Dagmar Hanses: „Auch der Handel mit Fotos ist sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen.“

Antrag der CDU zu Strafbarkeitslücken beim Handel mit Nacktfotos

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ausmaß des gewerblichen Handels von kinder- und jugendpornografischen Bildern – auch wenn sie keine expliziten sexuellen Handlungen beinhalten –, das weltweit besteht, hat auch mich schockiert.
Die Nachrichten, die uns in den letzten Monaten erreichen haben, wie dort Handel funktioniert, sind dramatisch. Es ist unerträglich, wie Kinder und Jugendliche auch dadurch Opfer werden. Nicht nur sexuelle Handlungen, sondern auch der gewerbliche Handel mit den beschriebenen Bildern ist mehr als hochproblematisch. Auch das – das müssen wir hier klar benennen – ist sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben recht: Dies wird bisher im Strafrecht so nicht erfasst. Ja, das ist eine Grauzone oder eine Lücke. Doch das, was Sie hier vorschlagen, ist denkbar ungeeignet, damit umzugehen. Seit Jahrzehnten wissen wir durch wissenschaftliche Erkenntnisse, dass mindestens 1 % der männlichen Bevölkerung latent oder offen pädophile Neigungen hat. Es ist kein seltenes Phänomen in unserer Gesellschaft. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist selbstverständlich eine ganz wichtige Aufgabe der gesamten Gesellschaft.
Die Aufgabe des Bundesgesetzgebers – ich betone: Bundesgesetzgeber –, dies im Strafrecht zu definieren, ist sehr komplex, die wir aus NRW sehr aufmerksam und wachsam begleiten sollten. Ihr Antrag ist aus mehreren Gründen dazu jedoch nicht geeignet, und wir müssen ihn an dieser Stelle ablehnen.
Ihr Antrag berücksichtigt in keiner Weise, nicht mit einer Silbe, die Diskussion der Bundesratssitzung vom 14. März. Schade, das wäre zeitlich noch möglich gewesen. Ihre Ministerpräsidentin aus Thüringen hat einen Antrag eingebracht, der mit einem ganzheitlicheren Antrag aus Hessen zusammengeführt und in den Rechtsausschuss des Bundesrates mit den Stimmen aus Nordrhein-Westfalen überwiesen worden ist.
Nun ist dieses Thema aus unserer Sicht für Schnellschüsse nicht geeignet, eben weil wir dieses Phänomen bereits seit längerem kennen. Da das Ausmaß des gewerblichen Handels aber sicher nicht bekannt war, sollten wir jedoch sorgsam hinschauen. Der schnelle Ruf nach einer Verschärfung oder Ausweitung des Strafrechts ist aus Ihrer Fraktion ja besonders häufig zu hören. An dieser Stelle wollen wir gerne mit Ihnen gemeinsam schauen, wie es gelingen kann. Ob das alleine in den §§ 184 b und c richtig ist, stellen wir massiv infrage. Es gibt andere Überlegungen, wonach dies im § 201 a „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ anzusiedeln ist, weil die Erwachsenen, die diese Bilder machen, auch die Persönlichkeitsrechte der Kinder verletzen.
In Ihrem Antrag ist mit keiner Silbe etwas zum Thema „Prävention“ gesagt worden. Das bedauern wir sehr, weil gerade bei diesem Phänomen Prävention ganz besonders wichtig ist. Viele von Ihnen haben die Kampagne der letzten Monate „Kein Täter werden“, eine sehr mutige und provozierende Kampagne, aber eine, die für dieses schwierige Thema viel Aufmerksamkeit erreicht, verfolgt. Das ist ein Ansatz. In vielen Bereichen der Jugendhilfe, der Medizin ist Prävention ein Schwerpunkt. Am Standort Düsseldorf haben wir nun endlich eine Anlaufstelle für Pädophile. Diese hatten bisher in Nordrhein-Westfalen nur wenige Anlaufstellen.
Das Strafrecht kann aus unserer Sicht nicht gesellschaftliche Entwicklungen auflösen – leider nicht. Wir sollten daher mit dem scharfen Schwert des Strafrechts sorgsam umgehen.
Leider ist Ihr Antrag auch widersprüchlich, weil er den Erwerb, die Verbreitung, den Handel und auch den Besitz von diesen Bildern unter Strafe stellen möchte. Wir weisen noch einmal darauf hin, dass wir uns hier die Definition genau anschauen sollten. Der Besitz von Bildern von Kindern, die nackt sind, nimmt auch andere Formen annimmt. Ich habe eine DVD von „Ronja Räubertochter“ und „Wir Kinder aus Bullerbü“. Auch da sind Kinder nackt in Filmen und Bildern dargestellt. Die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft oder auch – Stichwort: Prävention – die Schriften der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung …
Vizepräsident Daniel Düngel: Ihre Redezeit.
Dagmar Hanses (GRÜNE): Ja, das habe ich gesehen.
… wären nach Ihrer Definition auch davon betroffen. Das lehnen wir selbstverständlich ab.
Bitte lassen Sie uns bei diesem sensiblen Thema genauer und sorgsam hinschauen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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