Daniela Schneckenburger: „Sie von der Opposition geben hier Bekenntnisse ab, dass das Ruhrgebiet Arbeitsplätze braucht. Aber mit Bekenntnissen allein macht man keine Politik.“

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP-Fraktion zu new.Park

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Ellerbrock, es war erstaunlich moderat, was Sie vorgetragen und wie Sie das vorgetragen haben.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wieso erstaunlich?)
– Ja, es war wirklich erstaunlich. Man musste im Grunde genommen anderes befürchten.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nein, es ist ein differenzierter Kollege!)
Herr Ellerbrock hat das ganz recht gemacht. Allerdings – das muss man doch sagen – endete es dann doch so, wie zu befürchten war, nämlich mit einem ideologischen Bekenntnis der FDP: Wir brauchen Flächen. Wir brauchen Neuansiedlungen. – Hierbei wird nicht berücksichtigt, wie die Realität tatsächlich ist, dass nämlich Neuansiedlungen, Ausweisungen von Gewerbeflächen an rechtliche Vorgaben gebunden sind.
Wenn wir ehrlich miteinander sind, dann muss man dazu sagen, dass die Auseinandersetzung,
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
die Entwicklungsgeschichte von newPark genau von diesen rechtlichen Fragen begleitet und mit diesen rechtlichen Fragezeichen auch weiterhin versehen ist.
(Ralf Witzel [FDP]: Wollen Sie es oder wollen Sie es nicht?)
Wie ist es denn wirklich? – Schauen wir einmal ganz kurz zurück. Die newPark-Fläche ist vor 35 Jahren im Landesentwicklungsplan für Großvorhaben ausgewiesen worden. Was ist zunächst gekommen? -Gekommen ist nichts.
Dann wurde die Fläche verkleinert. Es fand auch eine Anpassung der Rahmenbedingungen statt. Die Untergrenze für den Flächenbedarf ist auf 80 ha reduziert worden. Das war schon 1994. Vor diesem Hintergrund sind anschließend neue Pläne der Städte Datteln und Waltrop zur Realisierung von newPark entstanden. 2009 sind dann die Weichen gestellt worden. So lange ist diese Fläche bereits in der Planung und Überplanung – übrigens ohne dass das Großvorhaben, das dort ursprünglich angesiedelt werden sollte, realisiert worden wäre.
Jetzt kommen Sie und geben hier Bekenntnisse dazu ab, dass das Ruhrgebiet Arbeitsplätze braucht. Herr Hovenjürgen, da stimmen wir überein. Das Ruhrgebiet braucht in der Tat Arbeitsplätze. Das Ruhrgebiet braucht auch industrielle Arbeitsplätze und gewerbliche Arbeitsplätze. Das ist komplett richtig. Aber mit Bekenntnissen allein macht man keine Politik, Herr Hovenjürgen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Man muss auch sagen, wie es denn wirklich gehen kann und wie es rechtlich so sauber gehen soll, dass Sie nicht als Opposition eines Tages kritisieren: Warum hat der Wirtschaftsminister eine Bürgschaft für ein Projekt gegeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt waren? – Diese Frage würden Sie ja stellen.
Man springt wirklich zu kurz, wenn man sich hierhin stellt und erklärt, das bräuchten wir, aber dann nicht den Weg aufzeigen und sagen kann, wohin es gehen soll.
Es wird also schon seit Jahren über die Entwicklung dieser Fläche gesprochen. Es sind auch Gutachten in Auftrag gegeben worden. Man muss aber festhalten, dass die Risiken in Bezug auf die Entwicklung weiterhin vorhanden sind, Herr Hovenjürgen. Sie kommen doch aus der Region und müssten das auch wissen.
Beispielsweise müssten Sie wissen, dass ein Verfahren gegen den Bau der B474n anhängig ist. – Übrigens richtet sich dieses Verfahren gegen den ersten Teil der Planfeststellung. Der zweite Teil der Planfeststellung, der für die Erschließung der Fläche noch sehr viel wichtiger wäre, ist noch gar nicht erfolgt. – Darüber wird im Januar 2013 verhandelt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen und unklar – wie das vor Gericht eben ist. Es ist noch nicht einmal klar, wann genau das Urteil vorliegen wird. – Das ist eines der Risiken bei dieser Entwicklung.
Es gibt weitere Risiken. So bestehen wirtschaftliche Risiken durch Verlagerungen von Ansiedlungen aus anderen Kommunen des Emscher-Lippe-Raums; auch dies muss man sorgfältig abwägen.
Außerdem steht man vor planungsrechtlichen Fragen. An der gerade schon angesprochenen FFH-Verträglichkeitsanalyse kommt man auch nicht vorbei.
Letztendlich gibt es finanzielle Risiken; denn die beteiligten Kommunen können ihre Eigenanteile am Grundstückserwerb ohne eine entsprechende Bürgschaft des Landes nicht darstellen. Wie der Kollege Schmeltzer gerade gesagt hat, geht es hier um eine Bürgschaft von 17,5 Millionen €, die das Land übernehmen soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir haben vorgestern hier eine Haushaltsdebatte geführt. Zu Recht haben alle Redner darauf hingewiesen – deswegen handeln wir auch entsprechend –, dass bei diesem Landeshaushalt ein hoher Konsolidierungsbedarf besteht und dass ab 2020 die Schuldenbremse gilt. Diese Landesregierung bemüht sich auch, genau das auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig fordern Sie hier den Wirtschaftsminister auf, Bürgschaften für ein Entwicklungsvorhaben zu vergeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch überhaupt nicht geklärt sind. Sie müssten uns erst einmal erklären, wie daraus eine konsistente Haushalts- und Finanzpolitik des Landes werden soll.
Es ist absolut sinnvoll und richtig, dass die Landesregierung sorgfältig prüft und damit die genannten Risiken vor dem Hintergrund der möglichen finanziellen Belastung durch die Übernahme einer Bürgschaft für den Grundstückserwerb in den Blick nimmt. Das kann man einer Landesregierung doch nicht ernsthaft vorwerfen! Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie auch zugeben, dass Sie als Opposition die Ersten wären, die ein anderes Verfahren hier anprangern würden.
Über die wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit des Planungsvorhabens kann man vielleicht noch unterschiedlicher Meinung sein. Man kann der Landesregierung aber nicht vorwerfen, dass sie vor der Absicherung des Ankaufs dieser Fläche, die eine erhebliche Dimension hat, in einen sorgfältigen Abwägungsprozess über die Gesamtrisiken eintritt und auch noch abwartet, wie rechtliche Auseinandersetzungen verlaufen, die die ganze Planung zum Scheitern bringen können.
Lassen Sie mich nun noch etwas zur Gewerbeflächensituation im Ruhrgebiet insgesamt anmerken. Ja, das Ruhrgebiet hat perspektivisch auch Flächenbedarf. Es hat aber auch einen Flächenvorrat. Das ist anders, als Sie es eben dargestellt haben, Herr Hovenjürgen. Es gibt doch die entsprechende Analyse des RVR. Danach hat das Ruhrgebiet einen Flächenvorrat für gewerbliche Bauvorhaben von 2.721 ha. Das steht in der Studie der Wirtschaftsförderung im RVR, die Sie eigentlich kennen müssten.
Der Ehrlichkeit halber füge ich hinzu, dass davon 1.168 ha mit Restriktionen unterschiedlicher Art belegt sind. Tatsächlich sofort verfügbar sind damit 1.552 ha.
Es geht also nicht darum, dass kurzfristig ein Bedarf an Gewerbeflächen besteht. Vielmehr gibt es einen mittelfristigen und langfristigen Bedarf an Gewerbeflächen.
Herr Hovenjürgen, wenn man dann eine konsistente Politik, auch auf RVR-Ebene, machen will, muss man fragen: Gibt es Instrumente, um Flächen mit Restriktionen, also Brachflächen, beispielsweise Flächen mit einer Altenlastenproblematik, wieder verfügbar zu machen? Welche Instrumente brauchen wir dafür?
Schließlich haben wir ein gemeinsames Ziel – darauf hat sich auch Ihre ehemalige Landesregierung verpflichtet –, nämlich das 5‑ha-Ziel. Es geht also darum, Flächen zu sparen und Flächen zu schonen. Deshalb müssen wir unter anderem Instrumente entwickeln, mit denen diese Altflächen wieder verfügbar gemacht werden können. Dazu will ich Sie gerne einladen. Das wäre der richtige Weg. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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