Dagmar Hanses: „Im harten Wettbewerb um die besten und klügsten Köpfe“

Zum Antrag der FDP zu den Arbeitsbedingungen in der Justiz

Portrait Dagmar Hanses

Dagmar Hanses (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist fast wie in der letzten Sondersitzung: Falsche Dinge werden nicht richtiger, wenn man sie wiederholt. Deshalb ist es gut, dass wir hier ein paar Dinge klarstellen können.

Die Funktionsfähigkeit und das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Justiz haben für uns eine besonders hohe Bedeutung. Was uns die FDP heute für ein Gelingen vorlegt, ist ein Potpourri von verschiedenen Ansätzen. Es handelt sich um Ansätze, die bereits umgesetzt sind oder sich in guten Prozessen befinden, und bei denen NRW führend ist. Es sind auch Ansätze dabei, die wünschenswert, aber in der aktuellen Lage nicht finanzierbar sind. Bei einige Ansätzen möchte ich wiederum deren Sinnhaftigkeit infrage stellen.

Alle diese Aspekte sind so unterschiedlich, dass ich sie an dieser Stelle nur stichpunktartig benennen kann. Selbstverständlich stimmen wir der Überweisung des Antrags in den Ausschuss zu, damit wir dort detaillierter auf die unterschiedlichen Punkte eingehen können.

Eine bessere Besoldung von Richterinnen und Richtern sowie von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ist wichtig. Möchten die FDP und, wenn ich es richtig gehört habe, die SPD aber ernsthaft in die Tarifautonomie eingreifen? Wir möchten das nicht.

Die Fachkräftegewinnung für junge Leute in der Justiz und die Gewinnung von Quereinsteigerrinnen und Quereinsteigern kann nur durch verschiedene Bausteine gelingen. Es wurde eine Kampagne gestartet; das wurde schon angesprochen. Außerdem haben wir die Beratungsstelle Nachwuchsgewinnung für den Justizvollzug an der Justizvollzugsschule in Wuppertal, die Teilnahme an Fachmessen und die Kooperation mit Schulen. Darüber hinaus ermöglicht ein durchlässiges System im öffentlichen Dienst einen Aufstieg, eine Weiterbildung und eine Qualifizierung.

Eine Ansprache ist auch über Social Media möglich. Herr Pfeil, da muss der Köder aber nicht dem Angler, sondern dem Fisch schmecken.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn Sie die Amtsfluencerin „Conny from the block“ nicht schön finden, ist das egal, denn es kommt darauf an, dass die jungen Leute das anklicken und sich dafür interessieren.

Natürlich sind wir durch die Diskussion im Rechtsausschuss neugierig geworden, und ich habe mir das Buch von „Conny from the block“ besorgt.

(Die Abgeordnete zeigt das Buch.)

Die Erstauflage dieses Buchs war innerhalb weniger Tage vergriffen. Deshalb ist das schon die zweite Auflage.

Ich kann Ihnen mitteilen, Sie können sich „Conny from the block“ auch live anschauen. Sie ist im November in Nordrhein-Westfalen unterwegs, am 15. November in Köln und am 16. November in Dortmund. Das gebe ich Ihnen gleich gerne mit. Sie können es sich auch in der ZDFmediathek ansehen, wo die Aktivitäten der jungen Frau gestern noch im „heute journal“ sehr gewürdigt wurden.

Vizepräsident Christof Rasche: Das könnte der Kollege Werner Pfeil bestimmt sehr gerne machen, aber aktuell hat er eine Zwischenfrage.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Sehr gerne.

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Dr. Werner Pfeil (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrte Kollegin Frau Hanses, vielen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage. Ich habe eine Frage. Haben Sie sich denn die 400 Kommentare angeschaut und gelesen, die unter der Veröffentlichung von Jurius vom 11.06.2023 stehen, die teilweise davon ausgehen, dass sie real sexistische und rassistische Stereotypen bedient?

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Sehr gerne. Dazu kann ich gerne etwas sagen. Selbstverständlich überspitzt Satire, und selbstverständlich ist in Satire manchmal auch eine Zuspitzung, die Stereotype bedient. Aber die junge Frau hat selber einen Migrationshintergrund. Das ist natürlich im Rahmen der künstlerischen Freiheit möglich. Selbstverständlich habe ich die Kommentare gesehen, aber es geht nicht darum, dass allen alles, was bei den unterschiedlichen Maßnahmen stattfindet, gefällt. Wir müssen verschiedene Methoden anwenden, um verschiedene Zielgruppen auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Ich möchte dieses eine Instrument nicht hochloben oder niederreden. Es muss denen, die damit angesprochen werden sollen, gefallen.

Vizepräsident Christof Rasche: Bevor Sie in Ihrer Rede fortfahren, gibt es noch eine zweite Zwischenfrage, dieses Mal von Frau Müller-Witt.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Natürlich.

Vizepräsident Christof Rasche: Wunderbar. Bitte sehr.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade einen wunderbaren Werbeblock für die Akquise der Justiz gemacht und dargestellt, was alles unternommen wird. Das ist auch wunderbar. Wir sehen aber auf der anderen Seite die große Zahl von unbesetzten Stellen, und zwar angefangen vom untersten Wachtmeister bis hinauf in die höchsten Stellen der Justiz, und machen uns große Sorgen, weil – das wissen wir doch alle …

Vizepräsident Christof Rasche: Wir sind alle recht besorgt, aber bei Zwischenfragen stellt man Fragen.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Ja, die kommt jetzt. Es bleiben massig Verfahren liegen. Wie können Sie sich diese Diskrepanz erklären, dass Sie eine solche Werbeinitiative mit umfangreichen Maßnahmen ergreifen und gleichzeitig diese große Vakanz existiert?

Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Kollegin Müller-Witt, wir sprechen hier in diesem Saal nicht das erste Mal über Fachkräftemangel. Wir haben über Fachkräftemangel im Handwerk, in der Pflege, in Erziehungsberufen und in weiteren verschiedenen Bereichen immer wieder diskutiert. Selbstverständlich steht die Justiz ebenfalls in diesem harten Wettbewerb um die besten und klügsten Köpfe.

Sie haben den Wachtmeisterdienst, der auch im FDP-Antrag erwähnt wurde, angesprochen. Den höherzustufen, sehen wir sozialpolitisch als einen falschen Ansatz an, weil die Justiz dazu beitragen muss, dass es auch mit einem geringen Bildungsabschluss gelingen kann, in den öffentlichen Dienst der Justiz hineinzukommen. Deshalb brauchen wir den Wachtmeisterdienst in der bisherigen Form und brauchen den nicht noch akademisiert. Wir müssen ihn nicht aufpimpen, denn dann gewinnen wir letztendlich noch weniger Menschen für diesen Dienst. Wir brauchen einen niederschwelligen Einstieg in die Justiz, und dafür ist der Wachtmeisterdienst besonders wichtig.

Ich möchte noch erwähnen, dass die Evaluation der Vergütung von Gerichtsvollziehern bereits vorgezogen wird.

Ich kann nicht alle Maßnahmen nennen. In dem FDP-Antrag wird ein Sammelsurium benannt. Letztlich kommt es auf das an, was der Kollege Lucke gesagt hat: Ist Erwerbsarbeit sinnstiftend? Macht das, was ich da mache, einen Sinn, mache ich das gerne? Bin ich da in einem guten Team? Habe ich einen fairen Arbeitgeber, der mir Aufstiegsmöglichkeiten bietet?

Deshalb werben wir sicher gemeinsam, um mehr Menschen für die Justiz zu gewinnen. Wir streiten gerne unter Demokrat*innen über die unterschiedlichen Methoden dahin. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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