Dagmar Hanses: „Mit der Behauptung, der Zusammenbruch des gesamten Justizbereichs sei nahe, wird die Arbeit der Beschäftigten völlig missachtet“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Rechtspolitik in NRW

Portrait Dagmar Hanses

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Pfeil, wir haben von den Wählerinnen und Wählern einen unterschiedlichen Auftrag erhalten. Uns wurden damit unterschiedliche Rollen in diesem Haus zugewiesen.

Die Rolle der Abgeordneten in der Opposition durfte ich noch nicht spielen. Manchmal überlege ich, wie das wäre. Ich kann Ihnen aber versprechen: Wie Sie das in diesem Antrag anlegen, würde ich es nicht machen.

(Beifall von Angela Erwin [CDU])

Ich kann Ihnen nur empfehlen, das noch mal zu überdenken.

Sie schreiben im Antrag von einem Kollaps der Justiz. Das ist natürlich Quatsch. Die Justiz in Nordrhein-Westfalen steht vor keinem Kollaps. Dagegen scheint etwas anderes nicht nur vor dem Kollaps zu stehen, sondern schon kollabiert zu sein: das Verhältnis der antragstellenden Fraktion der FDP zur Realität, auf jeden Fall zur Realität in der Justiz in Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Erstens. Einige Behauptungen sind unwahr oder bis zur Unkenntlichkeit der Tatsachen verdreht.

Zweitens. Das wird den Beschäftigten nicht gerecht, die jeden Tag zum Gelingen des Rechtsstaats beitragen.

Drittens. Die FDP ist für einen Teil der Probleme und Herausforderungen, vor denen wir stehen, selbst verantwortlich.

Bevor wir aber die Behauptung des Antrags noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, lohnt sich ein Blick auf Ihre Quellenwahl. Sich ausgerechnet auf Apollo News, eine Plattform, die mit Vorliebe jedes populistische Steckenpferd reitet und demokratische Parteien verunglimpft, zu berufen, ist vielleicht nicht die klügste Entscheidung für einen seriösen Antrag.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die leitende Behauptung Ihres Antrags, in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen herrsche in allen Bereichen ein gravierender Personalmangel, ist einfach nicht richtig.

(Dr. Werner Pfeil [FDP]: Natürlich!)

– Nein.

(Dr. Werner Pfeil [FDP]: Ich war doch in der Anhörung dabei!)

Im richterlichen Dienst beispielsweise ist in allen fünf Gerichtsbarkeiten die Personalausstattung nach Personalberechnungssystem auskömmlich, und PEBB§Y 100 ist das Ziel für alle Geschäftsbereiche.

Im Antrag werden auch die gewaltigen Anstrengungen der Bediensteten übersehen. Mit der Behauptung, der Zusammenbruch des gesamten Justizbereichs sei nahe, wird die Arbeit der Beschäftigten völlig missachtet.

Im Rahmen unserer Studien- und Ausbildungsoffensive im Justizbereich ist bereits viel geschehen. Nun werden die jungen Menschen, die ihre Ausbildung begonnen haben, diese aber nicht über Nacht abschließen, sondern sie brauchen eben Zeit, bis sie fertig sind.

Ja, wir stehen in vielen Bereichen vor Herausforderungen. Aber wir schauen differenziert hin. Wir malen die Welt nicht rosarot. Wir empfehlen Ihnen aber, Ihre Schwarzmalerei zu lassen. Noch 2017 hat die FDP hier behauptet, „Privat vor Staat“ sei ein wichtiges liberales Prinzip. Die Dellen, die bei den Einstellungen im öffentlichen Dienst, bei Beamtinnen und Beamten entstanden sind, können wir in der Altersstruktur erkennen.

(Ralf Witzel [FDP]: Quatsch! Doch nicht für hoheitliche Kernaufgaben!)

Da, wo die FDP regiert hat, sind genau diese Dellen entstanden. Das ist ein Problem. Damit trägt die FDP einen erheblichen Teil der Verantwortung für strukturelle Probleme selbst.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Unsinn! – Zuruf von Dr. Werner Pfeil [FDP])

Die Unterstellung, wir würden die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung verschlafen, kann ich nicht nachvollziehen.

(Zuruf von Dr. Werner Pfeil [FDP])

Wir legen auf dieses Thema einen wichtigen Schwerpunkt.

Rechtssicherheit ist uns wichtig. Kurzfristigen, spektakulären Aktionen, die Datenschutzkatastrophen oder massive Eingriffe in Persönlichkeitsrechte zur Folge hätten, können wir nicht folgen.

Dieser Antrag ist ein Showantrag. Er hilft niemandem, auch der FDP nicht. Wir lehnen diesen Antrag ab. – Ich wünsche Ihnen allen eine erholsame Osterzeit und ein schönes Fest.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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