Dagmar Hanses: „Dieser Gesetzentwurf stellt den Opferschutz und die aktivierende Täterarbeit in den Vordergrund, und das begrüßen wir sehr.“

Gesetzentwurf zum Strafvollzug

Dagmar Hanses (GRÜNE): Schönen guten Tag! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ist er nun, der lang erwartete, heiß ersehnte Gesetzentwurf der Landesregierung zum Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen – und es ist gut, dass er jetzt da ist, Herr Kollege Kamieth. Auf 181 Seiten und in 123 Paragrafen mit Begründung finden wir umfangreiche Vorschläge der Landesregierung, wie der Strafvollzug modern und aktivierend sein kann und wie ein moderner Behandlungsvollzug aussehen kann.
Im Gegensatz zur CDU finde ich, dass genau das eine zeitgemäße Ausrichtung ist. Sie haben beschrieben, Opferschutz gehe für Sie vor Täterschutz. Sie haben es immer noch nicht verstanden: Ihre Haltung ist eine Haltung von vor Foucault. Lesen Sie noch einmal „Überwachen und Strafen“ von Foucault. Aktivierende Täterarbeit ist der beste Opferschutz für morgen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um beides nebeneinander. Dieser Gesetzentwurf stellt den Opferschutz und die aktivierende Täterarbeit in den Vordergrund, und das begrüßen wir sehr.
Wenn man massiv in die Grundrechte von Menschen eingreift – das ist der massivste Eingriff, den staatliche Gewalt vornehmen kann -, muss man sich schon Zeit nehmen und es gründlich machen. Deshalb darf es hier nicht darum gehen, ein paar Wochen schneller oder langsamer zu sein, sondern es muss sorgfältig gemacht werden.
Dieser Entwurf ist sicherlich einer, der über die Grenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus viel Beachtung finden wird. Das fängt insbesondere schon beim § 1 an. Im Gegensatz zum CDU-Entwurf finden wir in § 1 das Ziel des Vollzugs.
Was ist eigentlich das Ziel des Strafvollzugs? Das Ziel kann nicht, wie Sie es beschrieben haben, Sicherheit und Ordnung sein, sondern „Sicherheit und Ordnung“ sind eine Methode, eine Abteilung oder was auch immer. Das Ziel muss selbstverständlich die Resozialisierung und ein Leben ohne Straftaten sein.
Herr Kutschaty hat von „kein Interesse an Kundenbindung“ gesprochen. Das finde ich immer sehr erfrischend; aber selbstverständlich muss das Ziel sein, dass die Menschen danach in der Lage sind, ohne neue Straftaten leben zu können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Denn das ist dann auch der Opferschutz, den wir eigentlich alle meinen sollten.
In diesem Gesetzentwurf gibt es verschiedene Schwerpunkte, die ich hier kurz ansprechen möchte. Wir haben schon gehört, dass nach dem Gesetzentwurf weitere 5 Millionen € für Qualitätsverbesserungen vorgesehen sind. Schon im Haushalt 2011 hatten wir 50 neue Stellen für Fachdienste geschaffen. Nun gibt es weitere 1,6 Millionen € für die Behandlungsuntersuchung und 2,3 Millionen € für die Sozialtherapie. Die Sozialtherapie hat 117 Plätze. Wir wissen, dass die Sozialtherapie in Gelsenkirchen lange Wartelisten hat und viel Inhaftierte dort dringend einen Platz suchen. Für diese 117 SothA-Plätze sind das 62 Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst, im Psychologischen Dienst und im Sozialdienst.
Zu den inhaltlichen Schwerpunkten wurde einiges schon gesagt. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass auch die besonderen Lebenslagen der Menschen im Gesetz eine Berücksichtigung finden: das Geschlecht, das Alter, die Zuwanderungsgeschichte, die Religion, Behinderungen und auch die sexuelle Identität. Auch das trägt dazu bei, dass wir den ganzen Menschen in den Blick nehmen.
Die besondere Situation von Frauen wird im Gesetz beschrieben. Frauen sind andere Gefangene als Männer. Wir haben 1.000 gefangene Frauen in Nordrhein-Westfalen. Dies findet Berücksichtigung.
Die Situation minderjähriger Kinder, deren Eltern inhaftiert sind, haben wir auch berücksichtigt. Deren Rechtsanspruch auf Mindestbesuche haben wir verdoppelt.
Zum Bereich Aus- und Weiterbildung: Eine Viertelmillion ist im Gesetzentwurf vorgesehen für die Alphabetisierung von Gefangenen.
Selbstverständlich sind in so einem umfassenden Gesetz auch Disziplinarmaßnahmen beschrieben. Aber es sind zeitgemäße Disziplinarmaßnahmen. Es hat mich verwundert, dass es früher noch Disziplinarmaßnahmen gab, den Lesestoff zu entziehen. Das ist natürlich nicht das, was wir wollen. Wir wollen, dass Gefangene jederzeit Zugang zu Literatur und Büchern haben.
Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss. Jetzt können wir den CDU-Entwurf und den Gesetzentwurf der Landesregierung nebeneinanderlegen. Ich bin sehr gespannt auf die ersten Reaktionen und auch auf die Anhörung.
Noch ein Satz an die CDU zu den Auskünften an die Opfer: Schauen Sie noch mal in § 115 und in § 7. Da finden wir nämlich eine sehr detaillierte Regelung, was die Auskünfte an die Opfer angeht. Schauen Sie noch einmal rein! Dann beraten wir gemeinsam. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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