Dagmar Hanses: „Der Punkt, der mich besonders ärgert, ist die verpasste Chance, das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre zu senken“

Abschlussbericht der Verfassungskommission

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Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach einem zunächst konstruktiven, intensiven Prozess in der Verfassungskommission mit Sachverständigen auf höchstem fachlichen Niveau bleibt nun lediglich, ein ernüchterndes Fazit zu ziehen: viel mehr wäre drin gewesen, viel mehr.
Das, was wir hier eben gehört haben, insbesondere von Herrn Wolf und Herrn Lienenkämper, ist unredlich, wie Sie beispielsweise Ihre Positionen gegenüber vielen Gruppen der Zivilgesellschaft im Bereich der Demokratie, im Bereich der kommunalen Familie darstellen. Das entspricht einfach nicht dem, wie Sie es in der Verfassungskommission gemacht haben.
Der Punkt – das wissen Sie alle –, der mich besonders ärgert, richtig ärgert, ist die verpasste Chance, das Wahlalter von 18 Jahren auf 16 Jahre zu senken. Auch 16- und 17-Jährige sollen bei Landtagswahlen das aktive Wahlrecht erhalten.
Ich sage Ihnen auch warum. Die FDP sollte lieber zuhören. Mehr Beteiligung an demokratischen Prozessen ist schon ein Wert an sich. Wahlen sind die originärste Form der Beteiligung.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Alle Äußerungen – ich bin froh, dass Walter Kern da sitzt – von CDU und FDP im Bereich der Jugendpolitik zur Stärkung der Partizipation führen Sie hier gerade völlig ad absurdum.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Jugendliche sind in der Lage, zu vergleichen, abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen. Früheres Wählen wirkt sich deutlich auf die Wahlbeteiligung aus. Es stärkt die Wahlbeteiligung nachhaltig in der Zukunft. Die Bertelsmann-Studie hat es gezeigt. Das muss doch in Ihrer aller Interesse sein.
Jugendliche übernehmen viel früher Verantwortung für sich und andere, und deshalb sollen sie auch den Landtag wählen dürfen. Die Interessen Jugendlicher gelangen eher in den Blick der Landespolitik – von Parteien und Fraktionen –, wenn sie hier auch Rechte haben. Wenn Erstwählerinnen und Erstwähler den Landtag zum ersten Mal im Alter von 16 bis 21 Jahren wählen anstatt wie bisher im Alter von 18 bis 23 Jahren, werden sie von Bildungsangeboten, von Schule und Jugendarbeit begleitend besser erreicht.
Herr Lienenkämper, jede Altersgrenze ist gegriffen: die Strafmündigkeit ab 14 Jahren, ab 16 Jahren die Erlaubnis, Alkohol zu trinken, begleitetes Fahren ab 17 Jahren und die uneingeschränkte Religionsmündigkeit mit 14 Jahren. Und dieses Parlament sollen Menschen erst ab 18 Jahren wählen dürfen? – Das ist wirklich sehr, sehr ärgerlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, die Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): Bei Kommunalwahlen hat sich das Wahlalter 16 bewährt. Der demografische Wandel ist da. Jugendliche sind unterrepräsentiert. Alle Argumente waren ausgetauscht. Es gibt kein einziges Argument dagegen,
(Zurufe von der CDU)
und deshalb ist es wirklich eine Misstrauensbekundung gegenüber den Jugendlichen, dass Sie ihnen dieses Recht verwehren möchten.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Die Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): Das habe ich gesehen, und deshalb muss ich zum Schluss kommen. – Selbstverständlich bin ich froh, dass die Richterinnen und Richter des Landesverfassungsgerichtshofs jetzt von diesem Parlament gewählt werden – denn von wem sonst? –: von einem frei und demokratisch vom Volk gewählten Parlament. Die erste Staatsgewalt sollte das tun, niemand anders. Das stärkt Gewicht und Würde des Gerichts.
Alles, was wir Grüne in diesem Schritt nicht erreicht haben, werden wir selbstverständlich inhaltlich weiterverfolgen. Wir sind gespannt, wie die Gespräche dann verlaufen und wie Sie sich dann verhalten: ob Sie sich wieder so wegducken.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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