Dagmar Hanses: „Staatsanwaltschaften nehmen aus unserer Sicht im heutigen Rechtsgefüge eine Sonderrolle zwischen Exekutive und Judikative ein.“

Antrag der Piraten zum politischen Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz ist nahezu ein Markenkern grüner Rechtspolitik. Eine gut funktionierende Gewaltenteilung stärkt die Demokratie und den Rechtsstaat, keine Frage. Dies sollte uns allen Aufgabe und Verpflichtung sein.
Auch wenn wir möglicherweise ähnliche Ziele verfolgen, liebe Piraten, teilen wir bereits die Beschreibung der Ausgangslage Ihres Antrages ausdrücklich nicht. Es gibt nämlich aus unserer Sicht kein politisches Weisungsrecht. Von den Vorrednerinnen und Vorrednern wurde schon beschrieben: Es gibt eben das externe und das allgemeine Weisungsrecht. Ein Ministerium ist erst einmal kein politisches Ministerium, sondern Teil der Landesregierung.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Hoho!)
– Ja, ganz sicher. – Wir halten es für überholt, dass, wie Sie es beschrieben haben, die Staatsanwaltschaften ganz schlicht und platt der Exekutive zuzuordnen sind. Staatsanwaltschaften nehmen aus unserer Sicht im heutigen Rechtsgefüge eine Sonderrolle zwischen Exekutive und Judikative ein.
Bei uns in NRW ist das Weisungsrecht, wie beschrieben, seit 2001 an enge Kriterien gebunden. Dazu gibt es zehn Leitlinien, die erarbeitet wurden und sich bewährt haben. Ich kann Ihnen berichten, dass andere Länder ähnliche Überlegungen anstellen, um dem Beispiel Nordrhein-Westfalens zu folgen, ähnlich strenge Kriterien an das Weisungsrecht zu binden.
Ich möchte an dieser Stelle noch kurz darauf hinweisen, dass wir mit dem LPVG selbstverständlich auch die Mitbestimmung der Staatsanwaltschaften gestärkt haben. An dieser Stelle möchte ich noch betonen, dass ich mich auf das geplante Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz Nordrhein-Westfalen freue,
(Beifall von den GRÜNEN)
dem in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zukommt.
Herr Minister – habe ich es richtig in Erinnerung? –, es gibt 19 Staatsanwaltschaften in NRW. Sie erfüllen täglich eine besonders bedeutsame Aufgabe im Rechtsgefüge, die dort mit hohem Engagement und großer Fachlichkeit umgesetzt wird. Sie sind in erster Linie an das Legalitätsprinzip gebunden.
Die von Ihnen beschriebene Angst, Herr Schulz, konnte ich bei unseren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten nicht beobachten. Ich habe sie als sehr selbstbewusste, fachlich qualifizierte Leute empfunden, die nicht aus Angst vor dem Minister zusammenzucken. Ganz im Gegenteil!
In Ihrem Antrag haben Sie im Gegensatz zu Ihrer Rede ein Beispiel genannt. Sie haben eben kein Beispiel genannt. In Ihrem Antrag steht ein Beispiel, das ich für denkbar ungeeignet halte, nämlich der sogenannte Fall Edathy. Das ist ein besonders schlechtes Beispiel, weil sich in diesem Fall ein Ermittlungsbehördenleiter im Vorverfahren an die Politik beziehungsweise an potenzielle künftige Mitglieder der Bundesregierung gewandt hat. Das ist ein massiver Fehler des Behördenleiters und nicht ein Problem des Weisungsrechts. Das ist also völlig abstrus.
Trotzdem freuen wir uns auf die Beratungen mit Ihnen; denn auf diesem Weg können wir uns demnächst gemeinsam das Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz. Ich weiß nicht, wie dringend Ihr Bedarf ist und wie eilig Sie es haben.
Ich möchte Ihnen aber noch ein paar Dinge mit auf den Weg geben, weil ich glaube, dass sie in Ihrem Antrag nicht zu Ende gedacht sind. Sie sollten einfach noch einmal überlegen: Welche Auswirkungen hätte Ihr Vorschlag auf parlamentarische Kontrolle? Welche Auswirkungen hätte er für uns als Legislative, was den Bereich parlamentarische Untersuchung angeht? Die Berichtspflicht wurde schon angesprochen. Weiter geht es auch um die Rolle der Generalstaatsanwälte. Ich denke, dass das in Ihrem Antrag nicht zu Ende gedacht ist. Wir möchten aber gerne mit Ihnen gemeinsam überlegen, wie wir die Staatsanwaltschaften – oder auch insgesamt die Unabhängigkeit der Justiz – stärken. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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