Dagmar Hanses (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Stellen Sie sich vor, Sie erleben etwas Schreckliches, und jemand nutzt Ihr Leid für seine politische Agenda aus. Genau das versucht die AfD mit diesem Antrag zum Thema „sexuelle Gewalt“.
Doch bei dem Antrag erkennt man schnell: Es geht Ihnen nicht um die Opfer, sondern es geht Ihnen um Ihre menschenverachtende Ideologie. Es ist widerlich und zutiefst verkommen, wie Sie hier die Schicksale von Gewaltopfern missbrauchen. Das ist billiger Populismus, der direkt aus dem Handbuch der rechtsextremen Hetze stammt.
Ihre gezielte Verbindung von Sexualstraftaten und ausländischen Tätern ist nicht nur perfide, bewusst irreführend und rassistisch; sie ist auch einfach falsch. Das ist kein Zufall. Sie bedienen sich altbekannter Muster, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen, Minderheiten zu dämonisieren und aus Angst und Hass ideologisches politisches Kapital zu schlagen. Das ist gefährlich, antidemokratisch und menschenverachtend.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)
In Ihrem Antrag fordern Sie allen Ernstes die zwangsweise chemische Kastration. Das ist ein Vorschlag, der sehr an das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 erinnert.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im NPD-Verbotsverfahren eindeutig klargestellt, dass solche Forderungen nach Kastration unter Zwang einen sozialen Achtungsanspruch jedes Menschen missachten und damit klar verfassungsfeindlich sind. Chemische Kastration darf und kann in unserem demokratischen Rechtsstaat nur freiwillig nach sorgfältiger Information und Zustimmung der Personen erfolgen.
Das Wichtigste ist: Sie lassen außer Acht, was Täterinnen und Täter motiviert. Sie lassen außer Acht, dass wir aus der kriminologischen Forschung wissen, dass Sexualstraftaten nicht allein aus übertriebenem Sexualtrieb entstehen und dadurch motiviert sind, sondern aus Machtstreben, aus Dominanz, aus dem Patriarchat und aus dem Wunsch, Kontrolle über Opfer auszuüben. Das sind die tatsächlichen Ursachen, die Sie ignorieren. Wir müssen uns dem Problem sexueller Gewalt also auf einer anderen, komplexeren Ebene widmen, als Sie es tun.
Wer wirklich auf der Seite der Betroffenen sexualisierter Gewalt steht, schweigt nicht über die Strukturen und Hintergründe. Er verzichtet auf rassistische Verkürzungen.
Die AfD tut beides nicht. Die AfD instrumentalisiert sexualisierte und sexuelle Gewalt, um kulturelle Feindbilder zu schaffen. Dieses Kalkül hat mit Opferschutz nichts zu tun, aber viel mit Hetze.
Der Höhepunkt ist schließlich Ihre Argumentation, die Sie hier eben wiederholt haben, es gäbe ein archaisch-patriarchales Wertesystem, das angeblich nur Personen aus bestimmten Ländern oder Kulturen pflegen würden; das sei die alleinige Ursache sexueller Gewalt. Genau damit versucht die AfD, Vorurteile gegenüber Migrant*innen zu schüren.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, warum Sie nicht vor Ihrer eigenen Haustür kehren. Denn dieses patriarchalische Menschenbild wird aus Ihren Reihen immer wieder in die Welt gepustet. Wir haben es massiv bei Herrn Krah und anderen Personen erlebt, die ein verqueres Rollenbild von Frauen und Männern haben. Das sind Äußerungen, die uns Sorgen bereiten und die Menschen aufhetzen. Es ist scheinheilig, diese archaisch-patriarchalen Werte nur anzuprangern, wenn es um andere Minderheiten geht.
Opfer sexualisierter Gewalt brauchen umfassende Unterstützung, schnelle psychologische Hilfe, rechtliche Beratung und unkomplizierten Zugang zu Therapieangeboten. Natürlich hilft auch das kürzlich beschlossene Gewalthilfegesetz dabei, dass auch hier in NRW Unterstützungsangebote für Opfer sexueller Gewalt in Zukunft noch besser ankommen und erweitert werden.
Die AfD setzt auf gesellschaftliche Spaltung, Radikalisierung, und das lehnen wir ab. Ihre absichtliche Vereinfachung komplexer Themen ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch Ausdruck einer tief verwurzelten Menschenfeindlichkeit. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Wir lehnen ihn entschieden ab. Wir finden ihn widerlich. Wir treten ein für Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz aller Menschen vor sexualisierter Gewalt, ohne rassistische Anspielungen und ohne populistische Pseudolösungen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)