber hinwegsetzen und politisch entscheiden sollen. Was wollen Sie eigentlich, Herr Hovenjürgen, einen zweiten Nürburgring in Nordrhein-Westfalen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Die CDU wäre die Erste, die hinterher, wenn es dann schiefgegangen ist, mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gekommen wäre. Ganz sicher wären Sie die Ersten gewesen.
(Ministerin Sylvia Löhrmann: Genau!)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hovenjürgen zulassen?
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Das will ich nachher gerne tun. Lassen Sie mich bitte noch ein bisschen reden. – Herr Hovenjürgen, der Wahlkampf ist vorbei. Deswegen ist es absolut richtig, sich den drängenden Problemen der Emscher-Lippe-Region zu stellen. Die Strukturdaten und die Probleme der Region sind alle bekannt. Das Ruhrgebiet insgesamt hat ein Problem und die Emscher-Lippe-Region auch. Aber ich finde, man muss es dann auch sachgerecht tun.
Lassen Sie uns bitte noch einmal festhalten – auch jenseits der Verschwörungstheorie, die immer wieder gerne vorgetragen wird, wenn man argumentative Mängel hat; Herr Brockes tut das gerne, Sie haben es vorhin aber auch getan –:
(Beifall von Ministerin Sylvia Löhrmann)
Es gibt keinen Deal; es gibt keine politische Entscheidung, die das eine gegen das andere tauscht, sondern es gab erhebliche Probleme, diese Bürgschaft zu gewähren. Ehrlich gesagt, es gab auch ein paar andere Probleme rund um newPark. Lassen Sie uns die ernsthaft miteinander angucken!
Sie haben gesagt, das Projekt sei jetzt volljährig. Das heißt, 18 Jahre ist an diesem Projekt geplant worden, ohne dass in diesen 18 Jahren das eingetreten wäre, wofür die Fläche eigentlich vorgesehen und geplant war, nämlich für eine große industriepolitische Ansiedlung in Nordrhein-Westfalen.
2000 war das letzte Mal, dass BMW im Anflug auf Nordrhein-Westfalen war. Nicht nur die Emscher-Lippe-Region, sondern verschiedene nordrhein-westfälische Kommunen haben sich dafür beworben und darum gerungen, diese große industriepolitische Ansiedlung nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Sie wäre auch gut und richtig für Nordrhein-Westfalen gewesen. Aber gewonnen haben andere, die in der Lage waren, bessere Konditionen anzubieten. Seitdem gibt es kein großes industriepolitisches Vorhaben, das auf newPark hätte realisiert werden können. Und auch die Realisierungsprobleme außen herum haben das Projekt die ganze Zeit begleitet.
Ich finde, es hilft in so einer Situation überhaupt nicht weiter, in der Region mit einer Mischung aus Übertreibung und Verschwörungstheorien Unruhe zu stiften, was Sie in den letzten Tagen immer wieder getan haben. Die Zahl der Arbeitsplätze, die dort nach Ihrer Auffassung hätten realisiert werden können, ist, wenn man Ihre Presseerklärung verfolgt, täglich gestiegen. Erst waren es 6.000, dann 7.000, am Ende sind Sie bis auf 10.000 Arbeitsplätze gegangen. Damit kann man vielleicht Wahlkampf machen, obwohl man das nicht machen sollte, aber es ist nicht sachgerecht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Kollege Hovenjürgen.
Josef Hovenjürgen (CDU): Herzlichen Dank, Frau Schneckenburger, dass Sie die Frage zulassen. – Sie hatten gerade den Begriff „Übertreibungen“ verwendet. Halten Sie es nicht für eine Übertreibung, das newPark-Projekt mit dem Nürburgring zu vergleichen, wo die schwarz-grüne Landesregierung Rheinland-Pfalz
(Lachen von Rainer Schmeltzer [SPD] – Zurufe: Oh!)
– Entschuldigung, die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz –, 500 Millionen € versenkt hat, während es hier in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz dazu nur 17,5 Millionen € sind.
(Heiterkeit)
So kann das gehen, Herr Schmeltzer. – Nichtsdestotrotz möchte ich von Ihnen eine Bewertung, weil dieser unselige Vergleich auch leider von Herrn Römer angestellt worden ist, der aus der Region kommt und diese kennen müsste.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Schneckenburger.
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Hovenjürgen, ich habe den Mechanismus verglichen und nicht die Höhe der Investition. Beim Mechanismus frage ich Sie noch mal: Was würde ein CDU-Minister an dieser Stelle tun, wenn ihm der Landesrechnungshof sagt: „Nein, wir halten es nicht für geboten, diese Bürgschaft zu erteilen; wir halten die Risiken für zu groß“, und wenn Ihnen ein Gutachter sagt: „Nein, gib diese Bürgschaft besser nicht; denn die Risiken sind nach unserer Auffassung zu groß“? Ich habe Sie gefragt, wie der Mechanismus zu bewerten ist.
(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])
Darauf könnten Sie als CDU auch mal eine Antwort geben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fakt ist doch, keine Bank war bereit, ohne Bürgschaft des Landes zu finanzieren. Die Banken werden auch eine eigene Expertise haben, Herr Hovenjürgen.
Es gibt keinen Widerspruch, den Sie immer wieder zu erzeugen versuchen, zwischen Prognos und PwC. PwC hat die Zahlen von Prognos verwendet und gesagt: Das Best-Case-Szenario, mit dem hier gerechnet worden ist, arbeitet mit Annahmen – es ist kein Klagerisiko einkalkuliert worden; es ist eine sofortige Vermarktung von 10 ha unterstellt worden –, die nicht tauglich sind, eine seriöse Perspektive zu begründen.
Und ich will noch eines sagen, weil Sie eben ein bisschen locker darüber hinweggegangen sind, die Grünen würden jetzt gleich wieder mit den 1.000 ha kommen. Herr Hovenjürgen, die Oberbürgermeister und Landräte der Region – übrigens auch Ihr Landrat in Recklinghausen und Ihr Kreis Recklinghausen – haben im letzten Jahr, 2012, einen Brief an die Landesregierung gerichtet. In dem Brief haben Sie gemeinsam mit dem RVR gesagt, wir haben große RAG-Flächen, brachfallende und schon brachgefallene RAG-Flächen im Ruhrgebiet. Helft uns bitte, diese Flächen zu entwickeln! Denn es ist für uns wirtschaftlich absolut notwendig, diese Flächen wieder einer Verwendung, einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Habt Ihr aber nicht!)
Das haben Sie gesagt, und ich finde, Sie haben absolut recht. Und jetzt sagen Sie hier auf einmal: Das geht doch überhaupt nicht! – Wir wissen doch, die altindustriellen Flächen sind überhaupt nicht zu verwerten, da sie ein großes Vermarktungsrisiko bergen und das Baurecht dagegensteht.
Herr Hovenjürgen, wenn man in der Region eine konsistente Politik macht, muss man sich entscheiden, ob man in großem Stil neue Flächen ausweist – verbunden mit einem planerischen Risiko, das auch Sie in dieser Region kennen – oder ob man sich eine konsequente Entwicklung auch des Potenzials der altindustriellen Flächen vornimmt. Sie drehen sich aber an dieser Stelle. Zuerst machen Sie eine politische Initiative, um sich dann zu drehen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin Schneckenburger, der Abgeordnete Hovenjürgen hat sich zu einer weiteren Zwischenfrage gemeldet.
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Bitte.
Josef Hovenjürgen (CDU): Kollegin Schneckenburger, herzlichen Dank für die Möglichkeit, Ihnen noch eine Frage zu stellen. – Sie haben meine Rede gehört, und ich habe gesagt: Die 1.000 ha gibt es. Das hat niemand bestritten. Nur, wer von einer wirklichen Vermarktung oder Nutzbarmachung reden will, der muss bereit sein, das Baurecht zu ändern. Ich habe gesagt, diese Gesetzesvorlagen zur Änderung des Baurechts gibt es Ihrerseits noch nicht. Insofern bleibt im Moment nichts anderes übrig, als Flächen wie den newPark voranzutreiben.
Sind Sie bereit, das Baurecht – die Landesbauordnung und den Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen – so zu ändern, dass altindustrielle Flächen durch Verringerung des Abstandserlasses wieder industriell nutzbar werden?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Schneckenburger.
Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Hovenjürgen, abgesehen davon, dass die Landesbauordnung ohnehin in eine Überarbeitung geht und wir dann prüfen werden, wo Überarbeitungsbedarf besteht, haben Sie und Ihre Oberbürgermeister – ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, nur den eigenen Brief noch mal zur Lektüre empfehlen – das Land aufgefordert, finanzielle Hilfe für die Altlastensanierung zur Verfügung zu stellen.
Es ging gar nicht um das Baurecht. Es ging gar nicht um Abstandsgebote, sondern es ging um die Frage, ob das Land finanzielle Hilfen für die Altlastensanierung zur Verfügung stellt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich meine, Symbolprojekte helfen dem Ruhrgebiet an der Stelle überhaupt nicht weiter. Es ist nicht weiterführend, ein Projekt über Jahre hinweg zu planen und es noch dazu so zu planen, dass der Eindruck entsteht, es sei nicht seriös geplant. Davon haben wir im Ruhrgebiet wirklich genügend gehabt.
Wir brauchen ernsthafte Bemühungen um Ansiedelung im Ruhrgebiet, um die Entwicklung von Clustern, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch in ganz unterschiedlichen Segmenten. Dazu gehört es meines Erachtens, sich ernsthaft an die schwierige Aufgabe zu machen, altindustrielle Flächen weiterzuentwickeln. Ich verweise auf die Entwicklung in Bochum. Ich verweise auch auf die Entwicklung in anderen Bereichen, beispielsweise auf die Fläche Blumenthal in Herne, eine ehemalige RAG-Fläche, wo eine Entwicklung absolut notwendig ist.
Ich lade Sie ein, sich an dieser Stelle zu beteiligen, und meine, dass es keinen Sinn macht und auch dem Ruhrgebiet, Herr Hovenjürgen, an keiner Stelle dienlich ist, in dieser Art und Weise hier noch einen nachgelagerten Wahlkampf zu betreiben. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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