Daniela Schneckenburger: „Es war Opel, das am Ende GM in den USA gerettet hat. Und das ist jetzt der Dank dieses Konzerns dafür!“

Aktuelle Stunde: Betriebsbedingte Kündigungen bei Opel in Bochum verhindern

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ankündigung von GM, die Autoproduktion am Standort Bochum 2016 einzustellen, ist ein herber Schlag. Das gilt für die Beschäftigten; es sind immer noch 3.000 in Bochum. Das gilt für die Stadt Bochum und ganz genauso für die angrenzenden Städte. Das gilt auch für die Region Ruhrgebiet und für die angrenzenden Regionen. Das ist die weitere Dramatik darin. Viele Tausend Menschen hängen mittelbar und unmittelbar vom Opel-Standort ab. Es sind bis zu 20.000 Menschen, die bei der Zulieferindustrie beschäftigt sind und die mittelbar vom Opel-Produktionsstandort abhängen. Das sind alles Menschen, die in dieser Region jetzt um ihren Arbeitsplatz, um ihre Existenz und um ihre Zukunft bangen.

Das Groteske ist im Übrigen auch, dass wir ausgerechnet jetzt in der Woche sind, in der Opel 50 Jahre Opel-Produktion am Standort Bochum und 150 Jahre Bestehen von Opel feiern wollte. Das große Jubiläumsfest war geplant für kommenden Samstag. Und in dieser Woche verkündet GM das Aus. Das ist eine Instinktlosigkeit gegenüber dem Unternehmen und den Menschen, die sich vor Ort jahrelang für diesen Standort eingesetzt haben.

Es hat eine gewisse Konsequenz, diese Feier jetzt abzusagen, in der Tat. Aber es zeigt auch, welche Art Dankbarkeit GM gegenüber den Menschen und der Stadt Bochum verspürt, die ihnen übrigens in der Krise der Automobilindustrie 2008/2009, die eine schwere Krise für GM, eine existenzbedrohende Krise für den Mutterkonzern war, Cash in die Kasse brachten. Es war nämlich Opel, das am Ende GM in den USA gerettet hat. Und das ist jetzt der Dank dieses Konzerns dafür!

Es ist unwürdig, das zu sehen. Es ist unwürdig, das in dieser Situation in der Weise zu machen, wie GM es macht. Mit der Ankündigung beendet der Mutterkonzern im Grunde genommen eine Hängepartie, die schon seit Jahren über diesem Standort schwebt. Seit 2008 schwebt das Damoklesschwert der Schließung über Bochum, über den Beschäftigten aus der Stadt und aus der Region.

Richtig ist ja, dass Opel rote Zahlen schreibt. Richtig ist auch, dass der Absatz an Opel-Fahrzeugen rückläufig ist. Richtig ist aber auch – und das muss man noch mal in aller Deutlichkeit sagen –, dass der Mutterkonzern GM in der Finanzkrise und davor eine verfehlte Produktpolitik hatte. Die haben in den USA immer noch diese großen Schlitten produziert, die keiner mehr fahren wollte und keiner mehr fahren kann, weil erkennbar ist, dass der Ölpreis in die Höhe geht und dass diese großen Schlitten mit ihrem hohen Benzinverbrauch überhaupt nicht mehr bezahlbar sind. Das war die Politik in den USA, die GM an den Rand des Ruins gebracht hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hat der Konzern letztlich ausgetragen auf dem Rücken der europäischen Opel-Standorte, insbesondere jetzt auf dem Rücken Bochums, wobei Opel eine andere Produktpolitik gemacht hat und auch Innovationen betrieben hat.

Bezeichnend war dabei übrigens, dass GM eine Opel-Produktion in Europa, in Deutschland als GmbH geführt hat. Das zeigt, wie unselbstständig diese Automobilproduktion hier gehalten wurde und dass es vor allen Dingen darum ging, Liquidität für das eigene Überleben herauszuziehen.

Es war also wesentlich die Politik des Mutterkonzerns GM, die dazu geführt hat, dass der Standort seit Jahren um sein Überleben kämpfen musste. Es war nicht die verfehlte Produktpolitik vor Ort. Übrigens ist das Werk bis heute noch gut ausgelastet.

GM hat Opel keine Chance zur Selbstständigkeit gegeben, hat stattdessen 2009 einen Verkauf in letzter Minute – wenn wir uns daran noch mal erinnern – verhindert. Das hätte eine Lösung auch für die Opel-Produktion in Deutschland sein können, ist aber verhindert worden. GM hat gleichzeitig auch noch die asiatischen Absatzmärkte dicht gemacht und die Marke auf den europäischen Markt beschränkt.

Das, meine Damen und Herren, ist verantwortungslose Politik gegenüber den Menschen in der Bundesrepublik, in Europa, insbesondere in Bochum.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn es jetzt so kommen sollte, wie von GM angekündigt, dann muss man auch sehen, dass die Menschen im Ruhrgebiet viel Erfahrung haben mit Strukturbrüchen, mit den Schwierigkeiten des Strukturwandels, mit Rückschlägen, aber auch mit dem Aufstehen und mit dem Neuanfang und mit dem Weitermachen. Das gilt für die Menschen in Bochum – Nokia war ein Beispiel dafür, wie die Stadt mit diesem herben Rückschlag umgegangen ist –, das gilt für die Menschen im Ruhrgebiet insgesamt. Es gibt ein Motto, das sich die Ruhrgebietskommunen zusammen gegeben haben: Wandel als Chance. – Das ist das Motto, mit dem die Region sich selbst verbinden will.

Darum ist es natürlich auch gut, dass die Landesregierung schon sehr frühzeitig den Dialog aufge-nommen hat mit dem mittleren Ruhrgebiet, mit Opel und mit GM, um auszuloten, welche Entwicklungsmöglichkeiten es in die Zukunft hinein gibt für die Flächen – aber natürlich auch für das, was GM angekündigt hat, nämlich: Wir bleiben da, wir bleiben mit einer Komponentenfertigung da. – Das ist übrigens eine etwas merkwürdige Geschichte. Auch da weiß man nicht, ob man GM Glauben schenken darf; denn gleichzeitig lassen sie ja die Getriebefertigung 2014 auslaufen. Aber sie haben gesagt: Wir bleiben mit einer Komponentenfertigung da. – Dann muss GM das jetzt auch zeigen, Butter bei die Fische geben und deutlich machen, dass das diesmal wirklich eine ernstgemeinte Ankündigung ist und keine Ankündigung von der Sorte, wie es sie in der Vergangenheit gab.

GM muss dafür geradestehen, dass die Produktion bis 2016 weiterlaufen kann und damit das Fenster zumindest ein Stück weit offen bleibt. GM muss auch dafür sorgen, dass bei der Entwicklung und Verwertung von Flächen eine Kooperation mit der Stadt in verlässlicher Weise stattfindet, damit Infrastrukturfragen geklärt werden können und damit geklärt werden kann, wie sich GM auch finanziell an einem Nachfolgekonzept beteiligt.

So viel Verantwortung, sehr geehrte Damen und Herren, muss für diesen Standort schon sein. Das ist unsere Forderung an GM. Wir fordern Verlässlichkeit. Wir fordern stabile Zusagen von einem Konzern, der sich selbst gerettet hat auf Kosten der Opelaner und Opelanerinnen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Wirtschaft