Dagmar Hanses: „Ihr Antrag ist einfach nur alter Wein in neuen Schläuchen.“

Antrag der CDU für ein modernes Betreuungswesen

Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Begeisterung im Hause scheint sich mit Blick auf die wenigen Anwesenden in Grenzen zu halten. Jedoch sollte dieses Thema uns alle interessieren.
Das Betreuungsrecht ist weitgehend im BGB und im SGB VIII verankert. Das klingt erst einmal hölzern. Jede und jeder von uns kann morgen selbst betroffen sein; ebenso können alle unsere Freundinnen und Freunde, alle Angehörigen, alle Nachbarn, alle Arbeitskollegen jederzeit betroffen sein. Sie können Opfer eines Unfalls werden, von schwerer Krankheit betroffen sein oder pflegebedürftig werden. Wenn sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, brauchen sie Unterstützung und Hilfe.
Deshalb sollten wir uns alle mit dem Thema „Betreuung“ beschäftigen. Wir sollten uns selbst und alle unsere Lieben in unserem Umfeld fragen, ob sie schon eine Vorsorgevollmacht ausgefüllt haben. Die Broschüre der Landesregierung wird ihr zu Recht aus den Händen gerissen. Werfen Sie alle einen Blick hinein!
(Christian Lindner [FDP]: Solange wir noch eine erhaschen!)
Wir müssen mit einem Mythos aufräumen – die Kollegin Wagener hat es schon gesagt –: Ein Ehegattenvertretungsrecht gibt es nicht, entgegen dem, was weite Teile der Bevölkerung denken. Deshalb ist es unsere Aufgabe, hier weiterhin zu informieren.
Ein weiterer Mythos lautet: Bei der rechtlichen Betreuung gibt es einen hohen Missbrauchsfaktor. Missbrauch gibt es sicherlich, und jedem Missbrauch muss nachgegangen werden. Wir müssen Mechanismen finden, um Missbrauch zu vermeiden. Aber gerade im Bereich der ehrenamtlichen und hauptamtlichen rechtlichen Betreuung erlebe ich ein hohes Engagement von Angehörigen, von Ehrenamtlern, von Betreuungsvereinen, von hauptamtlichen rechtlichen Betreuern, von Richterinnen und Richtern, von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern sowie von Pflegekräften. Sehr viele sind in diesem Bereich hoch engagiert unterwegs, und auch ihnen soll unser Dank gelten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die grüne Landtagsfraktion beschäftigt sich schon länger mit diesem Thema. Wir haben dazu im November letzten Jahres eine Veranstaltung durchgeführt; die Kollegin Grochowiak-Schmieding für den sozialpolitischen Bereich und ich haben Minister Kutschaty eingeladen. Die Veranstaltung erfuhr eine hohe Resonanz, denn das Thema kann uns nicht egal sein.
Der von Frau Scharrenbach angesprochene „Aktionsplan zur Stärkung des selbstbestimmten Lebens, zur Qualitätssicherung der rechtlichen Betreuung sowie zur Vermeidung unnötiger Betreuungen“ der Landesregierung ist eine hervorragende Grundlage, um in diesem Bereich weiterzukommen. Er umfasst ein offenes Konzept, das wichtige Fragestellungen aufwirft, und mit dem wir uns weiter beschäftigen sollten.
Das selbstbestimmte Leben – Frau Scharrenbach, das hatten Sie angesprochen – muss das Ziel sein. Die Interessen der Betroffenen müssen wirklich zum Zuge kommen. Dies muss das alleinige Ziel aller Bestrebungen sein.
Wenn wir uns Ihren Antrag anschauen, merken wir, dass wir das alles schon einmal so ähnlich gelesen haben. Zum Aktionsplan Betreuung gibt es eine hervorragende Positionierung der Freien Wohlfahrtspflege. Was bei der Freien Wohlfahrtspflege „Basisförderung“ heißt, heißt im CDU-Antrag auf einmal „Grundförderung“. Was bei der Freien Wohlfahrtspflege „Prämienförderung“ heißt, heißt bei der CDU „Zusatzförderung“. Was in der Praxis bei den Gerichten „Tag des Betreuungsrechts“ heißt, soll vonseiten der CDU jetzt eine „Woche der Selbstbestimmung“ werden. – Herzlichen Glückwunsch, wie originell ist das denn?
(Heiterkeit von den GRÜNEN)
Das ist kein neuer Ansatz. Das ist weder innovativ, noch ist es der große Wurf, und es ist schon gar nicht geeignet, um hier weiter nach vorn zu kommen. Das ist einfach nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Frau Scharrenbach, Sie haben die Vergütungssätze angesprochen. Da stelle ich mir immer wieder die Frage: Wer stellt denn seit 2005 die Bundesregierung?
(Ina Scharrenbach [CDU]: Wer ist denn Bundesjustizminister?)
– Aber auch da hatte die CDU schon mal Möglichkeiten gehabt. Ich wundere mich, dass Sie das jetzt erst erkennen. Sie sollten Ihren Einfluss in der Bundesregierung geltend machen. Wir sollten uns inhaltlich darüber auseinandersetzen, wie und an welcher Stelle das geschehen soll.
Was Sie „Vorsorgelotsen“ nennen und mit Blick auf das schleswig-holsteinische Modell ausführen, klingt erst einmal spannend, aber ich möchte an alle appellieren, Vorsorgelotsen auch für sich selbst zu sein und sich rechtzeitig zu kümmern.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): Die Kollegin Wagener hat schon die Internetseite www.betreuung.de angesprochen. Die von der CDU geforderte zentrale Homepage gibt es bereits. Dass Sie im Haushaltsansatz 2015 in Ihrem Antrag unterschlagen haben, dass wir im letzten Jahr 200.000 € zusätzlich bereitgestellt haben …
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): … ist vorbei, Frau Präsidentin, ich weiß – aber es gäbe zum Thema „Betreuung“ noch so viel zu sagen.
Präsidentin Carina Gödecke: Das glaube ich Ihnen gern.
(Heiterkeit)
Dagmar Hanses (GRÜNE): Deshalb freue ich mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Wir stimmen der Überweisung zu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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