Dagmar Hanses: „Wir wissen längst, dass sich Prävention auch hier rechnet“

Landeshaushalt 2016 - Justiz

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Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schwierig, wenn ich nach Herrn Wedel sprechen muss, wieder herunterzukommen. Ich frage mich immer: Wer schreibt Ihnen dieses Feuerwerk der Halbwahrheiten eigentlich auf? Das ist unfassbar!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der SPD)
– So ist es!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir versuchen alle, wieder runterzukommen und uns sachlich mit dem Einzelplan 04 zu beschäftigen, dem Geschäftsbereich des Justizministeriums. Dieser Einzelplan vereinigt, wie Sie alle wissen, wie kein anderer unter einem Dach Prävention und Repression. Deshalb lohnt es sich, da noch einmal genauer hinzusehen.
Wir haben das im Rechtsausschuss in der Tat auch schon beraten: Bereits bei der Aufstellung dieses Einzelplans bin ich immer wieder über die einführenden Worte des Hauses im Erläuterungsband gestolpert, weil sie bereits die terroristischen Ereignisse in Paris, Kopenhagen und Tunesien in der ersten Hälfte dieses Jahres bezugnehmend erläutern.
Die Schlussfolgerungen, die das Justizministerium daraus zieht – die ziehen jetzt auch wir mit der Aufstellung des Haushaltes daraus –, sind mit den Ereignissen des Novembers dieses Jahres auf bedauerliche Weise noch dringlicher geworden.
Auch in diesem Haushaltsplan ziehen wir die Konsequenzen aus den steigenden Flüchtlingszahlen. Nach den bisherigen Erfahrungen können wir davon ausgehen, dass ca. die Hälfte der abgelehnten Asylanträge bei unseren Verwaltungsgerichten landen. Herr Wedel, es ist völliger Unfug, dass sich der Minister erst im Rechtsausschuss, der ein Verwaltungsgericht besuchte, ein Bild machen musste. Selbstverständlich ist der Minister jederzeit bestens über die Vorgänge an Verwaltungsgerichten informiert. Da brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn ich aber in anderen Bundesländern davon berichte, dass in diesem Haushaltansatz bereits 59 weitere Stellen für Verwaltungsrichterinnen und Veraltungsrichter vorgesehen waren und wir zusätzlich knapp 100 weitere Planstellen für Geschäftsstellen und im Servicebereich bekommen, dann schauen andere Bundesländer mit ein bisschen Neid, vielleicht aber auch mit ein bisschen Respekt darauf, dass wir die Stellen vorausschauend schaffen und nicht wie die Bundesregierung handeln, die dies beim BAMF an vielen Stellen viel zu spät macht; sie hat die Stellen, die hier längst erforderlich wären, noch immer nicht eingestellt.
(Beifall von Sven Wolf [SPD])
Ja, unsere Verwaltungsgerichte brauchen selbstverständlich Unterstützung, um die steigende Zahl der Verfahren bearbeiten zu können.
Aber der Weg zur Einhaltung der verfassungsgemäßen Schuldenbremse wird weiterhin kein leichter sein. Da geht es nicht nur um das Wünschenswerte, sondern auch um das Machbare.
Wie Ihre Vorschläge, die Vorschläge der Opposition, dazu aussehen, haben Sie bisher geheim gehalten. Dass Sie unseren Haushaltsanträgen nicht zustimmen können, ist ein Schlag ins Gesicht der Freien Straffälligenhilfe.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Dass Sie, liebe CDU, im Ausschuss ernsthaft nach einer Gegenfinanzierung gefragt haben, legt Ihre Haltung dazu offen.
Bitte richten Sie das allen Caritas-Geschäftsführern mit einem schönen Gruß von mir aus. Wenn hier investiert wird, lohnt sich jeder Euro. Jeder Tag, der ein Haftplatz vermieden wird, lohnt sich nicht nur für die betroffene Person selbst, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.
Wir bekennen uns zum Zwei-Säulen-Modell, zur Straffälligenhilfe in der Justiz, an den Landgerichten, und zur freien Straffälligenhilfe in der Freien Wohlfahrtspflege. Diese Bereiche bestehen nebeneinander, unterstützen sich gegenseitig und ergänzen sich.
Ich möchte jedoch unsere Haushaltsanträge noch schnell im Einzelnen nennen: 78.000 € mehr für die ehrenamtliche Arbeit der freien Straffälligenhilfe, die Ehrenamtliche vernetzt, fortbildet und qualifiziert, 206.000 € mehr für die Förderung gemeinnütziger Arbeit derjenigen, die die sogenannten Sozialstunden vermittelt und betreut, 36.000 € mehr für Haftverkürzungsprojekte an freie Trägern, 128.000 € mehr für die Förderung der Täterarbeit, 98.000 € mehr für die Mitwirkung bei der Behandlung von Sexualstraftätern, 142.000 € mehr für die Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zarte 12.000 € mehr für die Maßnahmen des Übergangsmanagements im Jugendarrest.
(Beifall von den Grünen)
Diese Erhöhungen mögen manch einem klein Erscheinen. Doch wir wissen längst, dass sich Prävention auch hier rechnet. Jeder Euro zahlt sich aus – nicht nur für die Gefangenen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.
Herr Kamieth, Ihre Darstellung, wie sich die Straftaten entwickelt haben, ist völlig schräg. Es ist gut, in einer Gesellschaft zu leben, in der es immer weniger Gewaltdelikte …
Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): … und immer weniger Verurteilungen gibt. Die Kapitaldelikte und Gewaltdelikte sind massiv zurückgegangen. Die Jugendkriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 44 Jahren. Ihr Szenario hier ist völlig abstrus.
(Unruhe)
Ich komme zum Schluss: Die Opposition hat keine Strategie zum Haushalt. Ein Konzept ist leider nicht erkennbar.
Die CDU singt das Mantra der schwarzen Null und hat kein Konzept. Die FDP brabbelt sonst immer „Privat vor Staat“ vor sich hin; Herr Wedel hat im Rechtsausschuss geäußert, die Mittel seien viel zu niedrig. Ob das die neue FDP ist, bleibt noch geheim. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Nadja Lüders [SPD]: Das kann auch so bleiben!)