Dagmar Hanses: „Wir sehen keine Rechtsschutzlücke in der Gewährung von Grundrechten“

Gesetzentwurf der FDP zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde

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Dagmar Hanses (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem wir im letzten Plenum die Punkte, die breiter Konsens zwischen allen Fraktionen in der Verfassungskommission waren, beschlossen haben, ist es völlig legitim, nachvollziehbar und verständlich, noch einmal die Punkte einzureichen, die den Fraktionen besonders am Herzen liegen.
Herr Kollege Kamieth, das ist nicht ein Diskreditieren der Verfassungskommission, ganz im Gegenteil. Letztlich waren es Sie, war es die CDU-Fraktion, die an wichtigen Punkten auf der Bremse stand, blockiert und einen breiteren Konsens verhindert hat.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Deshalb sind wir sehr froh, dass wir hier einige Punkte noch einmal einbringen können.
Ich finde, das Anliegen der FDP hat ja durchaus seinen Charme. Wir haben von Anfang an gesagt, dass eine Einführung der Individualverfassungsbeschwerde durchaus sympathisch klingt. Wenn sie dazu beiträgt, dass der Zugang zum Recht erleichtert wird, wenn das Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit gestärkt wird, wenn die Identifikation von Bürgerinnen und Bürgern mit der Verfassung und damit letztendlich auch mit Nordrhein-Westfalen gesteigert wird, dann gibt es durchaus Gründe, die dafür sprechen. Es wurde schon gesagt: Elf andere Länder bieten diesen Rechtsweg an.
Doch das, was im Punkt „Individualverfassungsbeschwerde“ offen geblieben ist, beantwortet die FDP mit diesem Gesetzentwurf leider nicht. Deshalb möchte ich noch einmal begründen, warum ich große Bedenken habe, wie das angelegt ist.
Zunächst zu dem Punkt „Rechtsschutzlücke“. Wir sehen keine Rechtsschutzlücke in der Gewährung von Grundrechten. Wir bezweifeln das. Sie argumentieren in Ihrem Gesetzentwurf eher rechtssystematisch, aber es ist aus unserer Sicht nicht zwingend erforderlich.
Weil wir ein Verfassungsgericht haben, sollte man es auch anrufen können – das kann man mal so stehenlassen, aber das, was Sie beschreiben, ist uns eher zu klein und zu wenig, um diesen Aufwand zu betreiben.
Sie garantieren eben durch Art. 4 Abs. 1 der Landesverfassung aus dem Grundgesetz bezogene Grundrechte. Und was die überschießenden Grundrechte in unserer Landesverfassung in der Rechtsfolge beim Klageweg heißen, lassen Sie offen, beispielsweise wenn wir uns den Punkt ansehen, was das bezogen auf das Recht auf Arbeit heißt, was die Rechtsfolge sein würde, wenn ein arbeitsloser Mensch aus Nordrhein-Westfalen klagen würde und dieses Grundrecht einfordert.
Ein weiterer Punkt ist die Subsidiarität. Wir wollen selbstverständlich keine Instanzen der Grundrechte. Sie lassen das völlig offen. Wir wollen keinen Wettlauf mit Karlsruhe. Kann man nach einer gescheiterten Klage in Karlsruhe dann noch einmal in der Folge nach Münster gehen? Wie soll das ausgestaltet werden? – Das bleibt völlig offen.
Die Kosten des Rechtsweges könnten hier aufgezeigt werden. Sie haben auch definiert, wie viele Richterinnen und Richter verankert sein sollen, und gesagt, dass das selbstverständlich auch etwas kostet. Rechtsstaatlichkeit kostet etwas; das teilen wir. Wenn Sie aber selber schon im Gesetzentwurf den Aufwand der abgewiesenen, nicht zulässigen Klagen jetzt schon bei 95 % sehen, bleibt es völlig unklar, was das heißt.
Ein weiterer Punkt ist die jetzige Angliederung an das OVG. Wie das in Ihrer Vorstellung angesiedelt werden soll, ist auch völlig unklar.
Deshalb: Wenn Sie nicht im weiteren Verfahren Ross und Reiter nennen, können wir dem so nicht zustimmen. Wir teilen aber Ihr Anliegen und sind durchaus gesprächsbereit und freuen uns auf die weiteren Beratungen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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